Padua – Die Stadt Galileo Galileis
Padua das ist eine Stadt in Italien, von der hat fast jeder schon einmal gehört. Denn der berühmte Galileo Galilei hat an der Universität von Padua viele Jahre Mathematik gelehrt. Und zwar so lange, bis es seinen werten Professoren Kollegen zu bunt wurde mit all den neumodischen Theorien über Monde und die Erdbewegung, dass sie ihn kurzerhand bei der Inquisition verpetzten. Wilhelm Busch hat dem berühmtesten Heiligen vor Ort, dem heiligen Antonius von Padua, eine spöttische Bildergeschichte an die Kutte geflickt. Außerdem pilgern Kunstliebhaber nach Padua, um Giottos bahnbrechenden Meisterwerke in der berühmten Scrovegni Kapelle zu bewundern.
Padua liegt in der norditalienischen Region Veneto, knapp 40 Kilometer von dem weltberühmten und überlaufenen Venedig entfernt. Aber der Kontrast könnte größer nicht sein. Denn während das einst stolze Venedig im touristischen Zeitalter zu einem grotesken Massenbums erniedrigt wurde, hat sich Padua die Identität einer gediegenen und ehrwürdigen Universitätsstadt bewahrt.
Darüberhinaus ist das Zentrum von Padua verkehrsberuhigt und eine herrliche Oase für Fußgänger und Flaneure. Den deutschen Verkehrspolitikern wäre eine Reise nach Padua dringend anzuraten. Dort sollten sie erkunden, wie Innenstädte ohne mörderischen Verkehr bestens funktionieren und damit außerordentlich lebenswert werden. Kein Autolärm! Keine Abgase! Toll!
Es gibt also viel zu entdecken in Padua. Dennoch planen Reisende für einen Besuch der Stadt häufig nur einen halben Tag ein, da sich die wichtigsten Sehenswürdigkeiten Paduas: die Scrovegni Kapelle, der mittelalterliche Gerichtspalast mit dem tollen Namen Palazzo della Ragione, die Universität und der Santo, also die Kirche des heiligen Antonius von Padua, innerhalb weniger Stunden bequem und etwas oberflächlich abklappern lassen. Doch wer nur wenige Stunden in Padua verweilt, der wird das Wichtigste vor Ort verpassen. Nämlich das berühmte italienische dolcefarniete und das typisch italienische Leben auf der Piazza.
Prosecco und Tramezzini – Dolcefarniete in Padua
Das Zentrum der mittelalterlichen Altstadt Paduas wird von großen Plätzen gebildet: der Piazza della Frutta, der Piazza delle Erbe und der Piazza della Signoria. Die Namen der beiden erstgenannten verraten, dass es sich um zwei Marktplätze handelt, auf denen seit altehrwürdigen Zeiten Lebensmittel verkauf werden. Das ist noch heute so. Vormittags sind die Plätze mit Marktbuden zugebaut.
Wie auf den meisten italienischen Märkten lässt sich auch in Padua von A wie Artischocke bis Z wie Zahnstocher fast alles für den Haushalt erwerben. Aber besonders verführerisch sind die appetitlich aufgeschichteten Pyramiden aus Käse und Würste, Aprikosen, Trauben und Tomaten und vielen Köstlichkeiten mehr. Alles Zutaten für die super leckeren Gerichte der Cucina Italiana.
Nach einem Bummel über den Markt solltest Du in einer Bar auf der Piazza della Frutta oder Piazza delle Erbe ausspannen und Dir ein Gläschen trockenen Prosecco mit einem saftigen Tramezzino gönnen. Das Tramezzino ist die italienische Variante des Sandwichs. In Padua werden sie häufig mit leckerer Porcetta und Thunfisch zubereitet. Meine absoluten Favoriten: Tonno e Cippoline (Thunfisch mit kleinen Silberzwiebel) oder Porcetta mit Zucchine (Schweinebraten mit Zucchini). Das ganze natürlich getoastet. Denn sonst ist ein Tramezzino eine etwas wabbelige Angelegenheit.
Das beste am Prosecco auf einer Piazza vor dem Palazzo della Ragione? Du kannst am Abend noch einen haben. Diesmal als Aperitif. Es ist erstaunlich, wie viele Menschen, Freunde, Familien, Studentencliquen sich Abends auf den Plätze treffen, um zu trinken, zu quasseln und ganz einfach das Leben zu genießen. Dieses herrliche Schauspiel solltest Du Dir bei einem Aufenthalt in Padua nicht entgehen lassen und genügend Zeit einplanen, um Dich am echten italienische Piazzagefühl zu berauschen.
Palazzo della Ragione und der Salone
Zwischen der Piazza delle Erbe und der Piazza della Frutta erhebt sich seit mehr als 800 Jahren der Palazzo della Ragione, der mittelalterliche Gerichtspalast von Padua. Die Idee dieses Bauwerks knüpft unverkennbar an die Funktion der antiken römischen Basilika an. Denn genauso wie in der römischen Basilika findet im Untergeschoss des Palazzo della Ragione ein Markt statt, während im Obergeschoss die Gerichte tagen konnten. Das Erstaunlichste des Palazzo della Ragione in Padua ist der große Saal im Obergeschoß. Über 80 Meter lang, fast 30 Meter breit und gut 25 Meter hoch ist dieser Salone. Eigentlich handelt es sich bei diesem ungewöhnlichen Innenraum eherum eine überdachte Piazza.
Absolut bewundernswert ist das hölzerne Dachgewölbe, welches den gewaltigen Saal überspannt. Es sieht so aus, als hätten die Baumeister einen riesigen Schiffsrumpf umgedreht und dann auf den Salone gesetzt. Deswegen liegt es auch nahe, davon auszugehen, dass Schiffsbauer, vielleicht aus den Werften Venedigs, dieses mächtige Wunderdach gezimmert haben. Allerdings weiß niemand das so genau.
Die Wände des Salone sind mit Freskomalereien geschmückt, welche die 12 Monate, die menschlichen Tätigkeiten während des Jahreslaufs und die dazugehörigen Sternzeichen darstellen. So wird den Bürgern der freien Kommune Padua in über 300 Bildern vorgeführt, in welche unabänderliche und starre Weltordnung sie eingefügt sind. Aufbegehren absolut nutzlos. Galileo hat es dennoch versucht und jedes Schulkind weiß, dass in das in erbitterten Konflikt mit der katholischen Kirche gebracht hat. Aber mit diesem Wagemut hat er die Türen zu einer modernen Welt aufgestoßen.
Das trojanische Pferd von Padua
Der Salone beherbergt nur wenige Dinge, dadrunter befindet sich ein sensationelles Pferd aus Holz. Dieses Pferd wurde Mitte des 15. Jahrhunderts geschnitzt und zwar, um es während Inszenierungen des Trojanischen Krieges auf dem Prato della Valle als das berühmte trojanische Pferd einzusetzen. Bekanntlich schlüpften aus diesem die listigen Griechen um die Stadt Troja zu erobern. Nur wenige konnten dem Inferno entgehen, in dem Troja nach der griechischen Eroberung unterging.
Der berühmteste Überlebende ist der Held Äneas, dessen Nachkommen später die Stadt Rom gründen sollten. Weniger bekannt ist, dass sich auch der Held Antenore aus Troja rettete. Antenore flüchtete bis nach Italien und dort entschloss er sich, die Stadt Padua zu gründen. Um 1300 wurde das Grab des legendären Stadtgründers bei Bauarbeiten wieder entdeckt. Sein mächtiger Sarkophag ist seitdem in der Nähe des Hauptsitzes der Universität von Padua, dem Palazzo Bo, als Denkmal aufgestellt. Verrückte Welt.
Palazzo Bo – Die Universität von Padua
2022 feiert die Universität von Padua 800 Jahre Geburtstag. Denn es war im Jahr 1222, dass sich Studenten und Professoren von Bologna aufmachten, um in Padua eine neue Universität zu gründen, an der frei von kirchlicher Bevormundung gelehrt werden konnte. Die Universität von Padua ist also keine kirchliche oder staatliche Gründung. Zu Beginn war die Universität sogar eine Art studentisches Kollektiv. Denn es waren die Studenten, die die Professoren wählten und bezahlten.
Wegen dieser außergewöhnlichen Freiheit der Lehre betrachten viele die Universität von Padua als die Wiege der wissenschaftlichen Revolution, der wir heute unsere Erkenntnisse über die Welt verdanken. Der berühmte Galileo Galilei machte in Padua bedeutende Entdeckungen im Feld der Mathematik, Physik und besonders der Astronomie, indem er ein selbstgebautes Fernrohr zur Himmelsbeobachtung einsetze. Der Mediziner Gian Battista Da Monte begründete gut 50 Jahre vor Galilei in Padua die klinische Medizin. Da Monte war der erste Arzt, der seine Studenten mit ins Krankenhaus nahm und an den Krankenbetten anschauliche Vorlesungen hielt. Wahrscheinlich war er auch an der Gründung des ersten botanischen Gartens der Welt in Padua beteiligt.
Besonders stolz ist Padua aber dass die Universität eine Goldenen Ehrenmedaille des italienischen Militärs erhalten hat, weil sich Studenten und Professoren während der Revolution des Jahres 1848, des 1. Weltkrieg und ganz besonders während des Faschismus und der deutschen Besatzung Italiens für die Freiheit Italiens engagierten. Ihnen wird in einem monumentalen Ehrenhof gedacht.
Elena Lucrezia Cornaro Piscopia
Da im Palazzo Bo täglicher Universitätsbetrieb herrscht, lässt sich das Gebäude nur während geführter Touren besichtigen. Diese lohnen sich durchaus. Denn neben repräsentativen Räumen und interessanten Erklärungen sind das Lehrpult Galileos und das erste anatomische Theater der Welt die Höhepunkte dieser Tour. Außerdem führt die Besichtigung des Palazzo Bo am Denkmal von Elena Lucrezia Cornaro Piscopia vorbei. Elena Cornaro aus einer einflussreichen venezianischen Familie ist die erster Frau, die einen Universitätsabschluss gemacht hat. Das war im Jahr 1678. Mehr als erschreckende 450 Jahre nach der Gründung der Universität von Padua!
In Präsenz an der Universität studieren, konnte Elena Cornaro allerdings nicht. Die außergewöhnlich reiche Familie Cornaro musste ihre exzellente Ausbildung durch Privatlehrer finanzieren. Am liebsten hätte Elena in Theologie promoviert, aber das wusste die Kirche zu verhindern. Denn mit ihrem Abschluss hätte Cornaro auch die kirchliche Lehrerlaubnis erhalten, das aber war undenkbar, hatte doch „die Frau in der Kirche zu schweigen“. Deswegen blieb Elena Cornaro nichts anderes übrig als über die aristotelische Logik zu promovieren. Was ihr laut Zeitzeugen auch mit größtem Erfolg gelang.
Elena Cornaro scheint dem weltlichen Leben nicht sehr zugeneigt gewesen zu sein. Sie war mit den Benediktinerinnen von Santa Giustina in Padua verbunden. Als sie 1684 nur sechs Jahre nach ihrer Promotion im Alter von 38 – wahrscheinlich an einer Tuberkulose starb – wurde sie in der Kirche Santa Giustina vor dem Grab des Evangelisten Lukas beigesetzt.
Santa Giustina und der heilige Lukas
Die Kirche Santa Giustina ist eine der größten Kirchen der Welt. Der Renaissancebau aus dem 16. Jahrhundert wurde am Rand der historischen Altstadt Paduas errichtet. Die Kirche Santa Giustina blieb unvollendet, eine Fassade wurde nie gebaut. Deswegen sieht die Kirche von außen auch ziemlich nüchtern aus. Aber die vielen Kuppeln wecken dann doch die Aufmerksamkeit des Betrachters. Der gewaltige Innenraum ist übrigens ganz deutlich von der Architektur Andrea Paladios inspiriert.
Giustina ist die Schutzpatronin Paduas. Außerhalb der Stadtgrenzen kenne sie allerdings nur wenige. Während der Christenverfolgung unter dem römischen Kaiser Diokletian soll sie ihr Martyrium erlitten haben, weil sie sich weigerte, heidnischen Göttern zu opfern und ihre Jungfräulichkeit aufzugeben. Ihren Tod fand sie im römischen Amphitheater, das sich ursprünglich an der Stelle des ovalen Prato della Valle befand. Dort entstand kurz nach ihrem Tod eine erste, kleine Kirche.
Die Legende des Martyriums Giustinas erinnert sehr an das Martyrium des heiligen Petrus in Rom. Auch Petrus fand in einer römischen Arena den Tod, auch ihm wurde in der Nähe dieser Arena ein Gedenkort geweiht über der später der Petersdom errichtet wurde.
Verwunderlich ist, dass in Padua die Bedeutung der Lokalheiligen Giustina die des weltbekannten Evangelisten Lukas überstrahlt. Lukas ist ja nicht nur der Verfasser der Weihnachtsgeschichte: „Und es begab sich aber zu der Zeit als ein Gebot vom Kaiser Augustus ausging …“ kennt doch jeder. Er ist auch der erste Maler, der die Mutter Maria und das Christuskind gemalt hat. Das begab sich auf dem Sinai. Denn dort soll die Mutter Maria dem Evangelisten erschienen sein und ihn aufgefordert haben, sie und das Christuskind zu porträtieren. Mit diesem Porträt beginnt die Geschichte vom Supermodel Maria als meist dargestellte Frau in der europäischen Kunst.
3 einzigartige Orte in Padua
Verglichen mit der Verehrung die dem Evangelisten Markus in Venedig zuteil wird, scheint Lukas in Padua sogar ein eher unbedeutender Heiliger zu sein. Das mag daran liegen, dass bis in unsere Tage Wissenschaftler versuchen, die Echtheit der Gebeine des Lukas in Padua zu beweisen. Vielleicht waren die Venezianer aber einfach geschickter als die Padovani in der Vermarktung ihres bedeutenden Heiligen.
Dennoch gibt es Orte, von denen die Bürger Paduas annehmen, sie seien einzigartig in der ganzen weiten Welt. Das sind:
- Eine Kirche ohne Namen: der Santo, also die Kirche des heiligen Antonius
- Ein Caffè ohne Türen: Das ist das Caffè Pedrocchi das 24/7 geöffnet hat und seine Türen niemals schließt.
- Ein Rasen ohne Kräuter: der Prato della Valle, jener riesige ovale Platz am Rande der Altstadt, vor der Kirche Santa Giustina.
Über den Santo, das Caffè Pedrocchi, den botanischen Garten von Padua und die Scrovegni Kapelle werde ich in einem zweiten Teil dieses Spaziergang durch Padua berichten.
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Padua: Tipps und Tricks
- Padua ist ein ideale Standort für eine Reise durch Venetien. Mit der Bahn kannst Du zum Beispiel Venedig in 30 Minuten, Vicenza in 20 Minuten und Verona in knapp 60 Minuten erreichen. Auch Abano Terme, Arqua Petraca und Montegrotto lasse sich von Padua bequem mit Bahn oder Bus erreichen.
- Außerdem ist es toll, die Abende auf den Plätzen der Altstadt zu verbummeln.
- Die Eintrittspreise und Öffnungszeiten für den Palazzo della Ragione findest Du auf dieser Website
- Diese Website informiert über Termine und Kosten der geführten Touren durch den Palazzo Bo der Universität von Padua. Tickets können online oder direkt vor Ort erworben werden.
- Die Öffnungszeiten für Santa Giustina findest Du hier.
- Wenn Du mit Bus und Straßenbahn unterwegs sein möchtest, solltest Du die Padovacard kaufen. Denn mit der ist nicht nur öffentliche Nahverkehr in Padua zu nutzen, inbegriffen ist auch der Eintritt in viele Sehenswürdigkeiten Paduas wie die Scrovegni Kapelle oder den Palazzo della Ragione.