Schinkel und der Kreuzberg in Berlin
Das Schinkel Denkmal auf dem Kreuzberg in Berlin. Von der Großbeerenstraße ist der Blick auf dieses Denkmal großartig. Die schnurgerade Straße verlängert sich optisch in einen fantastischen Wasserfall. Dessen Wasser sprudeln in einer Art Schlucht oder Klamm über Felskaskaden in einen kleinen Teich hinunter. Gerahmt wird dieser Wasserlauf von einem Hain aus Eschen und aus Linden, die im Sommer ihren klebrigen süßlich bitteren Geruch verströmen. Oben auf dem Kreuzberg kragt der gusseiserne Turm einer Kathedrale als Nationaldenkmal für die Befreiungskriege aus gotischen Wimpergen, Krabben und Fialen stufenartig aufgetürmt in den Himmel hinein.
Diese Stadtlandschaft spiegelt die gemalten aberwitzigen Architektur Fantasien, die in der Alten Nationalgalerie zu besichtigen sind. Faszinierend, dass es so etwas auch im wirklichen Leben gibt.
Vorbereitung auf des Abenteuer Kreuzberg Denkmal
Mich hat das alles so neugierig gemacht, dass ich tatsächlich einen riesigen Aufwand betrieben habe, um das Kreuzberg Denkmal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Im Sommer organisiert der Bezirk Friedrichshain Kreuzberg geführte Rundgänge durch das Sockelgeschoss des Denkmals. Das ist schon mal gut!
Einige Hürden sind zu überwinden. Ich habe im Hochbauamt des Stadtbezirks Friedrichshain Kreuzberg angerufen. In der Abteilung Facility Management sollte ich mich für die Besichtigung des Denkmals anmelden. Sehr nettes Telefonat. Einige Tage vor dem Kreuzberg Besuchstermin bin ich zum Besarin Platz gefahren, um die Tickets für die Besichtigung zu bezahlen und abzuholen. Das war dann schon etwas kompliziert.
Der Kreuzberg: beeindruckende 66 Höhenmeter!
03. Juli 2015. Endlich ist es so weit. Ein verdammt heißer Sommernachmittag. Der Wasserfall ist von hitzegeplagten Stadtmenschen gekapert worden. Einige sitzen in Schatten der Bäume auf glitschigen Steinen ganz nah am kühlenden Nass. Andere strecken überhitze und aufgeschwollene Füße in das lindernde Wasser hinein.
Kleine Kinder plantschen juchzend in Pfützen und Becken umher. Eine Gitarre erklingt. Ein plauderiges Summen füllt die Luft. Getränke werden gereicht. Da hat sich ein zauberhaft sommerliches Idyll im städtischen Grün eingerichtet. Muss ich alles links liegen lassen. Ich habe Termin mit dem Kreuzberg Denkmal um halbsechs. Ich sause trotz der Mörderhitze fast so flink wie die verschwitzen emsigen Hardcore-Jogger die Rampen und Treppen zum Kreuzberg hinauf.
Der Kreuzberg ist mit beeindruckenden 66 Metern die höchste Erhebung in Berlins Innenstadt. In Rom, wo man ein bisschen mehr Erfahrung mit Anhöhen im Stadtraum hat, hieße so eine Beule in der Landschaft ganz einfach Hügel. Aber in dem platten eiszeitlichen Ur-Strom-Tal, das Gletscher rund um Berlin ausgehobelt haben, ist so Hügel schon eine echte Sensation, also Kreuzberg.
Am Fuße des Kreuzberg Denkmals treffe ich kurz nach halbsechs auf eine kleine Gruppe wissbegieriger Berliner und Lokalpatrioten, die sich um einen pensionierten Mitarbeiter des Hochbauamts versammelt haben. Ich bin zu spät, die Vorstellungsrunde ist vorbei, der Herr ist schon mitten in seinen Erklärungen. Seinen Namen kann ich also nicht verraten.
Warum Kreuzberg?
Aber was er erzählt hat, das gebe ich gerne weiter: Einst lag der Kreuzberg weit vor den Toren der Stadt Berlin. Seinen heutigen Namen hatte er auch noch nicht. Der Berg hieß weiland Tempelhofer Berg oder Weinberg, tatsächlich wird Wein noch heute angebaut. Kreuzberg heißt diese Anhöhe mit der Errichtung des Nationaldenkmals für die Befreiungskriege. Auf die Spitze des 1821 eingeweihten Denkmal montiert Friedrich Schinkel nämlich ein eisernes Kreuz. Daher der Name.
Oder vom Grundriss des Kreuzberg Denkmals, natürlich ein gleichschenkliges Kreuz. An dessen 12 Seiten, befinden sich 12 Nischen, in denen 12 Skulpturen Schlachten der Kriege gegen Napoleon personifizieren. Mehr Christussymbolik geht nimmer. Freiheitskriege, das sind die kriegerischen Auseinandersetzungen von 1813 bis 1815, mit denen die französische Vorherrschaft unter Napoleon über weite Teile Europas beendet wurden. Es ist aber auch die Zeit in der schlimme antifranzösische Ressentiments in Deutschland entstehen. Das Denkmal ist ein Zeugnis dafür.
Der schöne Park rund um das Kreuzberg Denkmal ist übrigens erst später angelegt worden. Genauso wie der Wasserfall. Soweit die Besichtigung von Außen. Nun werden dicke Stahltüren quietschende aufgesperrt und wir betreten die Gewölbe des mächtigen Sockels, auf dem das Kreuzberg Denkmal seine Umgebung dominiert. “Der Zutritt erfolgt auf eigene Gefahr!” Angenehm kühl und dunkel ist es hier.
Heiligtum oder Kellerverließ?
Als erstes fällt mir der Hinweis auf: Fledermauskolonie. Ich schau verwundert nach oben, kein Flattern über mir. Keine Feldermaus hängt kopfüber von der Decke. “Die sind ausgeflogen“, wird mir erklärt, “die kommen erst im Winter wieder. Und von der Decke hängen die schon mal gar nicht“. Tatsächlich sind im ganzen Untergeschoss Vogelkästen angebracht, die auch die Fledermäuse als Behausung akzeptieren. Kann ich sofort verstehen. Denn von hier sieht das Kreuzberg Denkmal aus wie ein geheimnisvolles, unterirdisches Heiligtum. Im Kreis angeordneten in die Höhe strebenden Backsteinpfeiler und gewaltige Bögen erzeuge eine beeindruckende sakrale Aura wie in einer Kathedrale.
Dabei ist das Sockelgeschoss des Denkmals nur ein gewaltiger Keller. Die Stadt Berlin hat hier Kunst aus dem öffentlichen Raum eingelagert. Bauskulpturen und Reliefs von der Berliner Münze, aus dem Tiergarten und vom Brandenburger Tor werden hier vor der schädlichen Umwelt bewahrt. Das ist irgendwie ganz interessant. Aber auch nicht mehr
Stadtlandschaft und Erinnerungslandschaft
Als ich aus dem Dämmerlicht des Denkmalsockels wieder ans Tageslicht trete beschäftigt mich etwas anderes. Rund um das Nationaldenkmal für die Befreiungskriegs ist die Topografie dieser Kriege in das Straßennetz Berlins eingeschrieben, habe ich während der Besichtigung des Denkmals erfahren. Die Katzbachstraße, die Großbeerenstraße, die Eylauerstraße, die Großgörschenstraße, der Leipziger Platz und der Pariser Platz erinnern im Namen an Orte von Schlachten und Siege der preußischen Armee über die französischen Truppen. Die Yorkstraße, die Bülowstraße. die Kleiststraße, der Nollendorfplatz, die Blücherstraße oder die Gneisenaustraße memorieren die siegreichen preußische Generäle.
Vom Kreuzberg Denkmal überblicke ich die gesamte Berliner Innenstadt. Von hier spannt sich also ein Netz verschütteter oder verdrängter militärischer Vergangenheit in die Erinnerungslandschaft Berlins. Das Straßennetz Berlins wird zu einer Art Verlängerung des Kreuzbergs Denkmals. Aber diese Netz ist noch weiter ausgeworfen. Im Städtchen Großgörschen, nahe Leipzig, zum Beispiel erinnert die Schinkel-Pyramide in der gleichen, neogotischen Formensprache wie das Kreuzberg Denkmal an die gleichnamige Schlacht, mit der die Befreiungskriege begannen. Dass der Horizont des Kreuzberg Denkmals so weit gezogen ist, das hat mich wirklich überrascht.
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Service
Weitere Besichtigungs-Termine des Kreuzberg Denkmals in 2015 sind am 28. August und 18. September um 17 Uhr und am 2. Oktober um 16.30 Uhr.
Der Rundgang durch das Denkmal dauert etwa zwei Stunden. Der Preis beträgt sechs Euro. Interessenten müssen sich im Hochbauamt Friedrichshain-Kreuzberg anmelden unter der Telefonnummer 902 98 26 24.