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Foro Italico & Flaminio – Rom 1/3

Rom bewirbt sich für Olympia! Schon 1960 fanden olympische Sommerspiele in Rom statt. Für 1940 waren welche geplant. Wettkampfstätten entstanden auf dem Foro Italico und im Stadtviertel Flaminio. Beim Spaziergang entlang olympischer Sportarenen entdecke ich jüngste Vergangenheit und zeitgenössische Kunst.
Inhalt

Das Olympia Stadion am Foro Italico

“Wir wollen preisen die angriffslustige Bewegung, die fiebrige Schlaflosigkeit, den Laufschritt, den Salto mortale, die Ohrfeige und den Faustschlag.” Vibrierende, moralisch entfesselte männliche Körper, ein Fantasma aus dem Futuristischen Manifest von Tommaso Marinetti. Worte, die zu meinem Tag passen, denn heute besuche ich Sportplätze in Rom. Das Foro Italico mit dem Stadio dei Marmi.

Die Arenen sind trotz ihrer Bekanntheit echte Geheimtipps. In vielen Reiseführern werden diese Orte der körperlichen Ertüchtigung ganz einfach unterschlagen. Das Foro Italico liegt tatsächlich etwas ab vom Schuss, außerdem gibt es hier Kunst und Architektur aus der Zeit Mussolinis und des Faschismus. Das Forum ist eine Erinnerungslandschaft, in der bis heute  die Geschichte des italienischen Faschismus gedeutet und weiterentwickelt wird. Zum Beispiel durch den Umbau für die Olympischen Spiele 1960 und für die Fussballweltmeisterschaft 1990. Oder durch rechtsradikale Fußballspieler wie Paolo di Canio von Lazio Rom. Er hat das Wort Dux für Duce Benitto Mussolini auf den Oberarm tätowiert und begrüßte im Januar 2005 beim Derby gegen den AS Roma seine Fans mit ausgestrecktem Arm, dem faschistischen „römischen Gruß“.

Rom Foro Italico Viale delle Olimpiadi.

Fussball in Rom

Auf dem Foro Italico steht das Stadio Olympico. Spielstätte der Fussballclubs AS Roma und S.S. Lazio. Hier wirbelt das bescheidene römische Fussballdenkmal Franceso Totti, O-Ton: “Das Geheimnis meines Erfolgs? Vielleicht die Tatsache, dass ich gar nicht merke, wie gut ich bin“ (Süddeutsche Zeitung). Das Olympia Stadion ist der Arbeitsplatz von Miroslav Klose. Auch Rudi Völler hat seinen Stollenabdruck hinterlassen. In dieser Arena wurden deutsche Fussballer Welt- und Europameister. Viele Gründe mal genauer nachzuschauen.

An einem schönen Vormittag bin ich spontan zu Fuss von der Metro-Station Lepanto bis zum Foro Italico gelaufen. Ich gehe zügig über die Via Lepanto. An der Piazza Mazzini mache ich eine kleine Frühstückspause mit Tramezzini und Caffé. In der Nähe des Tibers stoßen Ausfahrten, Straßen und Zäune verwirrend wie ein Flickenteppich zusammen. Mich beschleicht das Gefühl von Peripherie mitten in der Stadt. In der Mitte der Kreuzungen ein Park mit einem absurd niedlichen und verführerischen Genius des Krieges. Der Künstler ist bestimmt kein Futurist gewesen!

Rom Bronze Skulptur des Genius des Krieges
Absurd: Genius des Krieges als süßlicher Knirps mit Lendenschurz
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Bemerkenwert: Peripherie mitten in der Stadt

Das Foro Italico

Dieser geflügelte Knabe ist die perfekte Einstimmung auf die krasse Mischung von Pomp, Kitsch und Sachlichkeit, die mir am Foro Italico begegnet. Künstler und Architekten Mussolinis haben hier für die Verherrlichung des faschistischen Superhelden gemeißelt und gemörtelt. Der Komplex diente erst als Trainingsstätte für die Opera Ballila, die paramilitärische Jugendorganisation der Faschisten. Später wurde er für die Olympischen Spiele 1940 ausgebaut, die wegen des 2. Weltkriegs dann nicht in Rom stattfanden. Wie wirkt diese monumentalen Anlage aus edelstem Carrara-Mamor heute?

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Basketball, Duce, Duce, Gewehre, Gymnastikübungen, Hockeyspieler, Hürdenlauf, Kanonen, Panzer, Propellermaschine, Skilanglauf, römischer Gruß, Tennismatch,  Truppentransporter, Viel Feind, Viel Ehr.

Ein Blick auf die Motive der schwarzweißen Bodenmosaike, die die Piazzale del’Impero bedecken, eröffnet mir eine verwirrte, vergangene Welt. Diese Bilder haben Moos und Staub angesetzt. Sie sind Plusquamperfekt: vollendete Vergangenheit. Die Kombination von fragilen Athletenkörpern mit schwerem Militärgerät wirkt auf mich in der heutigen Gegenwart von Fettleibigkeit, Ego-Shootern, Cyborgs und Drohnenkrieg völlig naiv. Ziemlich putzig ist die Begeisterung für Zeit, Präzision und Schnelligkeit hier symbolisiert durch eine mechanische Stoppuhr.

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Der Zahn der Zeit nagt am Foro Italico

Der ideologische Kontext mit faschistischen Gruß, Duce-Deklamationen und dämlichen Sinnsprüchen “Viel Feind, viel Ehr” ist natürlich widerlich. Aber mir scheinen diese schwachbrüstigen Bilder heute völlig sinnentleert. Neben mir starrt ein Familienvater auf diese Mosaike und versucht, deren Bedeutung für seine Kinder zu übersetzen. So richtig weiß er auch nicht, was er sagen soll. Also schnippen die Kleinen mit losgelösten Mosaiksteinchen hin und her. Intuitiv der richtige Umgang mit diesen Bilderleichen.

Vielleicht ist das eine zu blauäugige Perspektive. Vielleicht wirken diese Bilder ja doch noch. Denn über diese Mosaike maschieren regelmäßig die rechtsradikalen, gewaltbereiten Fans von Lazio Rom ins Olympia Stadion.  In Rom zeigen Neofaschisten auf einer Kundgebung der Lega Nord unbehelligt Bilder Benito Mussolinis und recken den rechten Arm zum römischen Gruß in die Luft.

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Ich staune über die Darstellung der Sportarten Tennis, Basketball und Hockey in fadem Schwarzweiß. Da hat sich jemand richtig große Mühe gegeben tausende kleine Steinchen auf dem Boden festzukleben. Doch die Bilder transportieren nichts von der Dynamik des Sports und dessen Emotion, die mich begeistert und mitfiebern lassen könnte.

Rom Foro Italico Mosaik auf der Piazze del'Impero
Mit Strohhut, gepunktetem Schal und perspektivisch verzogen wirkt dieser Hockeyspieler verwegen modern.
Rom Foro Italico Tennisspieler
Tennisspieler in Gestalt des Doryphoros von Polyklet. In der Hand hält er Bälle wie die goldenen Äpfel aus dem Garten der Hesperiden

Abgehalfterte Gladiatoren

Rund um das Stadio dei Marmi sind monumentale Sportlerfiguren aus weißem Marmor aufgereiht. Nackte Fleischberge, breite Schultern, Sixpacks wie Kraterlandschaften, Ärsche knallhart wie Gymnastikbälle und Fäuste mächtig wie ein Amboss. Ich finde das faszinierend und lustig zugleich.

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Das gibt es nicht, denke ich die ganze Zeit. Wer hat sich diese abgehalfterte Gladiatoren-Gang bloß ausgedacht? Alles an diesen Skulpturen ist ins Monumentale aufgeblasen. Wenn auch die Genitalien mitgewachsen wären, dann stände hier eine Armee gewaltiger, primitiver Sex-Maschinen. Was für ein absurdes, pornografisiertes Männerbild.

Schon die antiken griechischen Athleten haben sich leichtbekleidet, nur überzogen mit einem dünnen Film kostbarsten Olivenöls, in die Arena zum Wettkampf begeben. Die kannten auch noch keinen Wintersport. Im Stadio dei Marmi müssen aber auch die Skifahrer nackt antreten. Da sind doch Erkältungen programmiert! Ist das eigentlich vor 70 Jahren niemandem aufgefallen? Sollen diese Marmorgiganten auch für die olympischen Spiele 2024 die Kulisse liefern?

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Im Stadion lärmen spielende Kinder. Eltern schieben Buggies durch das Stadionrund. Bunt gekleidete Teenager sitzen auf den Mäuerchen, schreiben SMS oder unterhalten sich. Hunde gehen mit ihren Herrchen Gassi. Die steifen Gigantensportler Mussolinis sind unsichtbare Aliens an einem friedlichen und beschaulichen Wintermorgen in Rom.

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Das Quartiere Flaminio

Ich überquere den Tiber an der Ponte della Musica und komme in das Stadtviertel Flaminio. Ein modernes Stadtquartier, das sich nach dem 1. Weltkrieg vor den Toren Roms entwickelt. Die berühmte Konsularstraße Via Flaminia führt schnurgerade hindurch Richtung Norden direkt auf den Ponte Milvio. Entlang der Via Flaminia wurde für die Olympiade 1960 das olympische Dorf gebaut.

Der Palazzetto dello Sport

In Sichtweite der faschistischen Sportanlage für Superhelden am anderen Tiberufer entstanden im Quartiere Flaminio Sportstätten in menschlichem Format. Im Zentrum des Viertels schwebt der kreisrunde Palazzetto dello Sport. Er sieht aus wie eine fliegende Untertasse auf Stelzen. Mit dieser spektakulär leichten und zart rhythmisierten Kuppel-Architektur knüpfen der Architekt Annibale Vitelozzi und der begnadete Ingenieur Pier Luigi Nervi ganz mühelos technikbegeisterte Zukunftsfantasien und antike Tradition zusammen. Denn Rom ist eine Stadt der Kuppeln. Zwischen der antiken Kuppel des Pantheons und der gewaltigen Kuppel der Peterskirche wird Roms Stadtpanorama von unglaublich schönen Kuppeln geprägt.

Rom, Palazzetto dello Sport, Detail

Die flache Kuppel des Palazzetto dello Sport ist von der Kuppel des Pantheons inspiriert. Doch es gibt bedeutende Unterschiede. Die Kuppel des Pantheons lastet auf mächtigen Pfeilern. Das gewaltige Gewicht der größten Kuppel Roms wird über ein kompliziertes Geflecht von Stützbögen in den Boden abgeleitet. Nervis Beton-Kuppel des Palazzetto dello Sport besticht durch Leichtigkeit und den ökonomischen Einsatz von Material. Sie wird von einem filigranen Stützenwerk federleicht in die Höhe gehoben. Dieses Gewölbe demonstriert souverän die Überlegenheit der Moderne gegenüber der Antike: fortgeschrittene Technik und Materialkunde. Ganz nebenbei wird die kitschig nostalgische Antiken-Nachahmung der faschistischen Sportarchitektur als billiger Abklatsch entlarvt. So souverän kann Abgrenzung von der Vergangenheit aussehen, denke ich.

Rom, Palazzetto dello Sport, Detail

Im Quartiere Flaminio begann für Rom im Jahre 2000 die Zukunft. Der dynamische Bürgermeister Walter Veltroni verordnete der ewigen Stadt den Aufbruch in die Gegenwart, und zwar mit zeitgenössischer Kultur. Der Stadtteil Flaminio wurde zum Hotspot dieser Entwicklung. Die Stararchitektin Zara Hadid plante und errichtete das Maxxi, das Museo Nazionale delle Arti del XXI secolo, ein Museum für Kunst des 21 Jahrhunderts. Renzo Piano entwickelte das Konzert-Auditorium Parco della Musica.

Maxxi – Das Museum für Kunst des 21. Jahrhunderts in Rom

Das Maxxi ist für Rom wirklich ein ungewöhnliches Gebäude, denn es bezieht sich auf keinerlei lokale Bautradition. Es wirkt aber auch nicht wie eine auftrumpfende Landmark Architektur. Das Gebäude ist ein geradezu unerhört unabhängiger Akzent in der ewigen Stadt. Dennoch passt es sich irgendwie bescheiden in die umgebenden Häuser ein. Seine Formen wogen und drehen sich und bäumen sich zu einer Art Drachenkopf auf. Der Signatur Zara Hadids. Diese Architektur formt einen Vorplatz, der gestaltet, aber nicht hierarchisch inszeniert ist. Für mich ist das ein völlig neues Raumerlebnis in Rom. Die römischen Plätze sind entweder monumental beherrscht von Säulen, irgendetwas erstaunlich Altem und Kirchenkulissen, oder sie sind verwahrloste Stadtbrachen. Der Platz vor dem Maxxi ist gestalteter Freiraum. Er zwingt mich nicht in ein Verhältnis zu einer übermächtigen Institution. Das wirkt schon mal ziemlich entspannend.

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Das Maxxi in Rom, Museum der Künste des 21. Jahrhunderts mit Drachenkopf

Das Gebäude von Zara Hadid ist wirklich beeindruckend. Beton wird zu einem organischen und wertvollen Material. Rechte Winkel gibt es nicht. Räume steigen in gewaltige Höhe, riesige Säle verjüngen sich zu Korridoren, Böden steigen in sanften Schrägen an. Das Maxxi ist ein pulsierender Raumorganismus. Ich schreite und schwebe gerne hindurch und lasse mich von immer wieder neuen Raumeindrücken begeistern. Nur wie ein Museum sieht das Maxxi nicht aus. In diesen Räumen könnte sich auch ein elegantes Kaufhaus wohlfühlen oder eine kafkaeske Behörde, die sich in einem Science-Fiction-Movie damit befasst, den Alltag bedopter Menschlinge zu optimieren.

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Das Maxxi als Museum

Der Kunst tun diese fantastischen Räume nicht so gut. Behaupten können sich in den gewundenen Sälen nur brachiale Mega-Installationen. Bilder und Fotografien werden zu visuellen Briefmarken zermahlen. Und auch die Orientierung fällt mir schwer. Schnell fühle ich mich hilflos und ermattet. Auch die reizenden Museumsguards, wahnsinnig gut aussehende junge Männer und Frauen in schicken schwarzen Outfits, können mich nicht mehr motivieren weiterzugehen.

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Maxxi, Huang Yong Ping, Baton De Serpent, 2014

Ein Caffé und ein Snack im Museumsbistro muntern mich wieder auf. Ich stöbere noch etwas durch den Museumsshop und entdecke interessante Bücher zum Thema Architektur. Viel Lektüre, um meine Eindrücke des Tages zu vertiefen, denke ich. Bevor ich in einen Konsumrausch verfalle, flüchte ich zu einem weiteren Musentempel. Dem Auditorium Renzo Pianos. Als ich davor stehe, denke ich: Wie kommen drei bleiernen Käfer auf diesen Hügel. Vielleicht sind es aber auch drei Metallamöben, die ganz langsam aufeinanderzu diffundieren? Heute kann ich diese Frage nicht mehr klären. Ich steige in die Straßenbahnlinie 2 und fahre bis zur Porta del Popolo. Die ewige Stadt mit Antike und Barock hat mich wieder.

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Die drei Säle des Auditorium. Die Dächer haben die Form eines Skarabäus

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Service-Tipps

Wenn Dir Kaiser, Päpste und Imperatoren in Rom auf die Nerven gehen oder wenn Du keine Kirche und keinen barocken Palast mehr sehen möchtest, dann ist dieser Spaziergang garantiert das Richtige für Dich. Vier Stunden solltest Du für den Ausflug einplanen. Wenn Du das Museum Maxxi besichtigen möchtest, solltest Du diese Zeit zusätzlich einkalkulieren.

Ich habe einen etwas größeren Bogen von der Metro Station Lepanto (Rote Metro, Linie A) geschlagen. Du kannst aber schon an der Haltestelle Flaminio aussteigen und an der Endhaltestelle der Tram die Linie 2 Richtung Piazza Macini nehmen. Wenn Du an der Haltestelle Appolodoro aussteigst, erreichst Du alle Orte des Stadtspaziergangs bequem zu Fuß. Tickets für die Tram bekommst Du an Automaten, zum Beispiel in Metrohaltestellen oder in Tabakgeschäften.

Öffnugszeiten

Das Foro Italico ist in der Regel von Sonnenaufgang bis eine Stunde vor Sonnenuntergang geöffnet. Der Eingang zum Schwimm- und zum Tennisstadion befindet sich an der Viale delle Olimpiadi fast genau an der Ponte della Musica. Ein Durchgang zum Stadio dei Marmi ist nicht möglich. Den Eingang zum Stadio dei Marmi findest Du an der Piazza Lauro de Bossis. Einfach durch ein geöffnetes Tor schlüpfen.

Der Palazzetto dello Sport ist nur von außen zu besichtigen.

Die Öffnungszeiten des Maxxi findest Du auf der Museums-Website. Das Museum ist Montags geschlossen. Wenn Du Dich für die aktuelle Situation des Museums interessierst, dann ist dieser Artikel über den neuen Museumsdirektor lesenswert.

Das Auditorium Parco della Musica ist im Winter täglich von 11 – 18 Uhr und im Sommer von 11 – 20 Uhr geöffnet. An Feiertagen finden Führungen durch das Gebäude statt. Weitere Informationen findest Du auf der Website des Auditoriums.

Karte Foro Italico und Quartiere Flaminio

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