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Neapel am Fuße des Vesuvs.
Neapel am Fuße des Vesuvs.

Neapel, warum nur Neapel?

Wo lässt sich in Neapel der prächtigste Sonnenuntergang bestaunen? Von wo zeigt der Vesuv sein schönstes Gesicht? Was kann ich am frühen Morgen in Neapel erleben? Wo gibt es den besten Caffe Napoletano? Hier findest Du Antworten auf existentielle Fragen.
Inhalt

Ist Neapel die schönste Stadt Italiens?

Ich werde ziemlich häufig gefragt: was ist für dich die schönste Stadt in Italien? Was für eine Frage. Ich kann die nicht beantworten. Italien schmücken so viele außergewöhnlich schöne und reizende Städte. Da fällt nicht nur die Auswahl schwer! Ich kann mich wirklich für keine entscheiden. Jede hat größte Vorzüge. Natürlich gibt sich kein neugieriger Mensch mit einer ausweichenden Antwort zufrieden.

Also wird nachgehakt. Und wo möchtest Du wohnen in Italien? Da kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: In Neapel! Diese Antwort führt zu Schweißausbrüchen und lässt den Atem stocken: In Neapel? Wieso denn bloß Neapel? Das ist doch diese Stadt voll Chaos, Camorra und brennendem Müll. Wie lässt es sich denn dort leben?

Neapel und der Vesuv

Die Verwirrung, in die Menschen stürzen, wenn sie hören, dass ich es toll fände in Neapel der Hauptstadt Kampaniens zu wohnen, führt zu komplizierten Erläuterungen dieser Sehnsucht meinerseits. Was macht Neapel für mich so faszinierend? Warum fahre ich immer wieder hin? Wo kommt meine Neapel Sehnsucht her? Die Antwort ist banal. Es sind die kleinen, die alltäglichen Dinge.

Der Anblick des Vesuvs zum Beispiel. Neapel liegt mal ganz einfach landschaftlich unübertroffen schön. Im Süden die Halbinsel von Sorrent, davor ragt der Vesuv in den Himmel. Im Westen hat sich Capri, die Schöne, kurvenreich ins Mittelmeer gebettet. Im Norden greifen die flachen Hügel des Posillipo um den Golf. Dahinter lodern die Vulkane der Brennenden Felder. Im fernen Dunst zeichnet sich der Umriss der Insel Ischia. Eine so vielgestaltige, abwechslungsreiche und ja liebliche Landschaft wie am Golf von Neapel, wo gibt es die ein zweites Mal? Richtig: nur im nirgendwo!

Der Vesuv von Neapel aus gesehen.
Der Vesuv, vom Ufer Sant Lucia aus gesehen.

Die Riveria Santa Luccia

Klar, es gibt diese schreckliche Betonierung der Städte und der Küste aus den vergangenen Jahrzehnten. Klar, das Müllproblem ist nicht wegzudiskutieren. Aber ich finde in Neapel immer wieder Orte, an denen ich die Putzfrauenperspektive abschütteln kann und einfach nur genieße.

Am Ufer von Santa Lucia zum Beispiel. Das ist so ein Ort, da werden sogar waschechte Neapolitaner der 12. Generation auf Englisch angesprochen. Die Kellner der Cafés und Restaurants können sich einfach nicht vorstellen, dass andere Menschen außer jener der Gattung Tourist diese Halbinsel betreten.

Dabei ist es hier so schön! Rund um das Castel dell’ Ovo wurde im 19. Jahrhundert eine kleine Landzunge aufgeschüttet, um den Fischern und ihren Booten direkt an der Küste ein Zuhause zu bieten. Das hat städtebaulich nie funktioniert. Kein Neapolitaner wollte in diesem Fischer-Ghetto wohnen. Nun gibt es dort einen Yachthafen mit einem tollen Blick auf Boote, das Meer und den Berg. Himmlisch!

Das Castel San Elmo in Neapel.
Gärten der Certosa di San Martino oberhalb von Neapel. Im Hindergrund Vesuv und die Halbinsel von Sorrent.

Sonnenuntergang auf dem Vomero

Und tatsächlich auch von oben betrachtet ist der Golf von Neapel unglaublich schön. Ich versäume es bei keinem Besuch in Neapel mit der Funicolare den Vomero hinauf zu fahren. Nach einem kurzen Spaziergang stehe ich vor den Toren der Certosa di San Martino. Dahinter verbirgt sich ein sensationelles Panorama auf den Golf und auf die Stadt.

Gerade kurz vor Dämmerung ist es im Garten der Certosa di San Martino wunderschön. Ich sitze ganz entspannt auf einem Mäuerchen und warte auf das Schauspiel des Sonnenuntergangs. Vor mir das Meer. In der Ferne die Silhouette der Insel Capri. Wenn ich den Kopf nach links drehe, dann schaue ich auf den Vesuv. Wenn ich mich nach rechts beuge, sehe ich die Hügel des Posillipo.

Blick von der Certosa San Martino auf den Vesuv.
Sonnenuntergang über dem Golf von Neapel
Totenkopf in der Certosa San Martino in Neapel.
Ein Totenkopf mit Lorbeer vom Friedhof der Certosa.

Der Vorhang hebt sich langsam. Der Himmel verwandelt sich in ein gelb, orange, rot, violettes Flammenmeer. Der Golf von Neapel verfestigt sich zu einer spiegelnden schwarzen Fläche, auf der die leuchtende Küste und die Inseln wie Wolken schweben. Kurz bevor die Sonne ganz untergeht, lässt sie die Hügelkuppen des Posillipo in Goldglanz erstrahlen. Immer schmaler wird dieses Leuchten, bis nur noch eine Linie fein wie Engelhaar die Hügelkuppen umspielt. Dann ist es Dunkel.

Schließzeit. Aus dem Klostergarten kommen zwei Custoden von ihrer letzten Runde und treiben die Besucher dem Ausgang zu. Im Gefolge der beiden scharwenzeln zwei Katzen. “Chiudiamo” sagt der Custode zu mir. Ein schwarzes Kätzchen schnurrt um meine Beine. Ich frage, ob ich noch ein bisschen hier sitzen kann? Ich kann.

Blick auf Capri.
Blick auf Capri in der Abenddämmerung

Es entwickelt sich ein kurzes Gespräch über die Katze, dann fragt er, warum bist Du hier? “Ich mache Urlaub” antworte ich. “Ich fahre nicht gerne in den Urlaub“, sagt er, “denn im Urlaub muss ich auf all das hier verzichten. Den Ausblick, die Weite der Landschaft, das Licht.“ Er seufzt: “Das halte ich keine zwei Wochen aus.“

Ein magischer Ort: Das Grab des Vergil

Ja, die Abenddämmerung über dem Golf von Neapel ist so schön, da möchte manch einer lieber immer arbeiten, als auch mal Urlaub machen. Neapel besitzt auch bezaubernde Plätze für den Vormittag. Das Grab des Vergil ist so ein Platz.

Das Grab des Vergil am Posilip.
Das Grab des Vergil am frühen Morgen.

In den Morgenstunden ist die Tomba di Virgilio ein magischer Ort. Das Grab findet sich an den Hängen des Posillipo in einem kleinen, erstaunlich sorgfältig gepflegten Park, oberhalb eines antiken Tunnels Richtung Pozzuoli. Es behauptet seine stille Größe eingekeilt zwischen Bahngleisen und Neubauten. Am Morgen fällt die Sonne gleisend in den Innenraum. Das ist eine fantastische Stimmung, um die Gedanken in großen Bögen schweifen zu lassen.

Zum Beispiel darüber:

  • dass ich über das Leben des Dichters Vergil viel zu wenig weiß
  • dass ich den von ihm geschriebenen Gründungsmythos der Stadt Rom nur vom Hörensagen kenne
  • dass es sich beim Grab des Vergil eigentlich um das Grab einer römischen Familie aus dem 1. Jahrhundert handelt
  • dass aber schon Petrarca hier den römischen Dichterfürsten verehrte
  • dass hier ein wilder Lorbeerb wächst, der schon dem doppelgesichtigen Gott Janus, dem Gott des Anfangs und des Endes, heilig war
  • und, und, und …

Ein herrlicher Blick auf den Vesuv lässt sich vom Grab des Vergil selbstredend auch genießen.

Castel del Ovo in Neapel.
Castel dell‘ Ovo vor dem Pizzofalcone. Im Hintergrund der Vesuv.

Vergil, der Zauberer

Vor dem Vulkan dümpelt Castel dell Ovo, das Eier-Kastell, wie ein unförmiger Tanker auf Reede. Wie kommen ein Ei und ein Kastell zusammen? Vergil war’s! Der hat sich im 13. Jahrhundert in neapolitanischen Legenden vom Dichter zum mächtigen Zauberer verwandelt. Er war in der Lage in die dicken Burgmauern ein fragiles Ei zu versenken. So lange das Ei dem enormen Druck der schweren Mauern standhält, so lange wird die Stadt Neapel bestehen.

Auch der mächtige antike Tunnel, an dessen Eingang das Grab steht, ist dem Magier Vergil zu verdanken. Eine einzige Zauberformel! Und dieses Wunderwerk der antiken Technik war aus dem Felsen gelöst. Das war auch ein bisschen unheimlich. Deswegen wurde dieser heidnische und magische Ort mit einer kleinen Kapelle ergänzt. Kann ja nicht schaden.

Das Grab von Vergil in Neapel
Das Grab von Vergil in Neapel

Am Grab des Vergils überdeckt so eine Schicht die andere. Hier vergären Felsen, Geschichte, Mythos und Legenden zum kulturellen Humus, auf dem Neapel, Italien und Europa wachsen. Sind es die gefährlich inspirierende Faulgase dieser Vergärung am historischen Ort, die mir den Verstand benebeln und mich zu diesem Lobgesang motivieren? Oder brauche ich für einen klaren Kopf einfach nur ein kleines Frühstück und einen echten Caffe napoletano?

Echter Caffe Napoletano an der Piazza dei Martiri

Ich trinke meine Caffe am liebsten auf der Piazza dei Martiri ganz nah an der Riveria di Chiaia. Mitten auf dem Platz ragt eine schlanke Säule in den Himmel gekrönt von einer jugendlichen, geflügelten Gestalt, die ein Schwert und einem Loorbeerkranz in die Höhe reckt. Es ist die Tapferkeit der Märtyrer.

Die Tapferkeit der Märtyrer von Emanuele Caggiano.
Die Tapferkeit der Märtyrer von Emanuele Caggiano

Vier ziemlich theatralischen Löwen bewachen den Sockel der Säule. Sie erinnern an die Tapferkeit der Menschen, die während der Kämpfe der vier neapolitanischen Revolutionen zwischen 1799 und 1860 für ihre Ideale gestorben sind.

Löwe auf der Piazza dei Martiri in Neapel.
Löwe für die Gefallenen der Revolution Garibaldis von 1860 auf der Piazza dei Martiri

Die Bar am Platz ist La Gran Caffettiera. Ein großzügiger, gediegener Gastraum. Schwarzer Steinfussboden, Wände mit edlem, dunklem Holz getäfelt, Vitrinen voller sündiger Köstlichkeiten und eine einladende Bar. Die Wände und die Decke hängen voll mit einer Sammlung historischer Kaffeemaschinen, die den technischen Fortschritt des Kaffeebrühens dokumentieren.

Süße Sünden haben einen Namen: Graffa

In der Caffettiera tragen die Männer hinter der Bar makellose schwarze Anzüge und blütenweiße, gesteifte Hemden. Nachlässig gekleideten Gäste treten ein und begrüßen die Barmänner ehrfürchtig mit „Direttore“ oder „Professore“. Die Barista fragen im Scherz nach, wer denn „Direttore“ sei. Sie werfen die Worte wie Ping Pong Bälle über den Köpfen ihrer Gäste hin und her und freuen sich daran, dass ihre Arbeit akademische Anerkennung findet. So ist das in Neapel: jede Arbeit hat Würde und adelt ihren Besitzer!

Italienischer Krapfen.
Die Graffa, der Krapfen. Das neapolitanische Frühstück!

Ich bestelle einen Caffe und eine Graffa, einen in Öl ausgebackenen Teigkringel mit feinstem Rieselzucker bestreut. Schon liegt der schmackhafte Krapfen verführerisch vor mir auf dem Teller. Meine Vorfreude wird nur ganz kurz von einem klitzekleinen schlechten Gewissen unterbrochen: Morgen wieder ein vernünftiges Frühstück! Dann der erste Bissen. Die hauchdünne Kruste ist noch kross. Innen ist der Kringel luftig, weich und etwas feucht. Der Zucker knirscht zwischen den Zähnen und der Geschmack von frischer Hefe und aromatischer Limone füllt meinen Mund. Was für ein Frühstück!

Die Graffa ist verputzt und schon kommt der Espresso. Der Caffe ist perfekt. Er wird in einer vorgewärmten Tasse serviert. So muss es sein. Ich trinke Caffe amaro, ohne Zucker. Bitter, scharf, verbrannt sollte mein Caffe also nicht schmecken. Dieser Espresso zeigt, was ein richtig gut zubereiteter Caffe so alles kann. Er schmeckt ein wenig wie Lakritz und wie ganz dunkle Schokolade. Beglückt von dieser Piccola Collazione, erwacht in mir der Tatendrang. Was mache ich mit dem noch ganz und gar frischen Tag? Soll ich nach Capri fahren, zur Kurvenreichen?

Hinweisschild nach Capri.
Wegweiser nach Capri.

So ist das immer in Neapel. Ich will den ganz großen Bogen schlagen und stolpere von Hölzken zu Stöcksken. Aber immerhin habe ich von Orten, Ausblicken, Süßspeisen und Gedanken in und aus Neapel erzählt, die bei mir die Sehnsucht wecken: da will ich sein und leben. Wenn ich das nächste Mal über Neapel schreibe, berichte ich von dem Geheimnis der Sfolgliatella, den zauberhaften Straßennamen in der Altstadt Neapels, dem Flussgott Nil und vielen anderen geheimnisvollen Dingen, die Neapel unglaublich interessant machen.

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Reisetipps für Neapel:

Die Certosa San Martino auf dem Vomero erreichst Du am besten mit der Funicolare Centrale. Los geht es auf der Via Toledo. Endstation ist an der Piazza Fuga. Von dort aus ist es noch ein kurzer Spaziergang zu Certosa. Alternativ kannst Du auch mit der Metro Linie 2 bis zur Piazza Vanvitelli fahren. Von dort ist der Weg allerdings ein bisschen länger. Tickets für die Funicolare oder die Metro kaufst Du am besten an einem Kiosk oder im Tabakladen. In den Stationen gibt es aber auch Ticket-Automaten.

Zum Grab des Vergil gelangst Du am besten mit dem Bus. Ich fahre gerne mit dem 140. Die Haltestelle ist direkt an der Galeria Umberto, gegenüber des Teatro di San Carlo. Nach einer guten Viertelstunde steigst Du an der Piazza Sannazaro aus. Von dort sind es noch einmal 5 Minuten zu Fuss.

Zur Piazza dei Martiri gehe ich vom Grab des Vergil am liebsten zu Fuss. Direkt an der Küste, entlang der Rivieria di Chiaia oder durch die Villa Communale. Das ist ein schöner Spaziergang, der nur 30 Minuten dauert mit herrlichen Ausblicken auf den Golf von Neapel. Lohnt sich!

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