Die Welt der Concierges
Florian, du lebst und arbeitest in Kitzbühel, Deine Sprachmelodie klingt aber gar nicht österreichisch.
Geboren bin ich in Wiesbaden, aufgewachsen in Frankfurt. Meine Jugendzeit habe ich in den USA verbracht, meinen Schulabschluss an einer deutsch-amerikanischen Highschool gemacht. Wir sind echt viel umgezogen. Nach Washington D.C. brachte uns aber nicht die Diplomatie, sondern die Musik, denn mein Vater war im Auslandsschuldienst tätig. In Kitzbühel bin ich erst seit 2012.
Die Welt der Concierges ist so bunt und faszinierend, dass sich namhafte Kinoregisseure wie Wes Anderson sich ihrer annehmen. Auch Michael J. Fox durfte man schon in der Rolle des serviceorientierten Alles-Möglich-Machers erleben. Wie wird man eigentlich Chefconcierge?
(lacht) Ich muss zugeben, dass ich den einen Film nicht gesehen habe und der andere mich nicht so in den Bann zu ziehen vermochte. Meinen Fernseher habe ich bereits während der Ausbildung zum Hotelfachmann in Berlin Weißensee aus dem Zimmer geworfen. Ich fürchte, Wolkenkuckucksheim ist nichts für mich und fürs Kino bin ich verloren. Ich fühle mich beim passiven Zugucken einfach zu unproduktiv.
Ich erinnere mich. Dein Motto ist „Hard work beats talent“, das klingt in der Tat nicht nach viel Sitzfleisch… Richtig. Ich bin fasziniert davon, was wir Menschen aus uns selbst herausholen und erreichen können. Beim Crosstriathlon Training finde ich den besten Ansporn tatsächlich im Kampf gegen meinen inneren Gegner. Das motiviert mich total. Extremsportler wie Ueli Steck zum Beispiel, die 3.000 Klettermeter auf der Eiger Nordwand in 2Stunden und 20 Minuten zurücklegen, finde ich unendlich motivierend.
Ueli Steck New Speed Record Eiger 2015, *edit: Der Extrembergsteiger ist am 30. April 2017 verstorben.
Ja, das ist der pure Wahnsinn. Mir als Flachlandtiroler ging schon beim Anschauen des Videos der Puls über 165. Doch zurück zu Dir. Also, wie wird man Concierge?
Früher musste man sich hocharbeiten. Vom Doorman über Liftboy bis zur Rezeption. Heute kann man sich, den richtigen Ausbildungshintergrund vorausgesetzt, auch direkt bewerben. Oder man wird es wie ich – auf Umwegen und mehr oder minder durch Zufall.
Ich wollte zur Polizei, das war mein großer Traum, hat damals leider nicht geklappt. Für ein Medizinstudium war ich zu faul, für Englisch und Geschichte irgendwie auch (lacht). Tja, und auf einmal saß ich in der Berufsschule in Berlin Weißensee, wohnte in Schöneberg und arbeitete im Regent. Und mit dem Ende der Ausbildung habe ich dann eine Stelle in Berchtesgaden gefunden. Nach einem anfänglichen Kulturschock habe ich mich dann, ganz anders als in Berlin, keinen Tag mehr gelangweilt und tolle Abenteuer in den Bergen erlebt.
Die ganze Welt kommt zu Dir ins Kempinski „Das Tirol“. Wie hältst Du es selbst mit dem Reisen?
Dadurch, dass ich als Kind so oft umziehen musste, bin ich in Punkto Reisen ein echter Spätzünder. Als ich erstmals einfach so irgendwo hingefahren bin, war ich bereits 29 Jahre alt! Eine meiner ersten Reisen war ein Jahrestreffen von Les Clefs D’Or in Dubai. Weltweit sind über 4.500 Mitglieder hier organisiert. Wenn Du im Hotel einmal schaust, Du erkennst sie an dem Goldenen Schlüssel am Revers ihrer Uniform. Wir hatten schon Respekt vor Dubai. Ich habe mir jede Verhaltensregel durchgelesen, weil ich bloß keine Unannehmlichkeiten riskieren wollte.
Umso positiver waren meine Mitreisenden und ich überrascht, dass wir neben der bekannten staatlichen Strenge viel Herzlichkeit und Humor erleben durften. Beim Shisha-Rauchen eines Abends haben wir uns anscheinend so blöd angestellt, die arabische Familie am Nebentisch hat sich vor Lachen schier ausgeschüttet. Sie haben uns dann gezeigt, wie das richtig geht. Und bei einer Bootstour winkte uns eine voll verschleierte Frau vom Land aus zu und rief fröhlich „Welcome to Dubai!“, ihr Mann stand einfach dabei. Das sind Bilder, die ich habe ich auch im Kopf.
Du warst unlängst auf den Seychellen und auf Mauritius, ich bin immer noch grün vor Neid.
Awww, tut mir leid. Aber der Einladung des Milliardärs musste ich einfach folgen (wegduck). Im Ernst, ohne die Anregung eines Gastes wäre ich sicher noch nicht dort gewesen. Und klar, die Mitgliedschaft bei Les Clefs D’Or kostet, doch die Vorteile sind unbezahlbar. In Service through friendship. Der Sinn unserer Arbeit besteht darin, unseren Gästen das angenehmste Urlaubserlebnis zu bescheren. Dass wir uns hierbei auch gegenseitig helfen, ist wirklich wie im Film. Die Verbindungen, die zwischen den Concierge-Kollegen daraus entstehen, sind auch im Alltag stark.
Manche Leute steigen ja in Flugzeuge wie in Busse. Ich fliege so selten – auch wenn ich nach Berlin komme, dann immer mit dem Zug – für mich war das ein totales Aha-Erlebnis. Man legt in 10 Stunden 10.000 Kilometer zurück und landet auf einer Insel im Indischen Ozean. Verrückt. Die Atmosphäre auf der Insel war besonders. Die Leute haben wenig, doch begegnen einem auffallend friedlich, entspannt und freundlich. Da habe ich oft gedacht, dass die meisten Wohlstandsprobleme, die wir in Europa vor uns hertragen, echt hausgemacht sind.
Was ist Dein Traum, Florian? Wo zieht es Dich als nächstes hin?
Beruflich könnte mich in ferner Zukunft eine Zeit auf ner privaten Luxusyacht locken. Das Szenario wäre so absurd luxuriös wie es klingt, allerdings ist das eine Möglichkeit, die öfter existiert als wir denken. Es gibt so viele Yachten, die die meiste Zeit des Jahres in Häfen liegen oder ihren Besitzern auf den Weltmeeren entgegen segeln. Die gepflegt und betreut werden wollen. Man arbeitet im Schnitt 6-8 Monate und hat den Rest des Jahres bezahlt frei. Viel Zeit um die Entwicklung sinnvoller Geschäftsideen voranzutreiben. Doch Kitzbühel ist in jedem Fall schon toll zum Leben und Arbeiten. Die Natur, die tolle Luft, die Kollegen.
Eine Reise, die ich privat unbedingt machen möchte ist eine Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn. In 12 Tagen von Berlin über Moskau nach Peking. Dass das geht, finde ich mindestens genauso verrückt wie fliegen.
Florian, ich danke Dir herzlich für das interessante Gespräch und diesen faszinierenden Einblick in Deine Welt. Ich wünsche Dir weiterhin solche Freude am Entdecken und bin gespannt, in welchem Kontext wir in Zukunft von Dir hören werden.
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Service zum goldenen Schlüssel
Die Seite der Internationalen Vereinigung der Goldenen Schlüssel findet sich hier.
Für alle, die gerne Filme gucken:
Wes Andersons The Grand Budapest Hotel (2014)
Eine herrliche Komödie aus dem vergangenen Jahrtausend: Ein Concierge zum Verlieben, im Original „For Love or Money“ mit Michael J. Fox (1993)