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Kanuwandern? Großes Kino Kleinseenplatte!

Was ist für das Wohlbefinden wichtiger: Warme (hochsommerliche) Temperaturen oder (nebensaisonale) Ruhe? Vergnügungen wie Wassersport, oder besser, Wasserwandern, haben jetzt natürlich Hochsaison. Doch auch frühmorgens oder an den Saisonsenden ist die Mecklenburgische Kleinseenplatte eine Wundertüte aus Wasserlandschaften und wilder Natur.
Inhalt

Kanuwandern im Mecklenburgischen Kleinseenland

Als ich jüngst am Berliner Wannsee im Seehasen sitze, ein warmer Wind über mich hinwegfegt und ich im Wasser einige wackere Paddler über die kräuselige Oberfläche gleiten sehe, fällt mir mein frisches, frühes Kanu-Erlebnis in diesem Jahr wieder ein. Früh im doppelten Sinne, denn es war Ende März, 2°C und 8h morgens, als ich – angeleitet von Martin von der Kanumühle Wesenberg und nur bewaffnet mit einem Apfel, ein paar Nüsschen und einer Flasche Wasser – in den schwankenden Plastiktorpedo steige.

Frühmorgens ist die Schleuse nicht besetzt. Dann geht es für das Kanu über Land, auf Schienen und an der Kette ist man ruckzuck auf der anderen Seite.
Frühmorgens ist die Schleuse nicht besetzt. Dann geht es für das Kanu über Land, auf Schienen und an der Kette ist man ruckzuck auf der anderen Seite.

Wo genau die Mecklenburgische Kleinseenplatte anfängt und so sie aufhört? Da müssen sogar Menschen, die hier geboren und aufgewachsen sind, laut überlegen. Oder leise googeln. Ob das daran liegt, dass das Amtsgebiet andere Marker setzt als der örtliche Tourismusverband? Vielleicht spielt es für die Menschen, die hier geboren sind und inmitten dieses Wunders leben, einfach keine Rolle. Zu entdecken gibt es hier so vieles, von barocken Stadtanlagen und alten Häfen bis hin zu neuen Kulturzentren und natürlich dem allgegenwärtigen Star, der diesen Teil von Europas größtem Binnenrevier prägt wie nichts Menschengemachtes: dem Wasser.

Fast die Hälfte aller deutschen Stillgewässer, fast 5.000, gehören zur Wasserwelt Berlin/Brandenburgs und der Meckenburgischen Seenplatte. Allein 400 der Seen gehören zum Kleinseenland der Mecklenburgischen Seenplatte. Verbunden durch Flüsse, Bäche, Kanäle und Schleusen ergibt sich so ein Geflecht aus kleinen Wasserstraßen, die ebenso charakteristisch sind für die Region wie wilde Wälder, weite Wiesen und saftige Moore. Die Einzigartigkeit dieser von der Eiszeit geprägten Landschaft erschließt sich von den Bundesstraßen aus nicht überall sofort.

Um sie zu erleben, muss man ans und noch besser aufs Wasser. Am allerbesten in die als Schutzgebiete gekennzeichneten Regionen, die man nur unmotorisiert befahren darf. Wer kanuwandern, radwandern oder einfach zu Fuß wandern möchte, dem empfehle ich eine Anreise mit der Regionalbahn. 70 Minuten Fahrtzeit von Berlin aus nach Neustrelitz sind einfach nicht zu toppen. Von der sind es nur noch 12km bis nach Wesenberg, einem tollen Ausgangspunkt für das Abenteuer Kanuwandern.

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Wunderbare Wasserwelt zwischen Hamburg und Berlin

Seit 1843 führen auf Initiative des Großherzog Georg schiffbare Wasserwege durch die Kleinseenplatte über die Elbe bis nach Hamburg oder – in die andere Richtung – über die Havel bis nach Berlin. Dafür sorgen Kanäle wie zum Beispiel der Kammerkanal. Er verbindet den Woblitzsee bei Wesenberg mit dem Zierker See in Neustrelitz. Und die obere Havel mit dem Ellenbogensee bei Priepert. Zu der Zeit, in der Landesbaumeister Friedrich Wilhelm Dunkel den Auftrag erhält, entsteht am Zierker See auch der Stadthafen der damaligen Residenzstadt Neustrelitz mit seinen Kornspeichern.

Sieben bis acht Lastkähne konnten hier gelöscht werden. Die Bedeutung des Hafens, der zu jener Zeit gerade eine zweite Ausfahrt und Erweiterung erfahren hatte, nahm mit dem Ausbau der Eisenbahnstrecken ab 1870 rasch wieder ab. Ein Überbleibsel aus dieser Zeit ist die Insel „Neu Helgoland“, später Helgoland, mit seiner Gaststätte. Das heutige Erscheinungsbild des Stadthafens ist von Yachten und Anlegestellen für Ausflugsschiffe geprägt. Heute gehört die Bundeswasserstraße Obere Havel-Wasserstraße (OHW), in den Bundesländern Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, in die Zuständigkeit des Wasser- und Schifffahrtsamtes Eberswalde.

Wie lange es von Hamburg nach Berlin oder eben umgekehrt auf dem Wasserwege und per Kanu dauert? Das herauszufinden ist gar nicht so leicht. Nach Telefonaten mit Wasser-Schiffahrts-Ämtern und Tourismus-Plattformen für Wasserwandern, die hierzu alle keine Zahlen haben, lande ich bei Marcus von der Kanubasis in Mirow. Er kann mir zumindest sagen, wie man die Reisezeit berechnen würde. Von Berlin nach Hamburg ginge es über die Müritz, dann über die Müritz-Elde-Wasserstraße in die Elbe und diese dann in Gesellschaft dicker Pötte hinunter paddeln bis nach Hamburg.

Von Berlin aus führe man nach Westen über die Havel, die Potsdamer Havelgewässer sowie Brandenburg und Havelberg und von da aus in die Elbe rein. Mit dem Kajak sei man schneller als mit dem Kanadier, so ca. 5-6km/h, dann dürfe man Fließgeschwindigkeit des Wassers nicht vergessen, plus 30min pro Schleuse (und das sind einige…), und das ganze dann addieren, plus einen im Sinn. Aber wieso ich das eigentlich wissen wolle? Die Frage ist berechtigt. Denn erstens bin ich Kanu-Newbie und zweitens habe ich dieses Mal leider nicht so viel Zeit im Gepäck.

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Allein auf der Kleinseenplatte – Frühmorgens auf dem Wasser

Für Kanu-Beginner empfehle ich eine mehrstündige Route von Wesenberg aus durch die kleine, urwüchsige Schwaanhavel über den Plätlinsee. Von dort aus geht es, nach einem 300m über die Straße auf der anderen Seite weiter auf verschlungenen Wasserwegen. Und wenn man es drauf anlegt, kann man tatsächlich von dort aus nach Hamburg oder nach Berlin paddeln.

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Ich möchte allein mit der Natur sein, also stehe ich richtig früh auf und begebe mich von der Kanu-Mühle aus aufs Wasser. Es ist so zeitig, dass noch nicht einmal die Schleuse besetzt ist. Wie praktisch, dass es hier einen kleinen Wagen gibt, auf dem man sein Kajak seitlich an der Schleuse vorbeiziehen kann. Wer aus Freude darüber, diese Hürde genommen zu haben, kurz hinter der Schleuse versäumen sollte scharf rechts abzubiegen, landet wenige Kilometer später einfach in dem verschlafenen Ahrensberg.

Im Sommer können Besucher hier, am Fuße der Hausbrücke, lecker Fischbrötchen der Seenfischerei Wesenberg futtern.
Im Sommer können Besucher hier, am Fuße der Hausbrücke, lecker Fischbrötchen der Seenfischerei Wesenberg futtern.

Das bekannteste Bauwerk des alten Gutsdorfes Ahrensberg, das nie zum Herzogtum Mecklenburg-Vorpommerns gehörte und erst 1934 zu Wesenberg kam, stellt eine hölzerne Hausbrücke dar. Sie führt zwischen dem Großen Drewensee und dem Finowsee über die Havel und ist über eine Chaussee oder markierte Wanderwege erreichbar. Auf dem benachbarten Fischereihof finden hungrige Besucher frisch Geräuchertes, Angler Orientierung und müde Wanderer ein Bett für die Nacht.

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Doch ich erwische die Abfahrt hinter der Brücke und betrete mit Einstieg in die Schwaanhavel eine andere Welt. Links und rechts des schmalen Wasserlaufes löst sich der wasserblaue Blick in einem Waldgebiet auf, dessen verfilzte Dichte an Urwälder erinnert und in dem vereinzelte Äste umgestürzter Bäume streckenweise mit den Wassersportlern um den vorhandenen Platz auf dem Wassersträßchen rangeln.

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In der Schwaanhavel hört der frühe Wasserwanderer keine menschengemachten Geräusche mehr. Motorboote sind verboten, mit dem passenden Telefonanbieter hat man hier nicht einmal Empfang und die nächste Bundesstraße ist schon lang vergessen. Stattdessen kann man sich umhüllen lassen von den tierischen Stimmen. Das Klopfen eines Spechtes vermischt sich mit rhythmischen, lockenden und durchdringenden Lauten anderer Vögel, die sich nicht sehen, aber hören lassen können.

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Ente, Erpel und Schwan beeindruckt das akustische Spektakel weit weniger als mich. Moment, war das gerade tatsächlich ein Eisvogel? Über dem Plätlinsee ziehen Seeadler ihre Kreise, auch Kraniche sind hier sehr präsent. Das Schilf lebt. Überall wird gebrütet. Natürlich halte ich Abstand, um die Tiere möglichst nicht zu stören.

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Die natürliche Verbundenheit von Seen, Havelabschnitten und Kanälen zu genießen macht mir ebensolche Freude wie Streifzüge durch die einzelnen zur Kleinseenplatte gehörigen Ortschaften. Und wer die Ecken auf dem Land richtig ausfährt, kommt auch mit dem maroden Charme in Kontakt, den einige kleine Orte ausstrahlen. Der Schönheit und Einmaligkeit der gesamten Region, tut das keinen Abbruch, finde ich. Ganz im Gegenteil. Doch am intensivsten wirkt die Naturerfahrung dieser außergewöhnlichen Wasserwelt nach. Ich winke dem Kellner im Seehasen, wo man zumindest lustige kleine Tretboote mieten kann, und bestelle mir noch eine Saftschorle, bevor ich mich wieder vom Wasser hypnotisieren lasse.

High Noon am Ufer des Plätlinsees.  Und was vor Saisonbeginn so wunderbar war, geht sicher auch im September nochmal.
High Noon am Ufer des Plätlinsees. Und was vor Saisonbeginn so wunderbar war, geht sicher auch im September.

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Service

Auf die Frage nach Beginn und Ende der Kanusaison und bis zu welchen Temperaturen man überhaupt fahren könne, muss Peggy Sarodnik, Inhaberin der Kanu-Mühle in Wesenberg, lachen: „Man könnte manchmal schon den Eindruck gewinnen, je mehr Outdoor-Klamotten es gibt, umso wetterfühliger werden die Leute“. Dabei könne man auch und gerade in der Vor- oder Nachsaison wunderschöne Naturmomente genießen und habe die beliebten Wasserwander-Routen fast für sich allein. In der Hauptsaison sind ihre Boote und die anderer Verleiher fast rund um die Uhr im Einsatz. Vorher anrufen lohnt sich also.

Kanu-Mühle Verleih & Shop, Havelmühle 1 / Ahrensberger Weg, 17255 Wesenberg, Fon: 039832 20350, Mail: info@kanu-muehle.de

Auch Markus Frielinghaus von der Kanubasis in Mirow weiß alles über Wasserwandern. Und er kann gut rechnen, im Gegensatz zu mir. Ich bin immer noch dabei, die Distanzen und Schleusen zu addieren und die Fließgeschwindigkeiten von Havel (langsam) und Elbe (schnell) gegenzurechnen. markus@kanubasis.de