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Moderner Museumsbau in Lyon Confluence
Moderner Museumsbau in Lyon Confluence

Lyon Confluence: Moderne Architektur & der Traum von der nachhaltigen Stadt

Lyon ist vor allem bekannt als Hauptstadt der Gastronomie und der feinen Küche. Immerhin war Paul Bocuse, der Hohepriester der Nouvelle Cuisine, hier zuhause. Aber Lyon ist nicht nur gutes Essen, im Stadtteil Confluence gibt es tolle, moderne Architektur. Denn hier entsteht eine nachhaltige und lebenswerte Stadt. Nicht nur Architekturfreaks kommen in dieser postindustriellen Kulisse auf ihre Kosten.
Inhalt

Eine Stadt am Fluss

Die zauberhafte Stadt Lyon verdankt ihr Gründung den Flüssen Rhône und Saône. Denn an der strategisch außerordentlich wichtigen Mündung der Saône in die Rhône gründeten schon die alten Römer vor über 2000 Jahren eine Stadt: Lugdunum. Allerdings siedelten die Römer nicht direkt an den Flussufern. Vielmehr errichteten sie ihre Stadt am Hang. Das prächtige römische Theater ist die wichtigste Sehenswürdigkeit aus dieser vergangenen Zeit.

Heute erfindet sich die Metropole Lyon dagegen an ihren Flussufern neu! Und zwar als nachhaltige Stadt. Deswegen finden die Besucher die modernen Sehenswürdigkeiten der Gegenwart auch an der südlichen Spitze des Stadtzentrums. Hier funkelt die abenteuerlich, wolkige Architektur des Musée des Confluence und verwirrt der organisch poröse Orange Cube des Architekturbüros Jacob+MacFarlane die Sinne.

Das ist eine erstaunliche Entwicklung. Denn die Römer und später die Franzosen ließen die sumpfige Spitze der Halbinsel von Lyon an der Confluence, also dem Mündungsgebiet der Saône in die Rhône, einfach links liegen. Erst kurz vor der französischen Revolution kam der Ingenieur Antoine Michel Perrache  auf die Idee, diese morastige Confluence als neues Stadtgebiet für Lyon zu gewinnen. 1771 ging es los. Unglaubliche 70 Jahre später, nach dem Ende der Wirren der französischen Revolution, konnte das gewaltige Projekt endlich abgeschlossen werden.

Mündung der Saone in die Rhone bei Lyon.
An der südlichen Spitze der Halbinsel von Lyon mündet die Saône in die Rhône

Lyon Perrache

In diesen neuen Stadtteil, der nach dem Namen seines Erfinders Perrache benannt wurde, verbannten die anständigen Bürger nun alles, was sie in ihrer ehrwürdigen Stadt nicht haben wollten: das Gefängnis, die Bordelle, die sich entwickelnde Industrie, die Schlachthöfe und den Bahnhof, der noch heute Lyon Perrache heißt.

Bis in die 60er Jahre ging diese Verdrängung gut. Aber mit der aufziehenden Krise der europäischen Industrieproduktion und dem damit verbundenen Strukturwandel verloren der Flusshafen, die Industrieanlagen und der riesige Rangierbahnhof immer mehr an wirtschaftlicher Bedeutung. Dafür wurde der Großmarkt aus dem Stadtzentrum hierher verlegt. Dennoch verkam Lyon Perrache langsam zu einer unattraktiven Brache.

Dieser Prozess der Verödung wurde durch das wahnwitzige Projekt eines Verkehrshubs, des Perrache Interchange, noch verstärkt. In der euphorischen Modernisierungswelle, die Frankreich in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts erfasste, wurde das Stadtviertel Perrache dadurch gänzlich von der Innenstadt Lyons abgeriegelt.

Damals wurde ein Tunnel der Autobahn 7 Richtung Marseilles quer durch die Halbinsel zwischen Rhône und Saône getrieben. Oben drüber entstanden auf mehreren Ebenen der Busbahnhof für Fernbusse. Parkhäuser, Stationen für die Metro und die Tram. Dieser Infrastrukturhub trennt als massive Barriere die Innenstadt von der Peripherie. Heute ist der Perrache Interchange ein trostloses Beispiel für die gescheiterte Vision einer Stadtplanung, welche Städte als Maschinen verstehen wollte. Beseitigen lässt sich dieses Monster aber nicht. Deswegen wird der bizarre Bau im Stil des Brutalismus in den nächsten Jahren für 100 Million € auf Vordermann gebracht.

Für mich ist der Perrache Interchange der Beginn meiner Erkundung von Lyon Confluence. Die Metro spuckt mich auf Ebene 0 des Verkehrshubs aus. Hier begreife ich, was Verkehrsknotenpunkt eigentlich bedeutet. Ein verwirrendes Labyrinth. Ein trostloser Durchgangsort, den jede so schnell wie möglich wieder verlässt. Das Reinigungspersonal streikt seit einigen Tagen, als ich hier ankomme. Schon haben sich Müll und Staub auf den Treppenstufen, in Fugen und unter Absätzen zu einer schmierigen Lawine verdichtet. Ich bin froh, als ich dieses kolossal unglückliche Gebäude und den Bahnhof Perrache hinter mir gelassen haben.

Stadtplan, der die Mündung der Saone in die Rhone zeigt.
Stadtplan von Lyon Confluence zwischen den Flüssen Saone und Rhone
Landmark Building eines Museums in Lyon Confluence.
Das Musée des Confluence in Lyon entworfen von coophimmelb(l)au aus Wien

Confluence – Lyons neue Mitte

Aber ich bin ja nicht hierher gekommen, weil ich die Bausünden des vergangenen Jahrtausends beklagen will. An der südlichen Spitze der Halbinsel von Lyon entwickelt sich mit dem Confluence Viertel die neue Mitte der Metropole an der Rhône. Schon Ende der neunziger Jahre drängte die Frage, wie die Zukunft diese zentrumsnahen und postindustriellen Stadtteil aussehen könnte Zu Beginn des neuen Jahrtausends beschloss die Stadtregierung des sozialistische Bürgermeister Gérard Collomb, die Spitze der Halbinsel zu einer Stadt für alle zu entwickeln.

Als Auftakt für dieses erstaunliche Projekt erklang ein gewaltiger Paukenschlag. Das Wiener Architektur coophimmelb(l)au erhielt den Auftrag für den Neubau des Musée des Confluence. coophimmelb(l)au entwarf ein UFO, das wie eine silbrigen Wolke über der Mündung der Saône in die Rhône schwebt. Zwar entpuppte sich diese gewagte Landmark Architektur – ähnlich wie die Elbphilharmonie in Hamburg oder der Hauptstadtflughafen in Berlin – als spektakuläres Millionengrab. Doch der Imagegewinn wog diese Nachteile rasch auf.

Der Zugang zum Museum ist über einen schönen Park entlang den Ufern der Saône erschlossen, der zum entspannten Flanieren einlädt. Ganz in der Nähe, am Quai Rambaud lassen sich zwei ikonisch gewordene Bürogebäude der Architekten Jakob + MacFarlane aus Paris bestaunen.

In grellen Neonfarben leuchtenden ein oranger und ein grüner Würfel an denn Ufern der Saône. Die Fassade des Orange Cube ist durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Die einfache kubische Form dieses Bürogebäudes wird von zerrissenen Aluminiumnetzen überspannt, die der schlichten Gestalt einen abgerockten und moderigen Charakter verleihen. Besonders auffällig aber sind die großen konischen Löcher, die aus dem Kubus herausgeschnitten wurden. Was wie eine extravagante Spielerei aussieht, macht allerdings richtig Sinn. Denn durch diese Einschnitte können die innenliegenden Büroflächen mit Tageslicht durchlichtet werden. Außerdem saugen sie die kühle Luft vom Fluss in das Gebäude und sorgen so für eine für eine natürliche Kühlung des Gebäudes. Der Orange Cube wurde in Lyon so populär, dass 2015 mit dem Green Cube ein giftig grünes Geschwisterchen bekam.

Am Ufer liegt auch das spektakuläre Bürogebäude Le Dark Point. Ein Projekt der der punkig auftretenden Odile Decq. Die transparente Fassade des Glaskubus rund um ein verwirrend komplexes Stahlskelett ist mit verschwommenen Schwarz-Weiß Bildern bedruckt, welche – ebenso wie die Stahlkonstruktion des Baus – Bezug auf die industrielle Vergangenheit des Stadtteils Perrache nehmen.

  • Musée des Confluence; Adresse: 86 Quai Perrache, 69002 Lyon. Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag: 10:30 – 18:30; Eintritt: 9,00 €, Kinder und Jugendliche frei. Weitere Informationen findest Du auf dieser Website
  • Orangen Cube; Adresse: 42 Quai Rambaud, 69002 Lyon. Auf dieser Website erhältst Du mehr Infos zur Planung und Ausführung des Gebäudes
  • Green Cube; Unternehmenssitz von Euronews. Adresse: 56 Quai Rambaud, 69002 Lyon. Mehr Informationen zur Architektur findest Du hier.
  • Le Dark Point; Headquarter GL Events. Adresse: 59 Quai Rambaud, 69002 Lyon. Mehr Informationen
Die löchrige Fassade des Orange Cube in Lyon ist tolle Architektur.
Der Orange Cube des Architekturbüros Jakob + MacFarlane aus Paris 2011
Das Headquarter des Fernsehsenders Euronews in Confluence.
Der Green Cube des Architekturbüros Jakob + MacFarlane in Lyon Confluence 2015

Moderne Architektur in Lyon Confluence: Der Mix macht’s

Das eigentliche Zentrum von Lyon Confluence liegt aber am ehemaligen Flusshafen. Dort lockt am Cours Charlemagne ein großes Einkaufszentrum konsumfreudige Besucher an. Gleich gegenüber arbeitet die Regionalverwaltung und tagt das Regionalparlament an der Esplanade François Mitterrand. Aber am Stadthafen kann man nicht nur shoppen und arbeiten. Am Quai Antoine Riboud sind Apartmenthäuser entstanden, die nicht nur gehobenes Wohnen sondern auch sozial geförderten Wohnraum bieten. Der richtige Mix machts!

Damit der entstehen kann, wie die postindustrielle Stadtlandschaft nicht Hauruck sondern in mehreren Abschnitten nach und nach entwickelt. So können Fehlentwicklungen früh erkannt und schnell korrigiert werden. Der besondere Reiz von Confluence entsteht aber dadurch, dass während der Planung ein vitaler Mix aus Wohnen, Arbeiten, Kultur, Konsum und Freizeit mitgedacht wurde. Die Stadtplanung in Frankreich bezieht alle Aspekte städtischen Lebens mit ein. Darum sieht die Stadtentwicklung in Frankreich auch viel lebendiger aus als in Deutschland, wo die Stadtplaner isoliert auf Verkehrsplanung oder Wohnungsbau schauen.

Eines der interessantesten Projekt am Quai Antoine Riboud ist der große Baukomplex mit dem faszinierenden Namen Le Monolithe. Dass dieser urbane Superblock nicht eintönig und öde wirkt, liegt daran, dass der Bau in 5 Sektionen aufgeteilt wurde, die jeweils von einem anderen Architekturbüro geplant und umgesetzt wurden. Unter der Federführung von MVRDV aus Rotterdam konnte so eine abwechslungsreiche Architektur entstehen.

Das spektakulärste Wohnhaus in Lyon Confluence ist aber sicherlich der filigrane Wohnturm von Pritzker Preisträger Jean Nouvel. Ycone schmeichelt sich mit sanften Farben und einer verschwommene, geradezu verwischten Silhouette in die postindustrielle Stadtlandschaft zwischen Rhône und Saône. Der Turm scheint aus fragilen Gerüsten und rechteckigen Rahmen nur locker zusammengesteckt. Es sieht so aus, als könne ein leichter Windhauch dieses nach oben auseinander strebende Kartenhaus zum Einsturz bringen. Aber ein löchriges, locker aufgesetztes Dach zwingt die duftige Gestalt des Turms in eine fest Form.

  • Le Monolithe; Adresse: Rue Denuzière, 69002 Lyon. Hier findest Du eine Beschreibung des Projekts
  • Tour Ycone; Adresse: 7 Pass. Panama, 69002 Lyon. In Journal-A hat Özlem Özdemir einen lesenswerten Artikel über Ycone verfasst.
Ein Gebäude nach Entwürfen der Architekten von MVRDV.
Le Monolithe zeigt, wie abwechslungsreich urbane Superblöcke sein können, wenn mehrere Architekten beteiligt werden
Moderne Architektur, der Tour Ycone von Jean Nouvel in Lyon Confluence.
Tour Ycone in Lyon Confluence, entworfen von Jean Nouvel 2015

Masterplan für eine lebenswerte Stadt

Jean Nouvel wurde von den schweizer Architekten Herzog & de Meuron eingeladen dieses Wohnhaus in Lyon Confluence zu bauen. Herzog & de Meuron verantworteten die zweite Phase des Masterplans für die Erneuerung des postindustriellen Stadtviertels. Am Ynfluences Square lässt sich erleben, wie abwechslungsreich und lebendig Architektur mit den generischen Materialien Beton, Holz und Glas gestaltet werden kann. Denn rund um den Ynfluences Square ist eine bunte Mischung aus Wohnungen, Büros, Geschäften und Dienstleistungen entstanden.

Damit ein lebendiger Stadtteil entstehen konnte, wurde auf der Grundlage eines vom Büro Herzog & de Meuron erarbeiteten Architektur- und Umweltkonzepts ein Team von sechs Architekten zusammengestellt. Deren unterschiedlichen Handschrift sollten die neu entstehende urbanen Landschaft abwechslungsreich und lebenswert gestalten. Und das ist tatsächlich gelungen verschiedenste Denk- und Gestaltungsprinzipien zueinander in eine fruchtbare Beziehung zu setzen. Zu den Architekten gehören natürlich Herzog & de Meuron, außerdem Tatiana Bilbao aus Mexico Stadt., Manuel Herz Architekten aus Basel, Christian Kerez aus Zürich, AFAA architecture aus Lyon und der Landschaftsarchitekt Michel Desvigne aus Paris.

B5 Wohngebäude von Herzog & de Meuron in Lyon.
Wohnhaus entworfen von Herzog & de Meuron am Ynfluences Square

B6 Bürogebäude von Christian Kerez

Herzog & de Meuron haben einen Wohnturm ohne Ecken errichtet. Dessen leicht schwingende Fassade überrascht mit ihren eleganten Kurven. Besondere Aufmerksamkeit aber zieht das Bürohaus B6 von Christian Kerez auf sich. Der nüchterne Bau basiert auf einem schlichten Raster, das von Säulen aus Beton gebildet wird, welche die Decken und Bodenplatten tragen. Ein Fensterband schließt die Geschosse nach außen ab, ohne wie eine Begrenzung zu wirken. Denn nicht die Fenster sondern die tragenden Betonsäulen schließen die Fassade ab und schaffen so eine durchlässige Verbindung zwischen Innen- und Stadtraum. Die tragende Struktur wird zur Architektur.

Die am Boden schwere und nach oben zum Himmel hin leichter werdenden Konstruktion interpretiert raffiniert die klassische Säulenordnung. Von der rustikalen dorischen Säule über die ionische bis hin zur schlanken korinthischen Säule. Eine ironische Geste! Denn anders als die klassizistischen Säulen des 18. und 19. Jahrhunderts, welche die prächtigen Gebäude überall in Lyon schmücken, sind die Betonsäulen des B6 nicht nur Fassadenschmuck sondern tragende Elemente der Architektur. Erstaunlich ist, welche Sorgfalt auf die Ausführung der Säulen gelegt worden ist. Die Säulen der unteren drei Stockwerke sind aus Stampfbeton vorgefertigt. Die Säulen der beiden mittigen Stockwerke sind ebenso wie die Decken und Brüstungen aus gerütteltem Beton und die Säulen der oberen drei Stockwerke aus geschleudertem Faserbeton hergestellt.

  • Wohnturm B5; Adresse: 62 Rue Smith, 69002 Lyon. Herzog & de Meuron. Mehr zum Bauprojekt Confluence 2
  • Bürogebäude B6; Adresse: 95 Cours Charlemagne, 69002 Lyon. Christian Kerez, 2018. Hier findest Du mehr Informationen
Bürogebäude entworfen von Christian Kerez.
Der Architekt Christian Kerez aus Zürich entwarf dieses nüchterne Bürohaus. Dessen Eleganz von der genialen Bearbeitung der rohen Betonstützen herrührt
Bauschild vor einer Baustelle in Lyon Confluence.
Tatsächlich wird noch viel gebaut in Lyon Confluence. Hier bauen demnächst Chipperfield Architects

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Tipps & Service

Für den Besuch von Lyon Confluence solltest Du mindestens einen halben Tag einplanen. Am einfachsten erreichst Du Lyons neue Mitte mit der Tram der Linie 1, optimal ist der Stop direkt vor dem Musée des Confluences. Von dort kannst Du am Ufer der Saône bis zur Esplanade François Mitterrand und weiter bis zum Ynfluences Square spazieren.

Du kannst aber auch mit der Bahn bis zum Bahnhof Lyon Perrache fahren und von dort mit der Besichtigung starten. Dann solltest Du dir nicht den Perrache Interchange entgehen lassen. Hier lässt sich trefflich über die städtebauliche Sünden der Vergangenheit meditieren. Vielleicht findest Du ja auch eine Antwort auf die Frage, warum die katholische Universität von Lyon in ein ehemaliges Gefängnis eingezogen ist. Von hier aus schlenderst Du dann den Cours Charlemagne hinunter, bis du die spektakuläre Stadtlandschaft von Lyon Confluence erreichst.