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Franz-Josef-Gletscher-Neuseeland-13
Franz-Josef-Gletscher-Neuseeland-13

Franz Josef Gletscher – Klimawandel in Neuseelands Regenwald

Der Franz Josef Gletscher ist ein faszinierender Fluss aus Eis mitten im schwülen Regenwald der Südinsel Neuseelands. Die Maori haben den Gletscher Kā Roimata o Hinehukatere, genannt, die gefrorenen Tränen der Hine Hukatere. Wie der Gletscher zu diesem traurigen Namen kam und warum der Klimawandel den Franz Josef Gletscher bedroht, erfährst Du hier.
Inhalt

Ein Gletscher im Regenwald – Wie geht das?

Der Franz Josef Gletscher auf der Südinsel Neuseelands ist ein Widerspruch in sich. Ein Gletscher gehört in meiner Fantasie in irre kalte, winterliche Bergwelten. Der Franz Joseph Gletscher aber fließt über 10 Kilometer – wie ein langer Fluss von Eis – aus einer Höhe von fast 3000 Metern bis hinunter in die feuchtwarmen Regenwälder am Fuße der neuseeländischen Alpen. Dieser Kontrast – eisige Kälte mitten in der schwülen Wärme – hat Reisenden seit der Mitte des 19. Jahrhunderts irritiert, fasziniert und in die Einsamkeit der Westküste Neuseelands gelockt. Deswegen ist unterhalb des Franz Josef Gletschers ein Touristen-Ort mit dem gleichen Namen entstanden.

Eigentlich ist der Ort Franz nur eine öde Ansammlung aus Hostels, Pensionen, Hotels einem Supermarkt, Heli-Port und unzähligen Vermittlungsbüros für abenteuerlichste Ausflüge in die fantastische Welt der Südalpen. Der Reisende kann im Hubschrauber durch die Berge fliegen und auf verschiedenen Gletschern landen. Außerdem kann er über den Franz Josef wandern und durch blau glänzende Eiskristalle in glitzernde Eishöhlen hinuntersteigen oder mit dem Kajak auf dem Gletschersee unterhalb des Tasman Gletscher zwischen Eisbergen paddeln. Ich entscheide mich für eine schlichte Wanderung durch das Gletschertal.

Der Franz Josef Gletscher in den Südalpen von Neuseeland.
Der Franz Josef Gletscher. Eis mitten im Regenwald …
Gletscherbett des Franz Josef Gletscher.
… aber nur auf den ersten Blick. Denn der Franz Josef Gletscher ist in den letzten Jahrzehnten ziemlich geschrumpft

Wanderung zum Franz Josef Gletscher

Eine dieser schnellen Reisebekanntschaften, die jeder in Neuseeland unkompliziert machen kann, Jason aus Australien, hat den Heli-Flug mit Eiswanderung auf dem Franz Josef Gletscher gebucht. Er lacht mich aus, als er meine Bedenken gegen den Hubschrauber Flug hört. Klimawandel, Gletscherschwund, Nachhaltigkeit sind für ihn keine Themen, solange er in Neuseeland ist. Jason ist wegen des ultimativen Kicks nach Franz gekommen. Ein bisschen reizt es mich schon, auf den Franz Josef Gletscher zu fliegen. Aber dann bleibe ich standhaft. Mit dem Bus geht es über den Waiho River zum Gletscher Spaziergang. Der Waiho ist ein typischer Gletscherfluss, milchig grau vom Steinmehl, das der Gletscher von den Bergen abgehobelt hat. Gletschermilch ist ein treffender Name für diese schnell dahin sprudelnde pastose Flüssigkeit, die mit Wasser nur wenig gemein zu haben scheint. Gletschermilch, super poetisch.

Ab dem Parkplatz unterhalb des Franz Josef Gletscher hat das Department of Conservation, die neuseeländische Naturschutz-Agentur einen ca. 2 stündigen Weg durch das Gletschertal ausgeschildert. Der Weg beginnt tatsächlich in der schwülen, grünen Hölle des neuseeländischen Regenwaldes. Üppige Baumfarne, Fünffinger-Büsche, Carbage Tree; eben alles was Neuseelands Fauna aufzubieten hat. Aber eine richtige Regenwald-Erfahrung mache ich nicht. Der Himmel ist blau, die Sonne scheint und es hat seit Tagen nicht geregnet. Nach 15 Minuten Weg, auf einer ersten Aussichtsplattform endet plötzlich die grüne Pracht und ich stehe oberhalb des Gletschertals. Schon wieder so ein krasser Kontrast, diesmal zwischen üppigem Wald und ödem Geröll.

Bildtafel mit dem Hinweis, wo der Franz Josef Gletscher 1940 endete.
Die Stationen eines Rückzugs. Info-Tafeln dokumentieren das Abschmelzen des Franz Josef Gletscher
Bildtafel an der Stelle, an der das Eis 1960 endete.
Auf die Wanderung durch das Gletschertal legt sich deswegen eine etwas bedrückte Stimmung

Der Franz Josef Gletscher und der Klimawandel

Das Tal, das der Franz Josef Gletscher in den Felsen geschliffen hat, könnte trostloser nicht sein. Es ist eine gigantische graue Steinwanne gefüllt mit staubigem, grauem Geröll. Am Grund es Tals fließt ziemlich unspektakulär der Gletscherfluss. Von steilen Felswänden rinnen schmale Wasserfälle wie Schnüre hinab. An manchen Stellen sieht es deswegen so aus, als ob die Felsen schwitzten. Das ist schon gewaltig und ganz weit hinten leuchtet sogar türkis und blau – so künstlich, schräg wie ein Wick Hustenbonbon – der Gletscher. Dieses Hustenbonbon-Blau in freier Wildbahn ist schon irre beeindruckend. Aber leider auch ziemlich weit weg.

Hinweistafel an der Stelle, an der der Franz Josef Gletscher 2009 endete.
Die negativen Folgen des Klimawandels sind am Franz Josef Gletscher einfach unübersehbar …
Hinweise zum Klimawandel.
… da ist die Frage, was kann ich gegen den Klimawandel tun, nicht ganz unberechtigt

Wäre ich im Jahre 1867 hier gewesen, dann hätte ich den Gletscher noch vom Regenwald umwuchert sehen können. Aber seitdem ist das Eis kilometerweit ins Innere des Gebirges abgeschmolzen. Schuld ist der Klimawandel.

Das DOC hat auf dem Wanderweg an einigen Stellen nüchterne Info-Tafeln aufgestellt, die den unaufhaltsamen Gletscherschwund und dessen Zusammenhang mit dem menschengemachten Klimawandel beunruhigen dokumentieren. Bis 1940 ging der Gletscher noch bis hier. Im Jahr 1960 endete der Gletscher an dieser Stelle. 1990 hatte er sich bis hierher zurückgezogen. Und jetzt versteckt sich der Franz Josef Gletscher hinter einem unansehnlichen Geröll-Hügel. Dass menschliches Handeln die Erde verändert, geschenkt. Aber im trostlosen Tal des Franz Josef Gletscher wird mir die finale, zerstörerische Energie des menschlichen Handelns unvermittelt vor Augen geführt.

Gelbschwarze Warnschilder vor Steinschlag und Eisschlag.
Ein bisschen gefährlich ist die Wanderung durch das Gletschertal schon
Graue Gletschermilch der Franz Josef Gletscher.
Gletschermilch des Franz Josef Gletscher im Waiho River

Die Kräfte der Natur

Dabei kann ich im Gletschertal Spuren der gewaltigen Kräfte der Natur erkennen, die seit Tausenden von Jahren oder besser seit Millionen von Jahren diese fantastische Gebirgslandschaft geformt, verändert und gestaltet haben. Überall sehe ich zu Wannen geschliffene Felswände und abgerundeten Bergkuppen, die der Gletscher auf seinem Weg ins Tal aus dem harten Gestein geraspelt hat.

An senkrecht verlaufenden schieferartigen Adern im Gestein, lässt sich die enorme Kraft der tektonischen Kräfte erkennen, die die Südalpen in Millionen Jahren aufgefaltet haben. Denn vor der Faltung der Südalpen waren diese Gesteinsschichten waagerecht in der Erdkruste gelagert. Mich faszinieren diese Phänomene so sehr, dass sie mich motiviert haben, ich wenig über die Entstehung der Südalpen und die Bildung der Gletscher zu lesen.

Tatsächlich ist der Franz Josef Gletscher im Regenwald nur durch die besondere geologische Situation an der Westküste Neuseelands zu erklären. Also ganz kurz und knapp. Die Südalpen Neuseelands falten sich genau über einem Bruchsystem, an dem die Pazifische mit der Australischen Kontinentalplatte zusammenstößt, auf über 3700 Meter Höhe auf. Über die weite Tasman See zwischen Australien und Neuseeland transportiert der vorherrschende Westwind feuchte Luft nach Neuseeland. Diese feuchte Luft fällt an den Hängen der Südalpen als Regen – daher die Regenwälder – und in den hohen Gipfeln der Alpen als Schnee – deswegen die Gletscher.

Abgeschliffene Felswand aus dunklem Granit.
Wie ein großer Hobel formt der Franz Josef Gletscher die Berge in runde Formen
Schema, das die Bildung von Gletschern in den Südalpen Neuseelands erklärt.
Wolken, Schnee, Regen. Die Kräfte der Natur …

Ein Förderband aus Eis

Das Nährgebiet des Franz Josef Gletscher – also der Ort der Eisproduktion – ist ein über 32 Quadratkilometer großes Schneefeld, in dem es richtig viel schneit. Denn erst wenn mehr Schnee fällt als abtaut kann Gletschereis entstehen. Der Schnee wird dabei durch sein Eigengewicht zu Eis gepresst, der hohen Druck lässt den Sauerstoff aus dem Eis entweichen und das faszinierende Hustenbonbon-Blau entsteht.

Da Eis kein festes sondern ein plastisches Material ist, fließt es wie ein Förderband die Hänge hinab Richtung Küste. Die engen Alpentäler wirken dabei auf die gewaltigen Eismassen so wie ein Flaschenhals oder die Öffnung einer Zahnpastatube, durch die Zahnpasta auf die Bürste gedrückt wird. Deswegen fließt der Gletscher mit großem Druck und einer sagenhaften Geschwindigkeit von 2 – 6 Metern pro Woche ins Tal.

Irgendwie krass, wie in über Millionen Jahren großartige Naturwunder in Neuseeland aus dem Zusammenspiel unterschiedlichster Kräfte der Natur entstehen. Und dann kommt der Mensch und macht innerhalb von 100 Jahren und ein paar gequetschten alles kaputt.

Wranschildt vor dem Franz Josef Gletscher.
Am Ende des Wanderweges warnt dieser freundliche Pappkamerad vor dem Weitergehen
Gletschereis.
So nah am Gletscher sehe ich nur noch wenig Blau, dafür sehr viel Grau

Kā Roimata o Hinehukatere – Die gefrorenen Tränen der Hine Hukatere

Die Maori erzählen allerdings eine andere Geschichte über die Entstehung des Franz Josef und des Fox Gletschers in den Südalpen. Anstelle einer nüchternen geologischen Erklärung berichten die Maori von ihren Vorfahren Hine Hukatere und Tuawe. Hine Hukatere muss ein ziemlicher Wildfang gewesen sein. Sie liebte es, durch die wilden Berge der Alpen zu stromern und zu klettern. 

Eines Tages konnte sie ihren Geliebten Tuawe überreden, mit auf eine abenteuerliche Klettertour zu gehen. Tuawe aber war kein erfahrener Bergsteiger und als er den gewagten Spuren Hine Hukateres folgen wollten, rutsche er ab und stürzte hinab in die Tiefe. Dort wo sein Körper aufschlug schiebt sich heute der Fox Gletscher Richtung Regenwald. Da musste Hine Hukatere bitterlichen weinen. Die Götter aber ließen ihre Tränen in Form eines Gletscher gefrieren. Darum heißt der Franz Josef Gletscher für die Maori Kā Roimata o Hinehukatere, die gefrorenen Tränen der Hine Hukatere. Selten hat ein großen Unglück so viel zauberhafte Schönheit hervorgebracht. Hier erfährst du mehr über die Bedeutung von Maori Legenden und Märchen für Neuseeland.

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Zauberhafte Geröllwüste im Gletschertal

Die Wanderung durch das Gletschertal wird übrigens sehr, sehr schön. Die Geröllwüste des Gletschertals entpuppt sich überraschenderweise reich an zauberhaften Details. Manchmal knie ich mich sogar hin um Steine, Pflanzen oder Flechten näher zu betrachten. Deswegen dauert die Wanderung auch etwas länger als die angegebenen 1,5 Stunden. Alleine bin ich während der Wanderung definitiv nicht. Neuseeland ist super touristisch und auf dem Wanderweg durch das Gletschertal bin ich Teil einer Völkerwanderung, deren Teilnehmer – so wie ich zum Beispiel – bequem und kostengünstig einem Gletscher auf die Pelle rücken wollen. Macht mir aber nicht so viel aus. Ich wollte ja kein einzigartiges Abenteuer erleben.

Als ich am Abend dann Jasons Fotos auf Instagram sehe, werde ich schon ein bisschen neidisch auf seinen Adventure-Ausflug. Jason ist tatsächlich auf den Gletscher geflogen und dann durch einen Hustenbonbon-Blau strahlenden Graben im Eis des Franz Josef Gletschers gewandert. Er hat super tolle Fotos von riesigen, glitzernden Eiskristallen gemacht. Meine Fotos vom Gletscher wirken dagegen mausgrau. Sein Kommentar zu den tollen Bilden verstimmt mich allerdings: “Ich bin im ewigen Eis! Endlich habe ich etwas gefunden, das noch kälter ist als mein Herz.“

Die Folgen des Klimawandels am Franz Josef Gletscher

Die beschriebene Wanderung durch das Gletschertal des Franz Josef Gletscher ist zur Zeit nicht möglich (Stand 12/23). Der Waiho River hat seinen Lauf durch das Tal so verändert und führt wegen des starken Abschmelzen des Gletscher so viel Wasser, dass eine Wanderung durch das Tal zu gefährlich ist.

Möglich sind nur zwei kurze Wanderungen, die zu Aussichtspunkten führen, von denen aus der Gletscher gut zu sehen ist, wenn die Wolken nicht zu tief hängen. Ob das DOC den Weg durch das Gletschertal wieder freigibt ist nicht bekannt.

Mit Fechten bewachsene Steine.