Alberobello – Eine Stadt hinter den 7 Bergen
Vielleicht hast Du schon einmal von Alberobello gehört. In dem kleinen Städtchen, mitten im zauberhaften Apulien, wachsen nämlich die legendären Trulli Häuser aus dem Boden. Die Trulli sind märchenhafte Rundhäuser, die so aussehen, als wohnten hier Schneewittchen und die 7 Zwergen oder Schlumpfine und Papa Schlumpf. Darum erscheint eine Reise nach Alberbello wie ein fabelhafter Ausflug hinter die 7 Berge oder nach Schlumpfhausen im verwunschenen Land. Alberobello heißt übrigens der schöne Baum. Das ist ein merkwürdiger Name, denn echte Bäume gibt es weit und breit kaum zu sehen.
Auf dem Weg nach Alberobello fahre ich über enge und kurvige Straßen und diese malerischen, weißgekalkten apulischen Landstädte. Links und rechts der Straße schrauben sich uralte Olivenbäume in der Himmel. Die Landschaft ist von weißen Mäuerchen geordnet, die aus Kalksteinen als Trockenmauerwerk errichtet worden sind. Ein bisschen sieht die Landschaft aus wie ein ordentlich gepflegter Garten. Da hier alles wächst, was es zum guten Leben in Italien braucht: Mandeln, Kirschen, Oliven, Getreide und natürlich Wein, liegt auch die Metapher vom Paradies auf Erden nicht fern. Ein bisschen zu dick aufgetragen vielleicht, denn dass die Zustände in Apulien mal paradiesisch waren, davon lassen sich für die jüngere Zeit keine Spuren finden.
Wie wird ein Trulli in Apulien gebaut?
Am Straßenrand bücken sich schon die ersten Trulli Rundhäuser in die Wiesen und Felder hinein. Auf den Feldern stehen meistens einzelne Trulli. Vielleicht werden die als Stall, Lager oder einfachen als Schutzhütte gebraucht. Am Straßenrand haben sich mehrere Trulli zu ganzen Häusern zusammen gekuschelt. Wegen der unregelmäßigen Höhe ihre Zipfelmützen Dächer erinnern sie an Gebirgslandschaften in Miniatur. Das sieht zauberhaft aus und sofort schießt mir die Frage durch den Kopf: wie wird ein Trulli Haus in Apulien eigentlich gebaut?
Hier kommt die Antwort: Bei einem Trullo wird auf einen geduckten, weiß gekalkten Sockeln ein Kegel aus grau verwitterten Steinen als Dach gesetzt. Fertig ist das Minihaus. Diese klare Geometrie eines Trullo – das ist der Singular von Trulli – aus Rechteck und Dreieck steht in einem malerischen Kontrast zum unregelmäßigen, fast naturhaften Baumaterial dieser winzigen Häuser.
So ein Trullo ist immer nach dem gleichen Prinzip gebaut. Auf einen quadratischen Grundriss wird ohne Mörtel eine ungefähr 1,5 Meter dicke Trockenmauer aus Kalksteinen aufgeschichtet. Hat die Mauer die Höhe von ungefähr 1,5 Metern erreicht, wird aus dem Quadrat ein Achteck, auf welchem eine Kuppel – wieder ohne Mörtel – aufgemauert wird. Diese Kuppel wird durch einen Haufen Geröll stabilisiert. In dieses Geröll werden Kalksteinplatten, die wie Dachziegel oder bessern Schindeln zugerichtet sind, geschoben. So entsteht der Kegel des Daches. Hört sich einfach an. Aber bekanntlich ist in Italien ja nur wenig wirklich einfach.
Die Legende von der Erfindung des Trullo in Alberobello
Die Dicke der Mauern garantiert die Stabilität der archaischen Rundhäuser. Sie sorgt aber auch für Kühle im Sommer und für Wärme im Winter. Das aufwändig geschichtete Steindach, dessen Steinschindeln nach unten geneigt verlegt werden, leitet Regenwasser so ab, dass der Innenraum des Trullo trocken bleibt. In Apulien haben die Erfinder dieser runden Häuser wirklich an alles gedacht. Tatsächlich besteht ein Trullo immer nur aus einem überkuppelten Innenraum mit Kegeldach. Soll ein Haus mehrere Zimmer haben, braucht es für jedes Zimmer einen eigenen Trullo. Das scheint mir eine ziemlich aufwändige Art, Häuser zu bauen. Vielleicht kommen die Trulli in Italien deswegen so begrenzt nur in Apulien und besonders häufig rund um Alberobello vor. Aber obwohl die Bauweise der Trulli schon viele 1000 Jahre alt ist, ist der älteste Trullo in der Stadt gerade mal 300 Jahre alt.
Darum gibt es eine fantastische Geschichte, die die vielen Schlumpfhäuser in Apulien erklären möchte. Berichtet wird von einem Grafen Giangirolamo. Er habe die Einwohner des Städtchens dazu gezwungen, ihre Behausungen so zu errichten, dass sie innerhalb kürzester Zeit in Schutthaufen verwandelt werden konnten. Auslöser für dieses ungewöhnliche Verlangen soll ein Modell zu Vermeidung von Steuern gewesen sein, mit dem Giangirolamo die Grundsteuer des Königs aus Neapel habe sparen wollen.
Hört sich spektakulär an, ist aber leider falsch. Als Grund für die mörtellose Architektur aus Stein ist der Mangel an Bauholz anzunehmen. Bäume, die sich zu Baumaterial verarbeiten lassen sind auf dem Höhenzug der Murge Mangelware. Aber Steine, die gibt es hier in Hülle und Fülle.
Alberobello und die Trulli – UNESCO Weltkulturerbe
Tatsächlich ist es so, je näher ich Alberobello komme, desto mehr Schlumpfhäuser sehe ich. Diese kleine Stadt in Süditalien hat den Spitznamen Capitale dei Trulli, Hauptstadt der Trulli, mehr als verdient. Wegen der ungewöhnlichen, archaischen Architektur hat die UNESCO Alberobello als Weltkulturerbe der Menschheit anerkannt. Auf der UNESCO Weltkulturerbe Site wird die universelle Bedeutung der Stadt so beschrieben:
“die Trulli, typische Kalksteinwohnungen von Alberobello in der süditalienischen Region Apulien, sind bemerkenswerte Beispiele für den Kragstein-Trockenbau, eine prähistorische Bautechnik, die in dieser Region noch immer verwendet wird. … Die Trulli von Alberobello repräsentieren eine mehrere tausend Jahre alte Tradition des Trockensteinbaus, die im gesamten Mittelmeerraum zu finden ist.“
Welterbe Website
In Alberobello sind noch über 1600 Exemplare der bemerkenswerten Trulli-Häuser zu finden. Die Häuschen mit den Zipfelmützen verteilen sich auf zwei Viertel in der Altstadt von Alberobello, die Rione Monti und die Rione Aia Piccola. Aber wohnen in diesen Vierteln noch Menschen? Natürlich nicht. Die meisten Trulli sind verlassen. Ein modernes Leben mit Tiefkühltruhe, Waschmaschine und Internet ist in so einer Steinkiste auch nur schwer vorstellbar. Viele Trulli sind inzwischen zu nostalgischen Ferienunterkünften mit angeberischen Namen wie Miratrulli Suites oder Tipico Resort umgewandelt worden. Die wenigsten sind noch bewohnt. Darum wirkt das historische Zentrum von Alberobello ein bisschen wie das von Matera. Dann auch dort ist das meiste auf die Reisenden aus aller Welt zugerichtet
Die Trulli Häuser in der Rione Aia Piccola
Bei einem Spaziergang durch das eigentlich menschenleere, aber von Touristen gestürmte, Stadtviertel Rione Aia Piccola komme ich an einigen dieser Trulli Resorts vorbei. Sauber und weißgetüncht sehen sie aus. Dann läd mich eine ältere Dame, mit Wischmopp in der Hand, dazu ein, das Rundhäuschen zu betreten, in dem sie groß geworden ist. Sie zeigt auf eine rohe Balkendecke und schreit mir: “7 Geschwister, da oben alle geschlafen!“ ins Ohr. “Da alle gegessen.“ Sie weist mich auf einen Tisch im Zimmer hin, auf dem kein Mittagessen aber eine Tonschale voller Euromünzen, steht. Ah, denke ich, interessantes Geschäftsmodell, das alte, verwaiste Trulli Haus für Besucher zu öffnen. Tatsächlich ernähren die Spenden der Touristen eine ganze Familie. Ich muss schon sagen, eine tolle Inszenierung.
Im Gespräch mit der Hausbesitzerin erfahre ich, dass sie mit Ihrer Familie heute viel besser im Neubau als im Trulli wohnt. Morgens um 9:00 Uhr, kurz bevor die ersten Touristen kommen, schließt sie ihr ehemaliges Wohnhaus auf, gegen 17:00 Uhr schließt sie es wieder ab. In der Zwischenzeit ermöglicht sie den Besuchern von Alberobello einen “authentischen Blick“ in die gute alte Zeit.
Aber wie authentisch ist es eigentlich, durch eine von ihren Bewohner verlassene Stadt zu wandeln. Kann ein Gebäude-Ensemble überhaupt “authentisch“ sein? Klar wird mir bei diesem Spaziergang, dass die unpraktischen Trulli aus der Zeit gefallen sind. Alberobello ist zu einem Museumsdorf verstaubt und verkitscht. Die schrecklichen Trulli-Souvenirs und der noch schrecklichere Mandelwein, die an jeder Hausecke angeboten werden, geben da die Richtung vor.
Lohnt sich Alberobello?
Lohnt es sich eigentlich, einen Ort zu besuchen, der von seinen Bewohner, die lieber in Neubauten leben wollen, nach und nach aufgegeben wird. Die UNESCO hat da eine klare Meinung:
“Trotz der Bedrohung der Stadt durch die städtische Entwicklung und die zunehmende touristische Aktivität behält (Alberobello) ein hohes Maß an Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit in Bezug auf den Ausdruck des außergewöhnlichen universellen Wertes.“
Welterbe Website
Das heißt doch, nichts wie hin, oder?
Grundsätzlich finde ich – Welterbe hin oder her –, jeder Ort der Welt, den ich noch nicht kenne, ist eine Reise wert. Denn ich weiß noch nicht, was mich erwartet. Bei Alberobello bin ich mir allerdings nicht so sicher. Die Fahrt durch das Valle d’Itria ist bemerkenswert schön und die Trulli-Häuser passen in diese Landschaft, wie die Faust aufs Auge, aber in Alberobello stehe ich dann ein bisschen ratlos rum. So ein Trulli sieht schon gut aus und auf Fotos machen Trulli eine bella figura. Aber sonst?
Ich schaue mir das Museum an, das immerhin mit einem Porträt Pier Paolo Passolinis für sich wirbt. Dort erfahre ich aus einem Video, wie Trockenmauern bauen, korrekt geht, das ist interessant. Auch der Trullo Sovrano soll einen Abstecher wert sein. Er hat tatsächlich einen zweiten Stock und wird in Alberobello vermarktet, als wäre er das höchste Gebäude der Welt. Das ist immerhin lustig.
Und jetzt? Bleibt eigentlich nur noch essen. Essen geht in Italien immer, auch in Süditaliens Schlumpfhausen. In Alberobello , wie könnte es anders sein, gibt es Essen nur im Trullo, und zwar in einem goldenem, dem Trullo D‘Oro. Kann ich empfehlen, das Essen war sehr ordentlich.
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