Welches Museum soll man sich in London anschauen?
Welche Museen man sich bei einem Kurztrip in London in jedem Fall anschauen sollte, ist gar nicht so leicht zu beantworten. Die Auswahl an Museen ist einfach so groß. Allein 17 Museen gibt es in London, die pro Jahr mehr als 100.000 Besucher anziehen. Der Mann und ich haben uns bei unserem jüngsten Besuch für drei Klassiker entschieden, die ich euch hier näher vorstellen möchte. Zwei von ihnen sind – wie ich erst im Nachhinein festgestellt habe – unter den Top 10 Museen in London. Das dritte Museum ist zu bekannt um sich Geheimtipp nennen zu können, aber definitiv ein hidden champion.
Topp Tipp 1. British Museum
Staunfaktor: hoch
Anstehfaktor: moderat
Eintritt: kostenfrei
Postkolonialismus-Faktor: hell, yes.
Audio-Guide: Why not. Geht auch gut ohne.
Das British Museum liegt nördlich von Covent Garden, dem Theater-District von London mit dem Royal Opera House und seiner großen Markthalle. Von der Markthalle sieht der zeitgenössische Besucher heute nur noch gefällig touristisch aufgebürstete Reste, es dominieren Kunsthandwerks-Schnickes und hochpreisige Häppchen. Das macht Appetit auf was Substanzielles, Zeitloses. Davon bietet das British Museum mehr als genug.
Bereits die Architektur des British Museum stimmt einen ein auf etwas Großes. Das Kulturhistorische Museum residiert in einem 1823-48 unter der Leitung von Robert Smirke gestalteten klassizistischen Prunkbau. Mit 8 Millionen Exponaten ist es immerhin eines der weltweiten größten Museen seiner Art. Kunst hat eine zeitlose Relevanz für die Gesellschaft. Sie hilft uns unser Dasein zu reflektieren, unsere Erlebnis- und Erfahrungsräume zu erweitern. Kunst inspiriert und regt auf, manchmal ist sie auch einfach nur schön anzuschauen und der Kunstgenuss entspannt das überreizte zeitgenössische Hirn.
The museum is a unique resource for the world: the breadth and depth of its collection allows the world’s public to re-examine cultural identities and explore the connections between them.
(Auszug aus einem Infoblatt des British Museum zu „The Parthenon Sculptures“)
Wem gehören die Skulpturen des Parthenon Fries
Viele Kunstschätze erzählen neben dem, was sie darstellen, Geschichten von Krieg und Frieden, von Machtausübung und Raub. Im British Museum wird dies besonders deutlich an den Skulpturen des Parthenon Fries der Akropolis in Athen, die seit 1817 hier ausgestellt sind. Die fragmentierte Präsentation des Frieses erinnert schmerzlich an einen seit den frühen 1980er Jahren schwelenden Streit zwischen England und Griechenland über die legitime Ownership. Griechenland fordert die Überführung der in England befindlichen Exponate, England weigert sich.
Die Position des British Museum in diesem Streit zeugt meiner Ansicht nach von einem verzerrten Blick auf die Welt, der nach wie vor von der Großmannssucht einer ehemaligen Kolonialmacht geprägt scheint. Ich paraphrasiere die Kernpunkte im Folgenden frei und etwas salopp: Die Griechen möchten sich mal nicht so anstellen, immerhin wären die Kunstwerke in London kostenlos zu bewundern und würden hier von viel mehr Menschen bestaunt als in Athen. Auch habe das beherzte Eingreifen der Briten vor 200 Jahren den Fries vor dem sichereren Verfall gerettet… Der Zahn der Zeit nagt weiter an den ungefähr zur Hälfte zwischen London und Athen aufgeteilten Skulpturen. Das groß angelegt Restaurierungsprojekt an beiden Standorten läuft seit den 1970er Jahren.
2. Londons Tate Gallery of Modern Art
Staunfaktor: wow!
Anstehfaktor: null.
Eintritt: kostenfrei
Postkolonialismus-Faktor: nicht relevant.
Audio-Guide: Kann man, muss aber nicht.
Ich empfehle, sich der Tate Modern von St. Pauls Cathedral aus über die Millennium Bridge zu nähern. Beim Gang über die feingliedrige Fußgängerbrücke baut sich eine schöne Sichtachse auf die ehemalige Bankside Power Station am Themseufer auf. Seit 2000 hat imposante Haus für internationale moderne und zeitgenössische Kunst über 40 Millionen Besucher angezogen.
Besonders seit der Erweiterung des Baus durch Herzog de Meuron 2009 Tate ist ein Event-Tempel, in dem man gut und gern einen ganzen Tag verbringen kann. Ein Schwerpunkt liegt auf Performances, Video-Art und interaktiver Kunst. Meisterwerke der klassischen Moderne sind museumspädagogisch wertvoll aufbereitet und laden zur langsamen Betrachtung ein. Zu verdanken haben wir die Tate dem Industriellen Henry Tate, einem Zucker-Händler. Er übertrug seine Kunstsammlung 1889 dem britischen Staat und finanzierte die Entstehung der ersten Tate Gallery.
3. Greenwich Mean Time und Royal Observatory
Staunfaktor: Überraschend!
Anstehfaktor: nope.
Eintritt: ja, aber hat der Mann bezahlt. (der Eintritt in das Britische Museum für Seefahrt ist frei).
Postkolonialismus-Faktor: Klares ja.
Audio-Guide: Auch ja. Für das Storytelling unbedingt mit machen.
Der Nullmeridian und die Geschichten, die sich um ihn ranken. Hach, ich hatte ja keine Ahnung… Natürlich weiß ich, dass es die Zeitzonen gibt. Als Viel-Reisende habe ich meine Uhr oft umgestellt, bin ich die Zonen oft genug überflogen (mit in den letzten Jahren zunehmend schlechtem Gewissen). Bei einer Rundreise mit dem Bus durch Yucatan „verlor“ ich auf dem Weg von Isla Holbox nach Chichen Itza eine Stunde. Ich hatte schlicht nicht dran gedacht, dass Yucatan mitten auf einem Zeit-Meridian liegt.
Das war eine lustige kurze Irritation am Eingang zu der berühmten Maya-Tempelanlage, aber nicht weiter schlimm. Und bei der Rückreise nach Deutschland bekamen wir die Stunde ja wieder zurück. Ich schweife ab… Früher – also vor Einführung der Greenwich Mean Time und der Zeitzonen – war das Feststellen der „richtigen“ Zeit um einiges chaotischer. Zugespitzt gesagt, stellten die Leute die Uhr permanent vor und zurück, oft nur um Minuten, was Absprachen und Termingeschichten erschwerte.
Die Ausstellung im Royal Obervatory gibt einen spannenden Einblick in die Welt der Zeitmessung und zeichnet die Geschichte in lebendigen Bildern nach. Besonders interessant finde ich persönlich die Backstory nach der Motivation, Zeit besser und nach einem gültigen Standard messbar zu machen. Die Hauptrollen spielen zwei Gesellen namens territoriale Expansion und kommerzieller Handel und – damit einher gehend, die daraus erwachsenden Handelsbeziehungen. Das Fazit: Time is money, honey.
Den Stadtteil Greenwich erkunden
Ich empfehle mit einem MBNA Theme Clipper nach Greenwich zu fahren. Nimmt man eine dieser schnellen Stadt-Fähren, kann man die Fahrtkosten einfach von seiner Oyster-Card abbuchen lassen. Tickets und Infos zum Observatory gibt es direkt hinter dem Fähranleger, nahe dem großen, schönen Greenwich Park. Wer gut zu Fuß ist und Zeit hat, geht vor dem Abstieg zum Observatory einen Spaziergang durch den Park und einen kleinen Schlenker durch den Ortskern von Greenwich mit seinen hübschen Häusern und Boutiquen, Pubs und Märkten.
Extra-Tipp: Nach dem Besuch des Observatory empfehle ich einen Besuch im The Trafalgar Tavern. Einem traditionsreichen, freundlichen Pub mit Blick auf die Themse. Am Wochenende treffen sich hier Freunde, Paare und Familien zu Pub-Food, Klönschnack und Kartenspiel. Einfach eine schöne Atmosphäre mit toller Aussicht. Merkwürdig, das zu schreiben, aber: Hier ist die Welt in Ordnung und die Zeit steht still. Für einen Moment.
Plane deine Museums-Topp-Tipp-Tour in London
Das British Museum ist ein Muss bei einem London Kurztrip. Toll ist, dass der Besuch kostenfrei ist. Wenn zwischendurch der Akku wackelt und der Magen knurrt: Das Café bietet kleine, bezahlbare Snacks an wie Scones und Quiche. Auf der Website des British Museum findest du Informationen zu Sonderausstellungen und vielem mehr. Von vielen Manga-Fans ungeduldig erwartet die #MangaExhibition, sie läuft vom 23. Mai – 26. August 2019.
Sicher kannst du einfach so in die Tate Modern gehen und dich von Architektur und Kunst berauschen lassen. Besuchern mit wenig Zeit hilft es vielleicht, ihren Besuch im Vorfeld etwas zu planen.
Ich habe das Greenwich Observatory dieses Mal neu für mich entdeckt und empfehle den Besuch jedem London Besucher. Hier gibt es alle Infos rund um diesen historischen Ort.
Let’s talk about time, Baby
Die Zeit, ach, wo bleibt sie nur… Lass uns nicht über Zeit reden, oder doch?
Unlängst ging es in einem Beitrag hier auf Sirenen und Heuler um London im Prä-Brexit Taumel. Der im Sommer 2016 per Volkentscheid knapp befürwortete Austritt Großbritanniens aus der EU sollte am 29.3.2019 stattfinden. Er wurde dann verschoben auf den 12. April, und nun auf den 31. Oktober 2019. To brexit when and how to brexit, that is the question. Und der Zeit ist es ohnehin egal, wie wir sie füllen, sie vergeht ganz unbeeindruckt. In London – und überall auf der Welt.
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