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Haifa-Israel_013

Haifa: Meer, Stadt & Berg

Haifa ist die große Überraschung meiner Israel Reise. Touristen kommen nur wegen der berühmten Gärten der Bahai nach Haifa. Dabei gibt es tolle Sachen zu entdecken: Eine malerische Altstadt. Abwechslungsreiche Bauhaus-Architektur. Das azurblaue Mittelmeer. Orientalische Schlemmereien wie Baklava und Hummus.
Inhalt

Ein Wochenende in Haifa

“In Tel Aviv wird gefeiert, in Jerusalem wird gebetet und in Haifa wird gearbeitet.“ Diese israelische Spruchweisheit beschreibt unseren Eindruck von Haifa sehr genau. Nach deutschen Maßstäben: Tel Aviv ist wie Berlin und Haifa ist wie Hamburg. Die Partymetropole Berlin ist aufgeregt und hektisch. Hamburg ist ganz einfach entspannt und vielleicht ein bisschen zu ruhig.

Blick auf die Bucht von Haifa.
Blick auf die Bucht von Haifa

Haifa ist auch relaxed und riesig was los ist hier Fehlanzeige. Wie Hamburg ist Haifa eine Hafenstadt mit einem großen, sehr aufgeräumten Öl- und Containerhafen. Rotweiß gestreifte gigantische Kräne ragen in den Himmel. Ein Anblick, der den Eindruck von echter Arbeit und Betriebsamkeit verbreitet. Ein Anblick der auch schwer romantisch wirkt. Besonders aus der Ferne betrachtet und in Ferienstimmung.

Kräne im Hafen von Haifa
Der Hafen von Haifa

Wir fahren über das Wochenende nach Haifa. Mit dem Auto von Bethlehem dauert das knappe drei Stunden. “Gut, dass wir ein Auto haben“, denken wir an diesem Wochenende ziemlich häufig. Denn die besonders schöne Lage der Stadt direkt an der weit ausschwingenden Küste und den steilen Hängen des Karmel Gebirges macht die Fortbewegung manchmal etwas kompliziert. Immerhin streckt sich Haifa von 0 auf 400 Höhenmeter empor. Eine Stadtbesichtigung zu Fuß wird so schnell zu einer Herausforderung.

Ein steile Straße in Haifa.
Straßenschluchten in Haifa. Im Hintergrund das Meer.

Das Hadar Viertel. Wohnen bei den Hipstern

Straßen führen in großen Kurven durch die Stadt auf den Berg Karmel, den Weingarten Gottes, hinauf. Diese Straßenführung macht die Fahrten länger als gedacht, aber auch sehr abwechslungsreich und unterhaltsam. Immer wieder eröffnen sich überraschende Perspektiven und Ausblicke auf die Stadtlandschaft und die Bucht von Haifa. Damit Fußgänger nicht diese Riesenbögen schlagen müssen, sind die unterschiedlichen Höhenniveaus mit bequemen Treppen und geheimnisvollen Schleichwegen verbunden.

Eine bunt bemalte Treppe.
Praktisch! Treppen verbinden die Straßen am Berg Karmel.

Wir haben ein kleines Apartment in der Hillel Street gemietet. Unser Host ist ganz reizend. Er zeigt uns schnell das Apartment, gibt Tipps, was wir uns anschauen sollen, nennt ein paar Restaurants, in denen wir lecker essen können. Und dann macht er sich mit dem Surfbrett eilig auf an den Strand. Auch wir gehen sofort auf Entdeckungstour. Die Lage im Hadar Viertel ist ein richtiger Glückstreffer. Wir wohnen super zentral, mitten unter mediterranen Hipstern. Hadar HaCarmel fühlt sich an wie das Schanzenviertel in Hamburg oder Kreuzkölln in Berlin. Global Village auch in Haifa.

Bauhaus Architektur Hadar Viertel von Haifa
Hillel Street im Hadar Viertel von Haifa

Darum finden wir auch ganz einfach unser zukünftiges Stammcafé. Das Rai hat eine einladende Terrasse und einen leckeren Kaffee. Drin hängen die coolen Jungs ab. Klar, Haifa ist schon lange keine reine Arbeiterstadt mehr, sondern ein erfindungsreicher Hochtechnologie-Standort für Computer-Tüftler. Nach kurzem Verschnaufen schlendern wir weiter durch die Mahada Street. Enorm hohe Dichte von alternativen Cafés, Bars und Restaurants.

Bauhaus-Architektur in Haifa

Haifa ist eine dicht bebaute, moderne Stadt; viel Bauhaus. Nach der Staatsgründung Israels steigt die Einwohnerzahl rasant. Haifa dehnt sich aus. Zwei- bis vierstöckige Häuser wachsen den Berg Karmel empor. Diese kubischen Gebäude sind auf einfachen geometrischen Grundformen errichtet: Quadrat, Dreieck und Kreis. Schlichter Putz und einfache Fensterrahmung.

Ein Eckhaus im Bauhausstil.
Kubus und Kreis in der Architektur von Haifa

Manche Häuser stehen auf Stelzen. Das offene Erdgeschoss bildet einen gemeinsamen Raum für die Hausgemeinschaft. “Das war der Optimismus der ersten Jahre nach der Staatsgründung“, denke ich. Damals stand die Gemeinschaft, der Zusammenhalt im Zentrum der Überlegung zur Stadtplanung. Zwischen den Häusern wachsen lange, dünne Palmen und üppiges tropisches Grün. Denn an den Hängen des Karmel-Gebirges regnet es häufig und viel. Der strenge Kubus und die üppige Vegetation – für mich ist das ein ziemlich reizvoller Kontrast.

Gemeinschaftsgarten in Haifa, Israel.
Eingang. Garten. Gemeinschaft.

Haifa ist anders.

In Haifa fahren die öffentlichen Verkehrsmittel auch am Sabbat. Im restlichen Israel stehen sie still. Haifa ist kein biblischer Ort. Moses, Jesus oder Mohammed sind nie vorbei gekommen. Die Religionsgründer haben die Stadt schlichtweg ignoriert. Glück gehabt! Denn die Abwesenheit von historischen religiösen Stätten wird von vielen als Grund für das friedliche Zusammenleben der Religionen und Ethnien in Haifa betrachtet. Immerhin gibt es hier keine nach Herkunft getrennten Stadtviertel.

Blick auf Häuser im Bauhausstil.
Bauhaus und Bougainvillea

Ob das mit dem friedlichen Zusammenleben so stimmt, kann ich nur schwer beurteilen. Die Kombination von israelischer Flagge mit der amerikanischen Südstaatenflagge in einigen Fenstern deutet mir das Gegenteil an. Und als ich mit meinem palästinensischen Freund Amir über die Geschichte Haifas spreche, kann er sich über die Flucht und Vertreibung vieler Palästinenser aus Haifa vor über 60 Jahren so ereifern, als habe er das Unrecht selbst erlitten. Dabei ist er gerade mal Ende 20.

Ein Eckhaus im Bauhausstil in Haifa.
Ein Haus fast wie ein Schiff

Der Garten der Bahai

Die größte Attraktion in Haifa ist der Garten der Bahai. Unesco Weltkulturerbe seit 2008. Über 500.000 Besucher im Jahr. Das ist Rekord im Nahen Osten. Freiwillige Helfer aus aller Welt organisieren den Besucherstrom. Am Eingang untersucht eine junge Frau aus Berlin meine Tasche auf unerlaubte Lebensmittel und Waffen. Ein junger Finne weist mir den Weg zum Schrein des Bab. Dort ist Mirza Husain-ʿAli Nuri, der Stifter der Religion der Bahai, beigesetzt.

Der Schrein des Bab in den Bahai Gärten.
Der Schrein des Bab

Die goldene Kuppel des Schreins ist das Wahrzeichen von Haifa und das architektonische und wohl auch spirituelle Zentrum eines riesigen Terrassengartens. Auf einer Achse von über einem Kilometer Länge stürzen 19 Terrassen die steilen Hänge des Berg Karmel hinab. Dieser üppige Garten, der in seiner Pracht locker mit den großartigsten Barockgärten der Welt konkurrieren kann, ist erst im Jahr 2001 eröffnet worden.

Bahai Garten in Haifa.
Bahai Garten in Haifa

Die Anlage des Gartens scheint direkt dem Geist des 19. Jahrhunderts entsprungen. Die Zutaten sind: etwas römischer Kaiserpalast, etwas arabisches Ornament, ein wenig barocke Königsschlösser, ein bisschen griechische Antike, abgerundet mit orientalischem Tortenguss, veredelt mit kostbarsten Materialien wie Marmor aus Carrara und goldglänzendem Metall. Stilmischmasch im Paradiesgärtchen! “Tausendundeine Nacht“ meets “Grimms Märchen“ oder so.

Der Bahai-Garten ist Park gewordene Weltflucht. Die Wege sind ordentlich geharkt. Bäume und Büsche sind sorgfältig beschnitten. Pflanzen, Möbel und Nippes sind geschmackvoll arrangiert. Alles perfekt hergerichtet. Mich beschleicht die Idee, dass dieser Garten einen universellen Anspruch hat, dass er eine Art harmonischer Weltgarten sein soll. Ein grüner Gegenentwurf zu einer chaotischen, unübersichtlichen äußeren Welt. Oder ganz einfach ein Gegenentwurf zu einer Stadt, in der Beton, Bauhaus, Brutalismus und Investoren-Architektur das Stadtbild bestimmen.

Garten der Bahai mit Ausblick auf die Bucht von Haifa.
Garten der Bahai mit Ausblick auf die Bucht von Haifa

Die Altstadt rund um das Wadi Nisnas

Nach so viel Harmonie schauen wir uns die malerische Altstadt an. Hier ist es weniger aufgeräumt. Wir schlendern über den arabischen Markt im Wadi Nisnas mit seinem reichen Angebot an leckerem Obst und schmackhaftem frischem Gemüse. Er wird von christlichen Händlern betrieben, darum ist er am Sabbat geöffnet. Wir trinken frisch gepressten Granatapfelsaft und stehen plötzlich vor einer Bäckerei in der Sh’Hada Street 7.

Der Markt im Wadi Nisnas.
Der Markt im Wadi Nisnas

Ein Wunder! Schon auf der Straße duftet es nach gerösteten Mandeln und Nüssen. In der Bäckerei biegt sich der Tresen unter einer schier unüberschaubaren Menge von bunten Süßigkeiten. Hier machen wir eine bedeutende Entdeckung: die beste Baklava, die wir jemals gegessen haben.

Bäckerei in der Sh’Hada Street 7 in Haifa.
Bäckerei in der Sh’Hada Street 7 in Haifa. Hier wird die beste Baklava der Stadt hergestellt

Diese Baklava trieft vor süßem Sirup. Der blättrige Teig ist prall mit Wallnussstückchen gefüllt. Sie duftet ein wenig nach Karamell. Das knusprige Gebäck ist wahnsinnig butterig und süß. Aber nicht so sündig süß, dass wir nicht noch ein zweites Stück verdrücken könnten. Es sind bestimmt nur die besten und gesündesten Zutaten drin. Mehr, mehr, mehr. Allein diese Baklava ist Grund genug noch viele Male nach Haifa zu kommen.

Baklava auf einem rosa Teller.
Die leckerste Baklava

Der Strand von Haifa

So vollgestopft wollen auch wir an den Strand. Ausruhen! Am Meer erwartet uns eine neue Überraschung. Haifa ist tatsächlich anders. An der Strandpromenade stehen keine schicken Villen oder Luxushotels mit Privatstrand und Yachtanleger. Hier wohnen ganz normale Menschen mit der tollsten Aussicht auf das blaue Mittelmeer.

Strandarchitektur der 60er Jahre in Haifa, Israel.
Die Strandpromenade von Haifa

Die einfachen Häuser an diesem schönen Meer wirken leider ein bisschen traurig. So richtig vertragen sich Architektur und Natur an dieser Küste nicht. Überhaupt setzt die Natur – das feuchte Klima, die salzige Luft, der viele Regen, die üppige Vegetation – den Gebäuden in Haifa ziemlich zu. Am Strand eine entspannte Samstagnachmittag-Atmosphäre. Familien mit Kindern sind unterwegs. Paare laufen händchenhaltend. Wir setzten uns in Public Gym und trainieren uns die Baklava wieder runter.

Maschinen eines Gyms am Strand.
Public Gym am Strand

Trödelmarkt auf der Libuts Galuyot Street

Haifa ist eine Stadt im Wandel. Besonders spürbar wird das auf dem Flohmarkt rund um die Kibuts Galuyot Street. In diesem Viertel treffen Hafen, mehrspurige Schnellstraßen und Bahngleise auf eine ruinierte arabische Altstadt. Auf mich wirkt dieser Stadtteil wie Niemandsland. Viele Häuser stehen seit der Flucht ihrer palästinensischen Besitzer 1948 leer.

Die arabische Altstadt von Haifa in Israel.
Leerstehende Häuser in der arabischen Altstadt hinter dem Hafen.

Jetzt werden die Ruinen vom Israelischen Staat renoviert. Danach sollen Ateliers und Künstler einziehen. Ich frage Amir, ob er sich vorstellen könnte, in Zukunft eines dieser Ateliers als Arbeitsraum zu nutzen? Er reagiert ziemlich gereizt. Es könne doch nicht sein, dass er in palästinensischen Häusern arbeite, die sich der Israelische Staat illegal angeeignet habe. Dafür solle er noch Miete zahlen? Unmöglich! Ok, denke ich, hier scheint der Weg aus dem israelisch-palästinensischen Konflikt noch ziemlich lang zu sein.

Ein modernes Hochhaus im Vordergrund die Altstadt.
Die Kibuts Galuyot Street. Das alte und das neue Haifa

Der Flohmarkt auf der Kibuts Galuyot Street ist ein echter Trödelmarkt. Perfekt für Schnäppchenjäger mit sicherem Gespür für Qualität, viel Geduld und starken Nerven. Schummrige Ladenlokale verlocken zum Eintreten. Auf der Straße wollen unübersichtliche Produkt-Universen zwischen Mode und Design einer gründlichen Überprüfung unterzogen werden. Der Flohmarkt ist ein Ort voller Nostalgie und Traurigkeit. Die verfallenden Häuser und der abgenutzte Trödel verdichten sich für uns zur Ausstattung einer Erzählung von vergangenen, längst abgelegten Zeiten und fremden, unbekannten Lebensgeschichten.

Flohmarkt in Haifa.
Flohmarkt in der Kibuts Galuyot Street

Wir beenden unseren Rundgang durch Haifa im Abu Maron. Wir haben gehört, es soll der beste Hummus-Laden von Haifa sein. Holztische und Plastikstühle. Wir haben uns eben gesetzt und schon stehen Brot und Zwiebeln auf dem Tisch. Das Abu Maron ist gastfreundlich und ziemlich rustikal. Wir sitzen unter einem Vordach. Der Abend dämmert. Es wird ein bisschen kühl. Das Hummus wird gebracht mit Salat und frittierten Kartoffeln. Es schmeckt super und kommt jetzt richtig gut. Am Abend wollen wir zur German Colony gehen. Da gibt es noch mal einen schönen Blick auf den Garten der Bahai.

Blick auf die Ben Gurion Avenue in Haifa.
Bahai Garten, Ben Gurion Avenue und German Colony

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