Raus aus den Schuhen – Barfuß in Beelitz
Ich gestehe: Ich liebe Barfußlaufen. Fest und leicht zugleich mit den Füßen auf dem Boden stehen. Ohne dass Plastik oder andere, nicht leitfähige Materialien zwischen mir und dem Grund stehen. Meine ersten Lauflern-Schritte machte ich einst im Wattenmeer vor Dithmarschen. Das fällt mir neulich wieder ein, als ich im Barfußpark Beelitz mit hochgekrempelten Hosenbeinen durch Torf, Lehm und anderes nasses Gemisch spaziere. Das schmatzende Geräusch des weichen Bodens erinnert mich an den Schlick meiner alten Heimat. Die würzige Luft im Beelitzer Mischwald auf dem Gelände der ehemaligen Heilstätten macht den Kopf auf, die Bäume spenden Schatten, ich fühle mich geborgen. Und frei.
Welch ein Geschenk, dass es im Umland von Berlin, in Beelitz-Heilstätten, seit 2017 einen Ort gibt, an dem ich dieser Leidenschaft ungebremst frönen kann. Insgesamt 3,7 Kilometer Barfußrouten mit 67 verschiedenen Naturerlebnis-Stationen sind es mittlerweile (Stand 2021). Der Barfußpark, der sich insgesamt auf 15 Hektar Fläche auf dem Gelände eines Gartendenkmals ausbreitet, ist damit der größte im Land Brandenburg. Sogar Kindergeburtstag feiern kann man hier, oder mit der Firma und den Kollegen einen abwechslungsreichen Tag lang dem Büroalltag entwischen. Mehr Informationen zu Eintrittspreisen und Veranstaltungen im Naturerlebnispark finden sich am Ende dieses Beitrags.
Das heute denkmalgeschützte Krankenhaus-Ensemble der Beelitzer Heilstätten wurde Ende des 19. Jahrhunderts als Arbeiter-Lungenheilanstalt konzipiert, um die Krankheit der damaligen Zeit zu heilen: die Tuberkulose. Heute kann man hier auch mit schmalem Portemonnaie, tagsüber oder nach Feierabend Ausflugsgelüste stillen und dabei der Krankheit der heutigen Zeit entgegen wirken: dem Stress.
In unseren modernen Städten herrscht die Meinung vor, öffentliches Barfußlaufen sei nur etwas für Exoten. Was sicher richtig ist: Wo Kaugummis, Hundekot und zerbrochene Bierflaschen die Wege säumen und motorisierte Gefährte dominieren, lässt sich nicht entspannt ausschreiten. Von entschleunigtem und bewusstem Gehen mal ganz angesehen. Meist hasten wir durch (bar)fußfeindliches Gebiet. Je stabiler die Schuhsohlen, umso besser. Wenn wir überhaupt per Pedes unterwegs sind. Auch barfuß aufs Fahrrad steigert die Verletzungsgefahr mehr als den Spaß. Und ist, ich habs mal ausprobiert, im Stadtverkehr wahrlich nicht zu empfehlen. Mit nackten Füßen auf Gaspedal und Kupplung rumzudrücken, ist laut Verkehrsrecht zwar nicht verboten, wird aber auch nicht empfohlen.
Unterwegs im Barfußpark Beelitz Heilstätten
Zurück nach Beelitz, genauer, auf das Gelände der Heilstätten. Wie der Name Barfußpark Beelitz vermuten lässt, spielen die Füße hier die Hauptrolle. Am Eingang des 15 Hektar großen Areals, das von insgesamt 4 Barfußpfaden durchzogen ist, geben Besucher erst ihre Schuhe ab, und schon bald auch ihren Alltagsmodus. Die unrterschiedlichen Erlebnisstationen schärfen die Sinne, verbessern das Wohlbefinden und bügeln die alltagsgeplagte Stirn. Beiläufig sind auch immer wieder Stationen eingebaut, in denen ich mehr erfahre über die heimische Flora und Fauna von Ameise bis Zunderschwamm.
Nach dem Eingangsbereich sieht man gleich links Schließfächer. Hier kann man seine Schuhe verstauen, gleich neben der Fuß-Waschstraße, wo man nach dem Besuch auf halb durchgesägten Baumstämmen Platz nimmt und sich am Ende des Barfuß-Tages mit roten Bürsten die gut durchbluteten Füße wieder blitzeblank schrubbt. Hinter diesem Bereich öffnet sich das Café, in dem es leckere Kleinigkeiten aus er Region und tollen (Eis)Kaffee gibt. Gleich links davon befindet sich der Startpunkt der roten Route. Diese bildet den Einstieg ins Naturerleben, hier befinden sich die meisten verschiedenen Untergründe zum Erspüren und die Füße kommen so richtig in Stimmung.
Wer alle Routen erkunden möchte, bringt am besten 3-4 Stunden mit, also knapp eine Stunde pro Route. Auf der blauen Route werden mit Balancierscheiben, Waldwippe, Balancierklötzen und Balancetreppe u.a. unsere Geschicklichkeit und unser Gleichgewichtssinn angesprochen, auf der gelben Route wird es mit Xylophon und Sandpendel sinnlich und musikalisch, Nassstationen laden zum Rumdreckeln ein. Die hellblaue Route, die seit 2020 neu ist, steht ganz unter dem Motto Achtsamkeit und Entschleunigen.
Alle Wege sind mit gelagertem Rindenmulch ausgelegt, das federt herrlich beim Gehen. Am Schnittpunkt der Barfußrouten befindet sich das Drachenzelt, das als Gruppensammelpunkt fungiert und so bei Events Stockbrot und andere Leckereien gegrillt werden.
Sich Erden im Laufen
Unser Leben war nicht immer so barfußfeindlich. Früher war Barfußlaufen ganz normal. Oder wir schützten unsere Füße mithilfe von Ledersohlen (die Vorläufer der Sandale) vor pieksigen Untergründen. Zwar schützten die Ledersohlen nicht vor nassen Füßen, aber sie hatten gesundheitlich betrachtet einen anderen Vorteil. Im Gegensatz zu Plastik und anderen wasserdichten Materialien ist das Naturmaterial leitfähig.
Auf dem Damen-WC des Barfußparks Beelitz stieß ich auf einen interessante Information, die die Frau des Inhabers Thomas Müller-Braun, Claudia Stolzenwald, dort platziert hat: Es gilt als wissenschaftlich gesichert, dass Earthing oder Grounding, wie das Phänomen des Barfußlaufens in der Natur auch genannt wird, diesen Alterungsprozessen entgegen wirkt. Warum ich im Zusammenhang damit auf die Leitfähigkeit zu sprechen komme?
Unsere Lebenserwartung ist im Laufe des letzten Jahrhunderts immer weiter gestiegen, gleichzeitig nehmen Zivilisationskrankheiten und vorzeitige Zell-Alterungsprozesse immer weiter zu. Viele davon hängen mit dem vermehrten Vorhandensein von „Freien Radikalen“ zusammen, für die wir in unserer modernen Gesellschaft kein Ventil haben. Zellen, die, salopp gesagt, aufgrund ungeregelter Stoffwechselprozesse, welche durch Stress, schlechte Luft und unausgewogene Ernährung begünstigt werden, durchdrehen. Um nicht zu sagen „frei drehen“. Die Erde ist voller freier negativ geladener Elektronen. Das ist vergleichbar mit dem Minus-Pol einer Batterie.
Hat man nun einen direkten und vor allem elektrisch leitfähigen Kontakt zur Erde, kann der Körper die so heilsamen freien Elektronen der Erde aufnehmen. Das bedeutet schlicht, dass die Erde für uns die Lösung gegen freie Radikale bereithält. Sie versorgt unsere Körper beim Barfußlaufen mit einer Vielzahl an ungebundenen Elektronen. Die freien Radikale können sich nun an diesen Elektronen bedienen ohne unsere Zellen zu beschädigen und werden dadurch neutralisiert, also unschädlich gemacht. Und wenn ich das regelmäßig mache, freut sich mein ganzer Organismus. Tata! Nicht mehr und nicht weniger ist Earthing. Dass durch die Stimulation der verschiedenen Untergründe generell die Durchblutung angeregt wird und wir in der Natur mehr Sauerstoff aufnehmen, kommt natürlich noch dazu.
Fußwellness im Barfußpark Beelitz – Kneippsche Lehre
Immer wieder werde ich gefragt, wieso einem schon nach einer halben Stunde auf den Barfußpfaden ein großes Grinsen ins Gesicht geschrieben ist. Klar, draußen spielen macht einfach Spaß und barfuß laufen tut einfach gut. Vielleicht ist es so einfach. Nur, warum waten wir zu Beginn des Pfades durch ein Becken mit kaltem Wasser? Und was hat es mit dem Armbecken auf sich, wo ich eingeladen werde, meinen Unterarm in ein Steinbecken voll kaltem Wasser zu tauchen? Gleich am Anfang des ersten Parcours begegnet mir der Name Kneipp.
Zu diesem Herren finde ich im Internet eine ganze Menge. Sebastian hieß er, wurde 1821 in Stephansried, Ottobeuren geboren und wurde bekannt durch sein Motto: Natur ist die beste Apotheke. Aus der Lehre, die auf den fünf Elementen Wasser – Pflanzen – Bewegung – Innere Balance – Ernährung aufbaut, ist ein ganzes System entstanden. Im Barfußpark finden wir diese Element nicht nur durch (kaltes) Wasser integriert, das den Stoffwechsel und Kreislauf anregen, Herzmuskel stärkt. Wir bewegen uns in der Natur, wir sind mit Bäumen in Kontakt, im Kräutergarten auch mit anderen Heil- und Nutzpflanzen. Mit Riechen, tasten, hören, schauen, werden alle Sinne stimuliert.
Jetzt, in der Urlaubszeit höre ich auf dem Geländer der Heilstätten sämtliche Mundartfärbungen der deutschen Sprache. Fange englische, polnische und tschechische Sprachfetzen auf und fühle mich in den positiven Auswirkungen des Barfuß-Effekts wortlos verbunden. Ich komme her, so oft ich kann. Denn während meiner Runden im Park begegne ich so vielen fröhlichen und entspannten Menschen, wie sonst in keiner anderen Umgebung. Und erlebe den Barfuß-Effekt als eine äußerst effektive und einfache Methode uns mit der Natur zu verbinden.
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Service und Infos zum Barfußpark in den ehemaligen Heilstätten Beelitz
Disclaimer: Dieser Beitrag wurde gefördert vom Barfußpark Beelitz Heilstätten. Straße nach Fichtenwalde 13, 14547 Beelitz Geöffnet von Mai bis Anfang Oktober. Öffnungszeiten: Montag – Freitag 10-18 Uhr, Samstag und Sonntag 10-19 Uhr.
Aktuelle Infos zu Anreise, Öffnungszeiten und Tickets findet ihr stets auch auf der Website und auf der Facebook-Seite.
Alle Infos zu Veranstaltungen und buchbaren Veranstaltungen für kleine und große Barfußfreunde verlinke ich hier gern für euch. Für Kindergeburtstage, Wandertage usw. einfach stöbern unter Barfußerlebnissen für Kindergruppen, für besondere Firmen-Events und Incentives wie Teambuilding, Betriebsausflüge, Gesundheitstage oder ähnliches schaut auf der Seite Barfußerlebnisse für Unternehmen, Vereine und Organisationen.
Fotos im Beitrag: Kirsten Kohlhaw; Judith André, Designerei.BERLIN (_ja)
Titelfoto: (c) Karsten Eichhorn, Fotograf dasauge, für den Barfußpark Beelitz.
Fun fact: Karsten Eichhorn hat unter anderem auch für den Barfußpark Egestorf fotografiert, dessen Inhaber Jan Peters gemeinsam mit Thomas Müller-Braun in den neuen Beelitzer Barfußpark investiert hat. Wer noch weiter stöbern möchte, mehr Berichte über den Beelitzer Park findet ihr hier.