Blick in die Zukunft
Eine zweiwöchige Rundreise um die Halbinsel Yucatán. Gegen den Uhrzeigersinn. Gemeinsam mit dem Mann. Immer schön im Wechsel zwischen Strand und Stadt und Pyramiden. Ausgangsort: die wunderschöne Isla Holbox, über die auf Sirenen und Heuler bereits berichtet wurde. Das Gebiet, das die Autorin in diesem (und einem weiteren) Beitrag umrundet und erkundet, würde im Falle einer globalen Erwärmung von 3-6° Celsius komplett überflutet werden. Dieser kleine Exkurs sei in Zeiten, in denen der Klimawandel von führenden Weltpolitikern wie dem republikanischen Präsidenten der USA geleugnet und diese Entscheidung sogar vom Vatikan (!) als unverantwortlich rückschrittlich gescholten wird, vorab gestattet.
Fundstück auf der Facebook-Seite des Mexikanischen Politikers Carlos Berlín Montero von der Partido Revolucionario Institucional (PRI).
Vom Paradies ins Maya Disneyland
Krasses Schreckensszenario? Ist ja irgendwie alles, was derzeit durch die Nachrichten geistert auch. Als der Mann und ich nach Holbox das erste Festland-Highlight Yucataáns aufsuchen, erschrecken wir uns auch ein bisschen. Aber der Reihe nach. Wir sind jetzt schon länger auf Holbox geblieben als geplant, die Busverbindungen von Holbox nach Chichén Itzá klingen, als bräuchten wir einen ganzen Tag für die Anreise. Wir rufen Carlos an. Also nicht den Politiker, sondern „unseren“ Fahrer. Den, der uns vom Flughafen in Cancun direkt zum Fähranleger in Chiquila gebracht hat.
Carlos freut sich über unseren Anruf, na klar hat er eine bessere Idee, wie wir von Chiquila nach Chichén Itzá kommen. Carlos‘ Cousin fährt uns nun für einen okayen Preis in seinem Taxi zu der Maya Attraktion. Voll der Luxus. Im Morgengrauen sitzen wir schon auf der Fähre. Und werden am Hafen schon erwartet. Unser neue Fahrer mag es sportlich. Und steht so stramm auf dem Gaspedal, wie es die rumpeligen mexikanischen Straßen gerade eben zulassen. Trotzdem haben wir bei Ankunft eine ganze Stunde verloren. Wie das angehen kann?
Durch Yucatán läuft eine Zeitzone. Und in Chichén Itzá (UTC +7) gehen die Uhren anders als in Cancun (UTC +6). Die Unterschiede zwischen dem Ballermann Mexikos und einer der größten Maya-Stätten der Halbinsel Yucatán scheinen auf den ersten Blick auch hauptsächlich in der Uhrzeit zu bestehen. Am Eingang herrscht Gedränge, der Parkplatz quillt über vor Bussen. Mein inneres Auge überflutet mich mit Ameisenhaufen, Bienenstöcken und anderen Wimmelbildern.
Die Menschenmassen, die sich in der Mittagshitze durch die Tempel- und Pyramiden-Ruinen schieben, sind in der Tat beachtlich. Durch die touristische Entwicklung von Yucatán ist Chichén Itzá nach Teotihuacán die meistbesuchte archäologische Stätte Mexikos. Normale Härte also, alle haben sich drauf eingestellt, dass hier was zu sehen und zu holen ist. Kunsthandwerks- und Souvenirhändler säumen die staubigen Wege mit ihren bunten Waren. Lauter sein als der Nachbar. Schriller, geschäftstüchtiger.
Die Händler geben sich redlich Mühe. Ich bin ein lausiger Souvenirjäger mit schlechtem Gewissen. Sollte ich nicht Ethno-Kitsch kaufen wollen? Die lokale Wirtschaft ankurbeln und so? Ich mag nach wie vor lieber Erinnerungen sammeln als Deko-Dinge. Ging mir ja in Prag und Marokko schon ähnlich.
Ein Wassereis später beginne ich langsam die Umgebung wahrzunehmen, die im 8.- 11. Jahrhundert eine zentrale Bedeutung für die Mayas hatte. Heute, genauer seit 1998, gehört sie zum UNESCO-Weltkulturerbe. Bewundere den Tempel des großen Opfertisches, den großen Ballspielplatz, die Halle der 1000 Säulen, die große Plattform und…. Bis die Hitze den Mann und mich endgültig in die Knie zwingt und wir in den nächsten ADO-Bus klettern. Genug Disneyland fürs Erstes warten noch weitere Mayastätten auf uns, die „anders“ zu sein versprechen. Was das bedeutet, werden wir sehen. Doch nun auf nach Mérida.
Mérida im Sonntagsstaat
Die Hauptstadt Yucatáns liegt 120 Kilometer westlich der Ruinenstätte Chichén Itzá. Als wir am frühen Abend ankommen, wirkt alles ruhig. Die Läden geschlossen, die Straßen leer, von den rund 800.000 Einwohnern sehen wir ganze zwei an einer Ecke der Calle 63 stehen und rauchen. Wir nähern uns dem historischen Zentrum, der Kathedrale und dem Zocálo. Landen im Doralba Inn. Es liegt zentral, hat einen Pool und ist mit ausgeblichenen Postern mit Motiven von Frida Kahlo gepflastert. Mexikos Nationalheilige dominiert auch hier. Eine schöne Überraschung, auch ich liebe ihre starke Bildsprache. Wie sie dem Schmerz getrotzt und dem Leben sein Maximum abgerungen hat.
Nach der Busfahrt ist ein Spaziergang durch das Zentrum der Hauptstadt des Staates Yucatán das einzig Wahre. Die Gitterstruktur der Straßen hilft bei der Orientierung. Auf dem Weg durch die sonntägliche Stadt, die auch als Tor zur Welt der Mayas bezeichnet wird, begegnet unsere Zweier-Reisegruppe an diesem Tag weiteren Nationalheiligen Mexikos. Den Caifanes. Die haben, wie sich das für Alt-Rocker gehört, auch schon ein wenig Patina angesetzt, sind aber noch quicklebendig.
Die Straßen um den Zócalo herum sind weiträumig abgesperrt. Die Menschen stehen sich die Beine in die Bäuche. Winden sich geduldig in endlosen Stop-and-go-Schlangen um den Eingangsbereich zur Bühne. Diejenigen, die schon drinnen sind, flippen schier aus, restlos alle singen mit, zu 100% textsicher. Ergriffen gegrölt wird in der Muttersprache. Denn die Caifanes gelten auch als Hauptvertreter des Rock en español. In Mexiko gibt es, scheint’s, keine zwei Meinungen über diese gefühlvoll rockige Musik.
Am anderen Tag geht die Entdeckungstour weiter. Unweit der Cathedral de San Ildefonso erwischen wir einen Bus El Gran Museo del Mundo Maya, Mérida. Super-Tipp: das Museum ist Montags geöffnet. Die Architektur ist an einen für die Maya-Kultur symbolisch bedeutenden Baum angelehnt. Das Treppenhaus, das die Ausstellungsebenen verbindet, bildet den Stamm. Das Astwerk der „Baumkrone“ den kuppelartigen Umlauf. Auf „Wurzelebene“, Parkhaus und Verwaltung. Über 1.000 Exponate und Artefakte von Textilien über Skulpturen bis hin zu historischen und religiösen Elementen geben einen intensiven Einblick in die Kultur der Mayas. Unbedingt anschauen!
Der Paseo de Montejo, die große Prachtstraße im Norden der Stadt, zeugt vom Reichtum der Stadt im 19. Jahrhundert. Ähnlichkeiten mit dem Champs Élysées in Paris und dem Paseo de la Reforma in Mexiko-Stadt sind durchaus gewollt. Der schönste Ort zum Flanieren und Villen gucken. Dass man mit Flachs ein Vermögen machen konnte, und zwar ein ordentliches, erleben wir in der Quinta Montes Molina .Die kann man nämlich besichtigen. Allerdings nur geführt und zu bestimmten Zeiten, doch wir haben Glück und können uns gleich einer kleinen Gruppe anschließend.
Campeche | alte Befestigungsanlagen und anderer Beton
Nach zweieinhalb Tagen geht es weiter nach San Francisco de Campeche. So lautet nämlich der offizielle Name der Hauptstadt des Bundesstaates Campeche. Hier breche ich mir beim Bewundern der Häuserfassaden fast den Allerwertesten. Denn in Mexiko können sie alles. Außer Bürgersteige. Und so verschwinde ich bereits beim ersten Spaziergang vom Hotel Campeche Plaza Richtung Strandpromenade mit dem linken Bein bis zum Knie in einem tiefen Loch. Es war als solches nicht zu erkennen, hatte sich als stabile Betonplatte getarnt. Groß der Schreck, doch eine halbe Flasche Jod und zwei Bier später – eins zum Kühlen, eins zum Trinken – zum Glück nur noch halb so wild.
Obwohl direkt am Golf von Mexiko gelegen, kann man den Bikini auch mal im Hotel lassen. Die Strandpromenade ist zubetoniert und nicht wirklich beachy. Schöne Strände finden sich erst wieder im Osten Campeches. Die Straßen der Innenstadt, auch hier ordentlich in Gitterform gerastert und durchnummeriert, der historische Stadtkern um die Kathedrale und den Zócalo sind liebevoll restauriert. Böse Zungen könnten Nachwirkungen erfolgter Gentrifizierung ausmachen. Restaurants und Kneipen finden sich zusammengefasst in einer verkehrsberuhigten, für den Autoverkehr gesperrten Straße. Ein gastronomischer Zopf, wenn man so will.
Meine Highlight in Campeche? Der Botanische Garten gleich bei unserem Hotel. Klein aber fein ist der. Und wunderbar schattig auch in der Tagesmitte. Das Restaurant La Marzanga, die Mitarbeiterinnen wunderschön anzusehen und Yucatán Mayan Cuisine vom Feinsten. Rustikaler geht es auf dem örtlichen Markt zu. Dieser liegt gleich außerhalb der alten Stadtmauern mit ihren berühmten Befestigungsanlagen. Hier schmeckt es deftiger und fettiger, aber zum Ausgleich gibt es aromatischstes Obst in Hülle und Fülle. Ich weiß, ich komme wieder. Die Gegend und der Spirit mexikanischer Städte hat es mir angetan. Und Küste kann ich immer. Doch nun geht die Reise weiter.
In Teil 2 geht’s in den Dschungel. Nach Palenque, wo es neben spektakulären Maya-Ruinen auch besondere Pilz-Omeletts gibt. Was wir da gefrühstückt haben und wie es anschließend auf der Ostseite der Halbinsel Yucátan weitergeht, unter anderem in Chetumal und Tulum, lest ihr in der Fortsetzung des Berichts über diese 14-tägige Rundreise um einige der schönsten Ecken Mexikos.
Möchtest Du weiterlesen? Hier geht es lang:
- Roadtrip. Von Palenque nach Tulum im Bus
- Isla Holbox – Ein bedrohtes Paradies
- Mexiko-Stadt: Zwei Tage mit dem Koloss
- Fotoparade. Lieblingsfotos aus Mexiko
- Amerika Reiseberichte
Service für Yucatán
Von A nach B auf der Halbinsel Yucatán. Von Cancun aus sind es knapp 200km nach Chichén Itzá. Mit dem Auto sind das knapp 2,5 Stunden Fahrt, mit dem Bus müsst ihr fast das Doppelte an Zeit einplanen. Solltet ihr vorher auch auf Isla Holbox gewesen sein, dauert es wegen des Umwegs über Vallodolid sogar noch länger. Dafür sind ADO Busse (die größte staatliche Anbieter von Überlandbussen) äußert günstig und komfortabel. Wer sich nicht erst ein Mietwagen leihen möchte und über solide Spanische Grundkenntnisse verfügt, kann für eine längere Fahrt auch einen Preis mit einem Taxifahrer aushandeln.
Chichén Itzá bietet sich als Sehenswürdigkeit,auf der Durchreise an. Es gibt eine tolle, sichere und günstige Gepäckaufbewahrung. Abgerechnet wird nach Größe und Gewicht.
Voll ist es in Chichén immer. Aber wenn ihr es zeitlich einrichten könnt: Fahrt nicht am Sonntag oder zur Mittagszeit hin. Die umliegenden Hotels sind sicher praktisch, aber haben den Charme von Massenabfertigung und sind voller Großgruppen. Individualreisende könnten sich in dem Trubel etwas verloren fühlen und lieber woanders nächtigen wollen.
Von Chichen nach Mérida sind es ungefähr 120 km, je nachdem, ob ihr einen Express-Bus erwischt oder die langsame Variante, dauert das zwischen 2 und 3 Stunden.
In Mérida: Das Museo Gran Mundo Maya liegt ein wenig außerhalb des Stadtzentrums, ist aber mit einem der öffentlichen Stadtbusse direkt zu erreichen.
Dienstags geschlossen! Also perfekt für alle, die an einem Montag in der Stadt sind und überhaupt ein Muss für den Besuch in Mérida.
Super spannend auch die „Villa Béatriz“, wie die Quinta Montes Molina am Paseo Montejo auch genannt wird. Termine für die Führungen auf der Website.
Auch zwischen Mérida und Campeche liegen 200km. Tickets kauft ihr am besten an der ADO Station direkt, die Website ist häufig überlastet und die Online-Buchungsfunktion hakt. Ihr wollt vor Anreise schonmal einen Blick auf Campeche werfen? Dann schaut doch mal bei Webcampeche, der offiziellen Internetpräsenz der Stadt. Stadtpläne gibts am Infostand im Herzen des Zócalo, gleich bei der Kathedrale.