Die Wattolümpiade ist DIE Benefizveranstaltung im hohen Norden. Alle zwei Jahre feiern Schlicklustige sportliches Rummoddern im Elbwatt bei Brunsbüttel. Was da genau passiert und was sich hinter dem „schmutzigen Sport für eine saubere Sache“ verbirgt? Wir haben uns mal umgeschaut.
Als ich 2017 durch Dithmarschen toure und feststelle, dieser Teil Schleswig-Holsteins ist eine Insel, bin ich mir sicher. Nun habe ich wohl alle herrlich abseitigen, lokalpatriotisch spezifischen oder sonstwie schrägen Spektakel meiner alten Heimat entdeckt. Und jetzt dies:
Völker dieser Erde, schaut auf dieses Watt.
So schallt es mir von der Festtribüne her entgegen, als ich mir am Übergang zum Soesmenhusener Elbdeich den Stempel abhole und mich auf der dem Wasser zugewandten Seite ins Getümmel stürze. Hier, bei Brunsbüttel, liegt der Austragungsort der Wattolümpiade. Einer Benefizveranstaltung, die ihresgleichen sucht. Und die ich Spätmerker heute zum ersten Mal besuche.
Seit 2004 messen sich mutige Wattleten in Disziplinen wie Wattfußball, Watthandball, Wolliball und Schlickschlittenrennen. Zahlen Startgeld mit ihren Teams, um sich im weichen Elbschlick so richtig einmoddern zu dürfen. Richtig auf den Schirm bekommen habe ich die Veranstaltung vor gar nicht allzu langer Zeit über die Kultserie Tatortreiniger.
In der Folge, die ich meine, versucht sich Schotty, gespielt von Bjarne Mädel, höflichst, aber bestimmt, von einer anschlusssuchenden älteren Dame loszureißen, die ihn am Tatort mit Kuchen abfüllt. Aber Schotty bleibt hart, schließlich muss er mit seiner Mannschaft vom SC Dieter zur Wattolümpiade. Da gibt das kein Vertun.
Dass sich auch hinter diesem sportlichen Event der nordisch schrägen Extraklasse ein ernster Anlass verbirgt, bekomme ich tatsächlich noch viel später mit. Stark gegen Krebs prangt mir überall entgegen. Und ich lese, dass das große Spendenziel hinter der Wattolümpiade ist, die Infrastruktur für Krebskranke im Norden immer weiter zu verbessern. Gut so!
Die Wattolümpiade in Wortwitzhausen City
Nee, das ist kein Schreibfehler, ich weiß schon, wie man Olympiade schreibt. Theoretisch. Im Watt machen wir das anders. Und das „ü“ prangt mit voller Absicht mitten in dem gewichtigen Wort Wattolümpiade. Also falls du dich nicht so gern schmutzig machst, aber gern Spaß mit Buchstaben hast, kein Problem. Denn auch für Freunde des nordisch flachen Wortwitzes gibt die Wattolümpiade einfach alles. Die Matches (sic!) heißen Wattkämpfe, Teilnehmende sind wackere Wattleten, die Schiedsrichter sind natürlich Schietrichter … Und der Spaß hört bei den Namen der Teams nicht auf.
Die Kostümierungen sorgen jedes Jahr wieder für Aufsehen. Maskottchen-Gewinner in 2018 sind die Berliner Wattzebras. Die sehen beim Wattfußball zwar überhaupt kein Land, aber mit dem amtlichen Zebra, das am Spielfeldrand große Augen macht, erzielen sie tüchtig Wirkung. Weitere persönliche Favoriten sind die Schwatten Düwels, die mit winzigen Röcken, Netzstrumpfhosen, kleinen Teufelshörnern und Dreizack im Watthandball antreten. Dazu muss man wissen, die Teams sind gemischt. Frauen, Männer, Kinder, in allen Größen, Formen und Altersstufen im gleichen Kostüm.
Die Spiele dauern jeweils sieben Minuten. Hört sich läppisch an, aber wer schon einmal versucht hat, in knietiefem, weichem Schlick auch nur drei Schritte zu gehen weiß, das reicht vollkommen. Mindestens genauso wichtig wie die Spiele an sich sind die launigen Kommentare von der Tribüne der Spielleitung und dass die Teams sich ordentlich einsauen.
Die anschließende Reinigungsaktion ist wieder ein Spektakel für sich. Wasser marsch aus dicken Schläuchen um den gröbsten Dreck abzumachen. Zimperlich dürfen die Wattleten auch hier nicht sein, auf den Schläuchen ist ganz schön Druck. Im zweiten Waschgang dann kuscheliges Gedrängel unter den Düsen der Gruppendusche. Die fantastievollen Kostüme haben zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon gut Federn gelassen.
Besondere Kulisse bei der Wattolümpiade
Was das Elbwatt bei Brunsbüttel so perfekt macht für die Spiele ist, dass es hier im Gegensatz zum Nordseewatt, frei von Muscheln ist. An denen kann man sich nämlich richtig fies verletzten. Und das will ja keiner. Trotzdem heißt es, man solle das Watt nicht barfuß betreten. Brav tragen viele Wattleten, die keine festen Strandschuhe ihr eigen nennen, ihre Straßenturnschuhe in den tiefen Modder. Fest ans Bein getapet versteht sich. Trotzdem fliegen schon nach kurzer Zeit auf einzelnen Spielfeldern einzelne Schuhe durch die Luft.
Im Hintergrund ziehen dicke Pötte durchs Bild. Immerhin befinden wir uns am Eingang zum Hamburger Hafen und zum Nord-Ostsee-Kanal. Der größten Wasserstraße im Norden. Über den NOK und seine faszinierende Geschichte habe ich an anderer Stelle auf Sirenen und Heuler bereits berichtet. Baden ist hier aufgrund der Berufsschifffahrt streng verboten, das nur nebenbei.
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Ein voller Erfolg
Zum Abschluss eine total tolle und eine traurige Nachricht. Die tolle: mit über 47.000 Euro wurde in 2018 ein neuer Spendenrekord für die Schleswig-holsteinische Krebsgesellschaft aufgestellt. Das freut mich sehr für alle Nordlichter, die tapfer gegen eine Krebserkrankung kämpfen, und für ihre Angehörigen.
Die traurige: Erst am 15. August 2020 findet die nächste Wattolümpiade statt. Seit 2013 sind die Veranstalter auf den zwei-Jahres-Rhythmus gewechselt. Laut eigener Aussage auch, um sich dem Turnus anderer sportlicher Großveranstaltungen anzupassen. Nun denn. Vergleiche sind meines Erachtens gar nicht nötig. Die Wattolümpiade ist und bleibt einzigartig. Mehr Infos auf der Seite der Veranstalter.