Die Geschichte des Palazzo Davanzati
Der Palazzo Davanzati ist eines der erstaunlichsten Museen in Florenz. Denn im Museo della Casa Fiorentina Antica kann die Besucherin nachvollziehen und erleben, wie wohlhabende Kaufmanns- und Bankiersfamilien im Florenz des 14. und 15. Jahrhunderts gelebt und gewohnt haben. Außerdem ist der Palazzo Davanzati an sich eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges. Das Gebäude ist eines der wenigen mittelalterlichen Wohnhäuser, die während der rigorosen Erneuerung der Stadt Florenz Ende des 19. Jahrhunderts der Abrissbirne entkommen sind. Und das nur, weil sich die damals neu gegründete Associazione per la Difesa di Firenze Antica vehement für den Erhalt des außergewöhnlichen Denkmals einsetze.
Ein genaues Datum für den Bau des Palazzo Davanzati ist nicht überliefert. Wahrscheinlich wurde der Palast in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts fertiggestellt. Auftraggeber war die Familie Davizzi. Erst im Jahr 1578 ging der Palast an die Familie Davanzati, in deren Besitz er bis ins 19. Jahrhundert blieb. Der wohlhabende Antikenhändler Elia Volpi erwarb das Gebäude Anfang des 20. Jahrhunderts. Er ließ den Palazzo Davanzati aufwändig restaurieren und entdecke dabei, dass die Wände vieler Räume mit bunten Fresken ausgemalt waren. Neben den Wandmalereien in der Sala dei Pappagalli oder der Stanza dei Pavoni, ist die Ausmalung der Stanza della Castellana besonders sehenswert. Seit 1951 ist der Palast im Besitz des italienischen Staats, der 1956 dort das Museo della Casa Fiorentina Anitca eröffnete.
So wohnten wohlhabende Florentiner im Mittelalter
Der Palazzo Davanzati steht an der gleichnamigen Piazza im historischen Zentrum der Stadt Florenz in der Nähe der Piazza della Signoria. Der kleine Platz dient heute vor allem als Parkplatz und ist deswegen nicht besonders attraktiv. Aber auf der linken Seite lassen sich noch die Stümpfe von abgetragenen Wohntürmen erkennen, die Florenz im Mittelalter ebenso geprägt haben wie das für seine Geschlechtertürme berühmte Städtchen San Gimignano. Mit ein wenig Fantasie lässt sich das mittelalterliche Platzgefüge wenigstens erahnen.
Wahrscheinlich ist auch der Palazzo Davanzati aus einem oder mehreren Geschlechtertürmen hervorgegangen. Darum ist der Palast ein seltenes Beispiel für ein Wohnhaus aus dem 14. Jahrhundert, das den Übergang vom mittelalterlichen Turmhaus zur Renaissance Architektur zeigt. Der viergeschossige Bau ist mit einer Fassade aus Sandstein verkleidet. Im unteren Bereich der Fassade sind die Steine zu groben Rustikaquadern zugeschlagen, nach oben hin wird die Bearbeitung feiner und nimmt die Größe der Quader ab.
Drei schwere Holztüren verschließen eine Loggia, welche die gesamte Breit des Untergeschoss einnimmt. Ursprünglich diente die Loggia als Geschäft, in dem die kostbaren Waren angeboten wurden, die die Familie Davizzi in Florenz verkaufte. Aber wahrscheinlich schon seit dem Ende des 15. Jahrhunderts blieben diese Türen zu. Als Ausgleich wurde die offene Loggia auf dem Dach des Palazzo Davanzati errichtet. Weichen mussten dafür die mittelalterlichen Zinnen, die dem Palazzo Davanzati den Charakter einer Festung verliehen. Die erste Maßnahme kam dem Sicherheitsbedürfnis der Hausbesitzer entgegen, die zweite dem neuen Wunsch nach Privatheit.
Eine Residenz reicher Bankiers in Florenz
Wie sehr der Palazzo Davanzati tatsächlich einer Festung ähnelt, lässt sich erahnen, sobald man den Palast betritt. Denn die Gewölbe der Eingangshalle sind mit Öffnungen versehen, durch welche der unerwünschte Eindringling mit Pfeilen beschossen oder mit brühend heißem Öl übergossen werden konnte. Auch der Innenhof, mit der stark gesicherten Treppe erinnert eher an Festungsarchitektur als an ein repräsentatives Atrium.
Erst im Piano Nobile, der Etage in der die Besitzer des Hauses wohnten, verändert sich der Charakter des Palazzo Davanzati. Auf jeder Etage findet sich ein großer Saal, der Salone madornale, Wohnräume, Schlaf- und Esszimmer. Im Grundriss ähneln sich die drei Obergeschosse so sehr, dass davon auszugehen ist, dass mehrere Zweige der Familie Davizzi und Davanzati in diesem Haus zusammen wohnten.
In der Stadtrepubblik Florenz war es durchaus üblich, dass wohlhabende Familien nicht nur in einem gemeinsamen Haus zusammenwohnten, sondern einen Platz, eine Straße oder gleich ein ganzes Stadtviertel dominierten. In unmittelbarer Nachbarschaft lebte außerdem die Klientel. Handwerker, einfache Bürger und arme Schlucker, deren Überleben und sozialer Status vom Wohlwollen der reichen Kaufleute abhängig waren. So versuchten, die reichen Familien ihren Wohlstand aber auch ihre politischen Interessen innerhalb der Stadt abzusichern.
Luxusgut Wasser
Ein ungewöhnlicher Luxus ist der Brunnenschacht, der das Gebäude von unten nach oben durchzieht. Der Palazzo Davanzati besaß sogar einen eigenen Brunnen, mit dessen Wasser jedes Geschoss versorgt werden konnte. Darum gibt es auch in jeder Etage des Palastes eine Toilette und einen Baderaum, die vornehm agiamenti genannt wurden. Zwar war eine Wasserspülung noch nicht bekannt, aber das Fallrohr, durch welches Badewasser und Kot aus dem Haus befördert wurden, war im 14. Jahrhundert eine Erfindung, die sich nur sehr wohlhabende Familien leisten konnten. Wenigsten für die Oberschicht ging es im Mittelalter nicht dunkel und dreckig zu.
Natürlich gab es im Palast auch eine Küche. Die war aber interessanterweise nicht im Untergeschoss oder Keller des Gebäudes eingerichtet. Die Küche liegt im Obergeschoss. Die einen erklären die ungewöhnliche Position damit, dass so die Küchengerüche nicht durch das ganze Haus gezogen seien. Für eine Zeit, in der die gesamte Stadt nach Hölle und Pestilenz stank, eine eher unwahrscheinliche Erklärung. Eher ist anzunehmen, dass die Küche im Obergeschoss dem Brandschutz diente. Denn so konnte verhindert werden, dass ein Feuer, das sich beim Kochen, Braten und Backen durch Funkenflug sicherlich leicht entzündete, das gesamte Gebäude von unten nach oben flammend vernichtete.
Außergewöhnliche Pracht
Auch die großen, repräsentativen Säle, die auf allen Etagen des Palazzo Davanzati dessen gesamte Breite einnehmen, sind außerordentlich beeindruckend. Die Fußböden sind mit seidig schimmerndem Cotto, also Terrakottafliesen, ausgelegt. Die Holzdecken sind mit geometrischen Ornamenten geschmückt. In diesem großzügigen Ambiente sind wuchtige Möbel aus dem 14. und 15. Jahrhundert ausgestellt. Das Mobiliar stammt zwar nicht aus dem Familienbesitz der Davizzi oder der Davanzati sondern ist aus verschiedenen Sammlungen, Archiven und Schenkungen hier zusammengetragen worden. Im Zusammenspiel mit Gemälden, Skulpturen und Textilien aus der selben Zeit entsteht dennoch ein überzeugendes Gesamtbild des Wohnens reicher Stadtbürger der damaligen Zeit.
Erstaunlich umfangreich und äußerst sehenswert ist im Museo della Casa Fiorentina Antica die Sammlung an Gefäßen aus Majolika. Kurios sind dabei die Handwärmer in Form eines Schuhs, von denen das Museum eine ziemlich große Anzahl besitzt. Auch die Sammlung von Spitzenstickerei, die das Museum verwahrt ist einzigartig. Sie vermittelt auf eindrückliche Weise, welch verrückter Aufwand betrieben wurde, um gehobenen Status, großen Reichtum und Zugehörigkeit zur herrschenden Klasse mit Kleidung und Mode auszudrücken.
Herzschmerz: Die Fresken im Palazzo Davanzati
Besondere Aufmerksamkeit verdienen im Palazzo Davanzati die mit Fresken ausgemalten Räume. Wahrscheinlich sind diese Ausmalungen um das Jahr 1395 entstanden. Bemerkenswert sind diese Bilder vor allem deswegen, weil sich nur wenige Raumausstattungen mit Darstellungen weltlicher Themen aus dieser Zeit erhalten haben.
Die Fresken folgen alle dem gleichen Schema. Sie sollten wertvolle Teppiche imitieren, wie sie in Kirchen oder in den Burgen und Residenzen des Adels an den Wänden hingen, um die Kälte und Feuchtigkeit draußen zu halten. Deswegen scheinen sie mit Ringen und Ösen an der Wand befestigt zu sein und werfen sogar – wie echte Teppiche – schwere Falten. Auch die aufwändigen Ornamente der Wandmalereien erinnern an komplizierte Knoten. Sehr auffällig ist, dass die reichen, bürgerlichen Familien in Florenz bei der Darstellung ihres sozialen Status, auf Mittel zurückgreifen, die schon von Rittern und Adeligen verwendet wurden. Deswegen tauchen in den Wandmalereien viele Wappen und heraldische Tiere auf.
Die Davizzi gehen bei der Imitation des adeligen Lebensstils so weit, dass sie die Stanza della Castellana, ein Schlafzimmer, in ihrem Palast mit Szenen eines im 14. Jahrhundert sehr beliebten Ritterromans ausmalen lassen. Erzählt wird die traurige und etwas verworrene Geschichte der Châtelaine de Vergy, einer adeligen Dame aus dem Burgund. Das tragische Liebesdrama entfaltet sich als Soap Opera mit den würzigen Zutaten Geheimnis, Verrat und nicht erwiderte Liebe.
Die traurige Geschichte der Châtelaine de Vergy
Der Plot des Romans ist schnell erzählt. Ein hergelaufener Ritter verguckt sich in Châtelaine de Vergy, die Nichte des Herzogs von Burgunds. Die schüchterne Châtelaine gewährt dem Ritter ihre Gunst unter der Bedingung, dass der Ritter die Beziehung geheim hält. Der niedliche Hund der Dame übermittelt dem Ritter die Termine zum diskreten Date.
Zwischen den Liebenden läuft alles solange gut, bis die Herzogin ein Auge auf den Ritter wirft. Der stolze Recke wehrt dieses aufdringliche Werben, mit dem Hinweis auf sein schon vergebenes Herz, ab. Die gedemütigte und erboste Herzogin, versucht den Namen der Konkurrentin zu erfahren. Und als Châtelaine erkennen muss, dass der Ritter schlussendlich seinen Schwur gebrochen und ihren Namen dem Herzog verraten hat, bringt sie sich um. Aus Herzschmerz möchte nun auch der Ritter nicht mehr leben und richtet sich selbst. Daraufhin wird die bösartige Herzogin vom Herzog enthauptet, der anschließend der Welt entsagt und ein Gelübde als Tempelritter ablegt.
Irgendwie merkwürdig, dass diese trostlose Liebesgeschichte an die Wände eines Schlafzimmers gepinselt wurde. Da könnten man sich schon heiterere Themen vorstellen. Doch verraten die Gemälde zuallererst ein außerordentlich großes Interesse der Auftraggeber an verworrenen Geschichten aus gehobenen Kreisen. Es ist anzunehmen, dass die Davizzi diese Begeisterung mit anderen Familien in Florenz teilten.
Zwar geht es in der Geschichte irgendwie um Liebe, Treue und Begehren. Die zentralen Wertvorstellungen, die hier verhandelt werden, betreffen aber die Diskretion, heute ließe sich sagen, den Datenschutz. Geheimnisse nicht auszuplaudern und gegebene Versprechen einzuhalten, spielt für funktionierende Familienbeziehungen eine große Rolle. Mindesten ebenso wichtig war Diskretion aber für die Geschäfte eines Kaufmanns, Bankiers oder Politikers in der Republik Florenz. Vielleicht fordern diese Gemälde ganz Einfach zur Einhaltung der Omerta, der Schweigepflicht, auf.
Lohnt sich ein Besuch im Palazzo Davanzati?
Mit hat der Besuch im Palazzo Davanzati sehr gut gefallen. Denn das Museo della Casa Fiorentina Antica gestattet den Blick in die Lebenswirklichkeit einer reichen Kaufmannsfamilie in Florenz zu einer Zeit, als die Stadt zu den bedeutendsten Städten in Europa in gehörte und die Epoche der Renaissance langsam ihren Anfang nahm.
Die nüchterne Architektur des Palastes findet sich auf vielen Renaissance Gemälden zum Beispiel eines Masaccio oder eines Filippo Lippi wider. Mir kommt es deswegen so vor, als ob ich beim Besuch des Palazzo Davanzati in eine Zeitmaschine steige, die mich über 600 Jahre hinweg in die Vergangenheit entführt. Toll! Außerdem sind die ausgestellten Möbel und Gegenstände des täglichen Lebens außerordentlich interessant. Deswegen lohnt sich die Besichtigung auf jeden Fall.
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Service:
- Palazzo Davanzati: Via Porta Rossa, 13, 50123 Firenze FI, Italien
- Auf dieser Website findest Du Informationen zu den Eintrittspreisen und den Öffnungszeiten des Palazzo Davanzati. Zur Zeit ist das Museum wegen Neueinrichtung der Ausstellung geschlossen
- Der Besuch des Palast ist nur im Rahmen eine Führung möglich. Für den Besuch solltest Du ca. 60 Minuten einplanen