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Graffiti an der Mauer in Bethlehem: Happy Christmas
Graffiti an der Mauer in Bethlehem: Happy Christmas

Bethlehem im Advent

Advent, Weihnachten naht. Bethlehem, der Geburtsort Jesu, rückt saisonal in den Fokus vieler Menschen weltweit. Ochs und Esel, Hirten und Könige aus Morgenland kamen hierher, die Krippe mit dem Christuskind zu sehen. Ist Bethlehem auch heute noch ein attraktives Reiseziel?
Inhalt

Hochsaison in Bethlehem

Rückblende. Bethlehem zur Zeit des Kaisers August: “Sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.“

Kein Zimmer im Hotel? Das könnte zur Weihnachtszeit auch heutzutage in Bethlehem passieren. Denn Weihnachten ist natürlich Hochsaison. Könnte! Hätte! Wäre! Letztes Jahr war es noch so. Aber dieses Jahr klagen und stöhnen alle. Die Hoteliers, die Taxifahrer, die Souvenir-Verkäufer, die Kellner, die Local Guides. Wirklich alle! Es kommen einfach keine Touristen. So schlimm war es noch nie. Ende November, Anfang Dezember bin ich für 8 Tage in Bethlehem gewesen und habe mich umgeschaut. Also, wie sieht es im Advent in der legendären Geburtsstadt Jesu aus?

Graffiti mit einem Weihnachtsbaum von der Mauer in Bethlehem.
Ein Weihnachtsbaum eingekreist von der Mauer. Graffiti an der Sperranlage, die Bethlehem von Israel trennt

Vor-Weihnachts-Stress in Bethlehem

Vor der Geburtskirche auf dem Manger Square laufen Bauarbeiten auf Hochtouren. Der Platz wird aufwändig renoviert. Frische, junge Bäumchen werden angepflanzt. Eine Dränage ist verlegt, um die Bäume auf dem Platz mit Wasser zu versorgen. Sonst gingen diese im trockenen Wüstenklima ein. Noch fehlt die Stadtmöblierung. Bänke und Abfalleimer sind an den Rand des Platzes geschoben. Die Zeit aber drängt. Sind die Arbeiten zu Weihnachten tatsächlich abgeschlossen?

Ein verführerisch glitzer-grüner Weihnachtsbaum ragt auf dem Manger Square, dem Krippenplatz, schon in den blauen Himmel. Am Tag ist es allerdings noch so warm, als ob es Frühling wäre. Das T-Shirt gehört noch zu meiner ausgeführten Oberbekleidung. Weihnachtsstimmung? Keine Spur!

Weihnachstbaum auf dem Manger Square von Bethlehem.
Auf dem Manger Square, dem Krippenplatz, von Bethlehem. Der Weihnachstbaum

Doch schon seit Tagen wird der monumentale Weihnachts-Plastikkegel mit Girlanden, Sternen und Glaskugeln in Grün, Rot, Weiß oder Schwarz geschmückt. Ganz oben weht die palästinensische Flagge. Dieser Baum ist eine Weihnachts-Installation von nationaler Bedeutung. Jedes Detail muss sitzen. Auf diesen Baum schaut zum Weihnachtsfest die ganze Welt. Am 24. Dezember richten sich Gedanken, Emotionen, Fernsehkameras gen Bethlehem dieses kleine Bergstädtchen im judäischen Bergland. Bilder des Weihnachtsbaums gehen dann um den Erdball. Aufmerksamkeit pur!

Junge Männer schmücken den Weihnachtsbaum in Bethlehem mit Sternen.
Jedes Detail muss stimmen. Sterne für den Weihnachtsbaum in Bethlehem. Anstelle eines Engels weht die palästinensische Flagge
Kugeln für den Weihnachtsbaum auf dem Manger Squaer in Bethlehem.
Glitzerkugeln aus Liverpool für den prächtigen Weihnachtsbaum. Die müssen auch noch alle ran

Händeringend gesucht: Bethlehem Besucher

Aber ein Hotelzimmer in Bethlehem zur Weihnachtszeit 2015? Kein Problem. Dabei ist Tourismus ein wichtiger ökonomischer Faktor in der klapprigen Wirtschaft des Westjordanlands. Immerhin sorgt Tourismus in normalen Zeiten für über 20% der Arbeitsplätze in Bethlehem. Wer hat also Schuld an dieser wirtschaftlichen Katastrophe?

Sind es ISIS oder Daesh, islamistischer Terror in Europa, palästinensische Messer-Attacken in Jerusalem, israelische Lynchjustiz, die Flüchtlingskrise oder der Bürgerkrieg in Syrien? Wahrscheinlich ist eine Mischung aus all diesem, die den vorsichtigen, überaus gefährundungs-sensitiven modernen Touristen abhalten nach Bethlehem zu reisen.

Zwar kamen noch 2014 über eine Millionen Besucher nach Bethlehem. Eine Reise ins Heilige Land ohne eine Besichtigung der Geburtskirche Jesu ist eigentlich unmöglich. Traditionell wird hier der Schauplatz der Geburt Jesu, der Anbetung durch Hirten und 3 heilige Könige gezeigt und bewundert.

Eingang in die Geburtskirche in Bethlehem.
Knapp bemessen. Der Eingang in die Geburtskirche in Bethlehem. Der Eingang ist so niedrig, damit der Besucher den heiligen Ort demütig gebeugt betritt

Weltkulturerbe Geburtskirche

Doch die meisten Reisenden schauen nur für eine Stippvisite vorbei. Europäische oder nordamerikanische Gruppenreisende übernachten fast gar nicht mehr in Bethlehem. Sie kommen für wenige Stunden mit einem israelischen Bus und einem arabisch israelischen Local Guide aus Jerusalem. Ein schneller Blick in die Geburtskirche, das war’s. Die Kirche wird noch bis Ende 2016 restauriert und auf Vordermann gebracht wird. Das bringt der neue Weltkulturerbe Titel mit sich.

Steile Treppen führen in eine dunkle Grotte unterhalb der Kirche. Hier soll sich das wundersame Geschehen der Fleischwerdung Gottes und dessen Anbetung zugetragen haben. Schummriges Kerzenlicht erhellt einen Stern, der den Ort der Niederkunft markiert. Rechter Hand davon stand die Krippe. All das lässt sich 2015 ungewohnt entspannt besichtigen und betrachten. Kein Besucherstau!

Blick in das Kirchenschiff der Geburtskirche.
Für die Weihnachtszeit ist es hier ziemlich leer. Restaurieren für das Weltkulturerbe im Kirchenschiff der Geburtskirche. Die Säulen sind mit Holz eingepackt. Der Dachstuhl ist verhängt.
Geburtsgrotte unterhalb der Geburtskirche.
Der Stern vom Bethlehem im mystischen Dämmer. Blick in die Geburtsgrotte unter der Kirche

Die Geburtskirche verdanken wir der Heiligen Helena. Die Mutter des Kaisers Konstantin forschte als erste Archäologin der Weltgeschichte im heiligen Land nach den Spuren Jesu. Ihr ist es doch tatsächlich Anfang des 4. Jahrhundert gelungen, untergegangene verschüttete Stationen seines Lebens wieder aufzufinden und sie den Christen zugänglich zu machen. Helena hat auch die Errichtung der Geburtskirche überwacht. So viel Geschichte, das kann den Besucher erschlagen.

Vielleicht lockt nach der Besichtigung der legendären Stätte noch der Besuch einer Holzschnitzerei. Sie produzieren aus Olivenbaumholz Souvenirs. Merkwürdig, dass sich aus dem schönen Ölbaum so abseitige Andenken herstellen lassen. Einkaufen bedeutet einen mutigen Ausflug in eines der Souvenirgeschäfte am Manger Square oder der Milchgrotten Straße. Diese Straße führt übrigens zu einer Höhle, in der die Mutter Maria einen Tropfen ihrer Muttermilch verlor. Dieser Tropfen veredelte den Kalkstein der Grotte in das weißestes Weiß. Es lässt sich noch heute in der Milchgrotte bewundern. Was für ein quastiges Wunder.

Schaufensterdekoration eines Souvenier-Geschäfts in Bethlehem mit Holzschnitzereien.
Die schönen Dinge des schlechten Geschmacks. Diesmal Schnitzerei aus dem Holz des ehrwürdigen Ölbaums
Blick in die Milch Grotten Straße in Bethlehem mit Hinweisschild auf die Milk Grotto Church.
Hier fällt der Glauben schwer, aber es gibt sie wirklich die Milch Grotten Kirche

Reise Quickies in Bethlehem

Aber schon das Mittagessen in einem Restaurant in Bethlehem ist für viele Besucher zu kompliziert. Die Sternstraße, der alte Pilgerweg zur Geburtskirche, oder der orientalische Markt im Zentrum Bethlehems liegen für die meisten Reisenden völlig außerhalb des erreichbaren Horizonts.

Reisen an den Geburtsort des Christentums als Hopp off, Hopp on Quickie. An der Infrastruktur für Reisende kann es nicht liegen. Fast 4.000 Hotelbetten stehen in Bethlehem zur Verfügung. Die Hälfte aller Hotelbetten in den Palästinensischen Autonomiegebieten. Ganz krasser Leerstand. Sieht so aus wie eine gigantische Fehlinvestition.

Dabei gibt es so viele gute Gründe sich gerade in diesen trostlosen, kriegerischen Zeiten in Palästina umzuschauen. Ich begegne auf den Straßen oder auf dem Markt in Bethlehem vielen Menschen, die den westlichen Stereotypen von der religiös fanatisierten arabischen Welt so ganz und gar nicht entsprechen. Und das obwohl die Menschen in Bethlehem unter schwierigsten sozialen, wirtschaftlichen, und emotionalen Bedingungen leben. Für mich ist von dem Konflikt mit seiner Gewalt und Aggression erstaunlicher Weise fast nichts zu spüren. Scheint alles weit weg zu sein.

Zwei junge Männer in Bethlehem.
Junge Männer in Bethlehem. Wahrscheinlich mit sehr beschränkten Perspektiven.

Der Konflikt im Westjordanland

Ein Freund in Bethlehem beschreibt die Situation in den palästinensischen Autonomiegebieten so, er rätselt: “Ist das schon eine dritte Intifada? Je nachdem, wen man fragt, erhält man unterschiedliche Antworten. Die meisten Jungen und Unzufriedenen halten es tatsächlich für eine Intifada. Die Älteren, denen die ersten beiden Aufstände der Palästinenser gegen die israelische Besatzung noch in schlechter Erinnerung sind, verneinen meist. Sie sagen, das geht alles schnell wieder vorbei. Zumindest ereignen sich Anschläge und Auseinandersetzungen jetzt schon mehrere Wochen. Täglich ein paar Attacken verzweifelter Palästinenser mit Messern oder Wagen gegen israelische Soldaten oder Siedler. Täglich ein paar erschossene junge palästinensische Männer oder Frauen, die einer entsprechenden Attacke verdächtigt werden. Militäroperationen, Straßensperren, Überfälle der israelischen Armee auf Radiostationen oder andere Medien, Angriffe gegen Journalisten und die Hilfsteams des Roten Kreuzes.

Israel macht sich damit sicherlich keine Freunde. Wenn es noch kein Volksaufstand ist, so tut Israel alles dazu, dass es ein Volksaufstand werden könnte. Lediglich die großen palästinensischen Fraktionen halten sich noch zurück. Weder die Regierung, noch andere im Westjordanland vertretene Parteien wollen wirklich einen großen Aufstand. Letzt endlich wissen sie, dass sie gegen den übermächtigen Feind Israel nichts zu gewinnen haben. …

Ein Muster aber verstetigt sich: die Zahl außergerichtlicher Hinrichtungen und die Anzahl der durch Lynchmorde ums Leben gekommenen Palästinenser steigt kontinuierlich. Man muss bezweifeln, dass es nicht möglich ist, Menschen die einen Anschlag planen oder von denen andere glauben, sie könnten einen planen, irgendwie festzunehmen. Selbst wenn man von Schusswaffen Gebrauch machen muss, gibt es sicher andere Möglichkeiten, als Menschen durch zwölf Kugeln in Rumpf und Kopf auf der Stelle hinzurichten.

Es wundert sich jetzt alle darüber, dass junge Palästinenser diese Attacken verüben. Aber wenn sich diejenigen, die sich wundern, ansähen, unter welchen hoffnungslosen Bedingungen diese Menschen leben, welch desperate wirtschaftliche Situation hier herrscht, wie eingezwängt sie sowohl in soziale Konventionen, als auch von der umgebenden Mauer und den Checkpoints sind. Selbst in diesem Ghetto noch sind sie täglicher Gewalt der Besatzungskräfte und von Siedlern ausgesetzt. Es ist kein Wunder, dass in Tausenden dieser jungen Palästinenser die Überzeugung wächst, der Tod sei besser, als dieses Leben.“  Soweit die Einschätzung des guten Freundes aus Bethlehem. Auf der Website des Guardian aus London zeigt ein verstörendes Video über den Einsatz von Rettungskräften die Gewalt in Bethlehem und der Westbank.

Die israelische Sperranlage zwischen dem Westjordanland und Israel.
759 Kilometer Mauer. Die israelische Speeranlage zwischen dem Westjordanland und Israel

Die Mauer in Bethlehem

Wie sieht eigentlich diese Grenzmauer aus, die Bethlehem von Israel trennt? Vor dieser Mauer gibt es in Bethlehem ja nirgends ein Entrinnen. Diese Mauer macht aus Bethlehem und dem Westjordanland ein riesiges Gefängnis. Manche nennen diese Sperranlage sogar Rassimus-Mauer. Regelmäßig stoßen hier palästinensische Jugendliche gewaltsam mit israelischen Soldaten zusammen. Hier habe ich zum ersten Mal Tränengas in den Augen und in der Nase gehabt.

Die Mauer ist erstmal wahnsinnig hässlich. Sie ist ein visuelles Schandmal. Provisorisch hingerotzt in die Hügel des heiligen Lands. So amorph und provisorische wächst dieser Mauer etwas ganz besonders Bedrückendes weil Lebendiges zu. Wie ein giftiger Lindwurm könnte sie sich verschieben und beliebig neu im Land positionieren. Sie ist aus Beton gegossen. Riesig hoch. Mit mehreren Reihen Stacheldraht bewehrt.

Wachturm in Bethlehem an der israelischen Sperranlage zwischen dem Westjordanland und Israel.

In Bethlehem gibt es an der Mauer alle paar Meter runde Wachtürme. Suchscheinwerfer sind auf deren Dächer montiert. Durch schlundartige Tore können israelische Soldaten, Wagen oder Panzer nach Bethlehem hinein stürmen. Von israelischer Seite heißt es, die Mauer gibt uns Sicherheit. Sie schützt uns vor Anschlägen und Terrorismus. Als ich vor der Mauer stehe, verblassen diese Argumente schlagartig vor der Monstrosität dieser Sperranlage.

Detail der israelischen Sperranlage in Bethlehem mit Wachturm.
Stacheldraht und Beton. Die Mauer

Neben der Geburtskirche ist die Mauer die Sehenswürdigkeit in Bethlehem. Tatsächlich ist dieser inhumane Sperrzaun eine richtige Tourismus Attraktion. Auf palästinensischer Seite wird die Mauer zur Streetart Galerie und zum Museum. Auf groß bedruckten Tafeln wird an Einzelschicksalen während der Vertreibung und der Intifada von Frauen und Kinder in Bethlehem und dem Westjordanland erzählt. Das sind bewegende Geschichten von traumatischen Ereignissen, mutigen Taten und zerstobenen Träumen. Sie rühren emotional und treiben das Wasser in die Augen.

Da wo Pinsel und Spraydosen unkompliziert hingelangen ist die Mauer mit einer großen Zahl von Graffiti und Bildern überzogen. Die Themen sind immer ähnlich. Die Ungerechtigkeit der Mauer wird beklagt. Die Hoffnung, dass die Mauer irgendwann verschwindet, wird genährt. Der heroische Kampf der Palästinenser wird bebildert.

An wen richten sich diese Texte und Bilder? Gelesen und betrachtet werden sie in der Regel nur von denjenigen, die mit der Sache der Palästinenser sowieso schon eher solidarisch sind. Dann sind es nur Äußerungen der eigenen Betroffenheit, die der Selbstvergewisserung dienen. Mir kommt es so vor, als nähmen die niedlichen Bilder und die traurigen Texte der Mauer ihre grausame Wucht.

Der Streetartist Banksy hat 2005 begonnen, poetische, anklagende Bilder an den Mauern zu hinterlassen. Manche von diesen Bildern sind mit der Zeit vergangen oder wurden übermalt. Viele Banskys sind als Souvenirs auf Jutebeutel und Magnetstickern auf Postkarten und Postern in speziellen Bansky Shops erhältlich. Local Guides und Taxifahrer bieten Touren zu den Bansky Artefakten an. Aber auch diese Touren laufen in der Adventszeit nicht so gut. Denn in Bethlehem sind ja noch viele Zimmer frei. Also hinfahren! Hotels vollmachen und die palästinensische Wirtschaft ankurbeln. Ein Besuch in Bethlehem lohnt sich!

Die israelische Sperranlage zwischen dem Westjordanland und Israel in Bethlehem.
Graffiti an der Mauer in Bethlehem.
Die Mauer von Bethlehem mit Plakaten beklebt.
Die israelische Speeranlage zwischen dem Westjordanland und Israel.
Teenager- Traum: I want to be … a soldier.

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Auf einen Blick:

Bethlehem bereitet sich auf Weihnachten vor. Der Platz vor der Geburtskirche ist neugestaltet. Der prächtige Weihnachtsbaum ist aufgebaut. Doch dieses Jahr bleiben die Reisenden zu Weihnachten aus. Viele Hotels in Bethlehem stehen leer. Schuld daran haben wahrscheinlich der Terrorsimus und die angespannte Sichheitslage im Heiligen Land. Wie wirkt sich diese Situation auf den Advent in Bethlehem aus?