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Warme Weihnachten DownUnder

Das Fest der Liebe auf der Nordhalbkugel? Zu warm. Die einen wünschen sich Schnee, andere sprechen von Frühling im Dezember. Ich erinnere mich noch einmal an Weihnachten im Sommer. An Segeln und Sonnenschein in Neuseeland. Sage: Südhalbkugel volle Kraft voraus.
Inhalt

Jahresausklang in Neuseeland

Zu warm um kalt zu sein, zu kalt um warm zu sein. Dit is Vorweihnachtsstimmung made in Berlin 2015. Immerhin kann ich in diesem Jahr ohne Handschuhe oder Spikes Fahrrad fahren. Doch schön geht anders. Wie das geht, sehe ich auf den Facebook-Fotos meiner Freunde, die vor dem Fest der Liebe noch einmal der Sonne entgegen gereist sind. Ich gönne es ihnen von Herzen. Und erinnere mich heute noch einmal an mein letztes Weihnachten in der Wärme. Down Under, wo es so anders ist, dass sogar der Mond kopfsteht. Während ich mich leicht erinnere, bleibt ein Großteil meiner Fotos unauffindbar. Mehrere externe Festplatten und USB-Sticks später gebe ich auf. Mögen die wenigen Motive, die ich habe finden können, diesen Bericht exemplarisch illustrieren.

Nun bin ich schon einige Wochen in Neuseeland und plötzlich steht Weihnachten vor der Tür. Hatte ich bis dahin gar nicht auf dem Schirm. Welch ein Glück, dass ich beim Baden in einer versteckten Bucht in Northland vor einigen Tagen zufällig die Bekanntschaft von Jochen gemacht habe. Auf dem Rückweg zu unseren Autos kommen wir ins Gespräch.
Jochen stammt auch aus Norddeutschland, wuchs keinen Steinwurf entfernt von mir auf und lebt schon eine ganze Weile in Neuseeland. „John“ nennt er sich hier. Der Meeresbiologe forscht über Wale, „False Killer Whales“, um genau zu sein. Seine Arbeit finanziert er sich, indem er das Angenehme mit dem Abgefahrenen verbindet und in den Sommermonaten Segeltouren anbietet auf seinem Zweimaster, der Manawanui.

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Die Region Northland der Nordinsel ist menschenleer und wunderschön. Gespaltene Felsen, glitzerndes Wasser in der Bay of Islands, immer wieder einsame, unbewohnte Inseln und lauschige Buchten.

Weihnachten auf der Manawanui

Ich bin Feuer und Flamme. Rufe meine Freundin Tanja an, die zu der Zeit gerade von Auckland aus für OKEANOS – Foundation for the Sea arbeitet. Einen gefühlten Wimpernschlag später haben wir gebucht. Fünf Tage und vier Nächte werden wir auf dem Wasser sein. Mit Kurs auf die Cavalli Islands. Diese liegen weiter nördlich, vor der Küste von Matauri Bay, ungefähr 30km nördlich von Kerikeri in der Bay of Islands.

Die Manawanui liegt in Paihia. Dieser kleine Ort im Far North District der Region Northland liegt unweit von Waitangi, wo 1840 zwischen William Hobson, einem Vertreter der Englischen Krone, und fünfundvierzig Stammesführern der nördlichen Maori-Clans der Vertag von Waitangi (Te Tiriti o Waitangi) geschlossen wurde. Abgesehen davon, dass Ratten große Teile der ersten Verfassungsurkunde Neuseelands zerstört haben, ist der Vertrag aufgrund zahlreicher Übersetzungsfehler nicht unumstritten. Im Museum von Russell, das 1841 erste Hauptstadt Neuseelands wurde und in der Bucht gegenüber von Paihia liegt, erfährt man mehr über die bewegte Geschichte dieses vergleichsweise jungen Landes.

ByeBye Paihia

Nachdem wir am frühen Morgen in der Bucht von Paihia von einem wunderschönen Regenbogen geweckt werden, geht es los. Neben meiner Freundin und mir sind es noch drei Iren und zwei Amerikaner als Gäste an Bord der dreiköpfigen Crew. Routiniert gibt Skipper John eine Sicherheitseinweisung und generelle Einführung in das Leben an Bord. Derweil verstaut die Crew den Proviant und macht das Schiff klar zum Ablegen.

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Dieser wunderschöne Hole in Rock befindet sich im Marine Park der Bay of Islands in Neuseeland.

Wir haben kaum Seegang auf unserer ersten Etappe, trotzdem hängen zwei von drei Iren nach kurzer Zeit über der Reling. Die Armen. Unsere Mägen halten. Damit das so bleibt gehen wir ein Stück außer Hör- und Riechweite. Kann es schönere Ablenkung geben als den Bay of Islands Marine Park? Zerklüftete Felsen, zart bewachsen oder dicht besiedelt von Tölpel-Kolonien. Tölpel kenne ich in der Hülle und Fülle bisher nur aus meiner Heimatregion, der Nordsee. Auf Helgoland bevölkern die verwandte Basstölpel einen ganzen Steilküstenabschnitt.

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Obwohl sie Australische Tölpel heißen, hält sich die am südlichsten brütende Tölpel-Art am liebsten in Neuseeland auf. Ich finde, sie sehen den auf Helgoland in Scharen brütenden Basstölpeln sehr ähnlich.

Die ersten fliegenden Fische beeindrucken uns mit ihren Kunststücken. Ich kann mein Glück kaum fassen. Zwischen den beiden Masten baumelt eine Hängematte. Von meinem neuen Lieblingsplatz aus beobachte ich die folgenden Tage Moment für Moment, Augenblick für Augenblick. Besonders lustig finde ich den Mola Mola, auch „Ocean Sunfish“. So etwas habe ich noch nie gesehen, an den Riesenkopf des großen Knochenfisches schließt sich gleich die Schwanzflosse an, mit er gut erkennbar über der Wasseroberfläche herum wedelt.

Wie eine große, helle Scheibe taumelt er durchs Wasser, weshalb diese lustige Laune der Natur auch Mondfisch genannt wird. Mond, Sonne, Mola Mola. Eine gute halbe Stunde bestaunen wir das Riesenexemplar – Durchmesser 3,5 Meter – beim Kreiseln, dann verabschiedet es sich, Quallen jagen, die sind nämlich seine Lieblingsspeise. Alles andere ist vergessen, auch fotografiert habe ich auf diesem Trip kaum. Zum Glück habe ich wenigstens noch ein paar der Delfin-Bilder gefunden, die Tanja, wie unser Skipper ebenfalls Biologin, mir damals übersendet hat.

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Bottlenose Delfin (c) Tanja Winkler

Oh du fröhliche, untypische Weihnachten

Ein typisches Weihnachtsfest beginnt oder endet für viele Neuseeländer am Strand. Zu hochsommerlichen Temperaturen gibt es lecker Irgendwas mit Boysenberries und dazu Pavlova, eine Kuchenkreation mit viel Sahne und Kiwischeiben. Wir haben mittlerweile die Cavalli Islands erreicht und ankern in einer ruhigen Bucht. Gehen mit dem Dinghi auf Schnorcheltour und füttern Fische mit Seeigeln. Das ist sehr hübsch. Eine andere Erkundungstour beginnt mit einem beißenden Gestank. Wir vermuten die Überreste eines gestrandeten Wales. Richtig. Das Tier muss schon eine ganze Weile hier in der Sonne liegen. Die Crew sammelt ein paar Daten, wir tapsen staunend um das Spektakel herum.

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Die Crew hängt die Angel raus. Bordhündin Moby hat einen fantastischen Riecher. Als ein Fisch an der Angel hängt, schlägt sie sofort an und bleibt dabei, bis Jesse das gute Stück an Bord zieht. Es ist ein Yellow Fin Tuna, den wir in Sashimi-Gestalt bei Kitschpostkartensonnenuntergang zum Abend essen. An jenem Abend verliebe ich mich in das gemeinschaftliche Leben auf einem Schiff. In das leichte Schaukeln, das sanfte Glucksen, in den Kontrast zwischen der Enge an Bord und der Weite der Natur. Die Iren haben sich mittlerweile auch akklimatisiert und heute, inmitten unbewohnter Inseln in unserer Traumbucht, erzählen wir alle reihum über die Art von Weihnachten, die wir ohne diesen Trip, ohne diese Erfahrung, sonst jetzt haben würde.

Cricket on the Rocks

Am nächsten Morgen hüpfen wir wie an jedem Tag gleich als Erstes über die Reling ins Wasser. Sich wach schwimmen, wie wunderbar. Spätestens bei der Bescherung am Frühstückstisch fällt es uns wieder ein. Ja, Mensch, „Merry Christmas!“ Die Crew hat wirklich für jeden eine passende Kleinigkeit besorgt, wir sind total gerührt. Nach dem Frühstück gehen wir auf einer der unbewohnten Inseln an Land. Hier, an einem der idyllischsten, menschenleersten und magischsten Orte, an denen ich bisher war, fördern die Jungs Schläger und Bälle zutage. Cricket? Echt?

Die Jungs erklären uns, dass Cricket fast noch mehr zu einer typischen neuseeländischen Weihnacht gehört als Pavlova. Nach der Partie verstreuen wir uns lose über die Insel. Ich möchte mir noch ein wenig mehr die Beine vertreten, bevor wir an Bord zurückkehren, und klettere den Hang hinauf. Dort oben geht ein leichter Wind. Ich setze mich ins Gras und werde ruhig. Eine friedliche, ruhige Schönheit umgibt und durchdringt mich. Und, ich hoffe, ihr verzeiht ein wenig Pathos zur Vorweihnachtszeit, für einen Augenblick bleibt die Zeit stehen. Noch besser, sie spielt einfach keine Rolle mehr. Wenn ich in Gedanken an diesen Ort zurückgehe, kann ich die Zeit immer noch anhalten. Für einen winzigen Moment.

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Ihr wollt auch mit Ecocruz und Jochen mehr über die faszinierende Insel, Küsten- und Wasserwelt Neuseelands erfahren? Kann ich verstehen. Hier geht’s zu seiner Website.

Immer wieder stranden Wale an den neuseeländischen Küsten. Zum Glück gibt es Menschen, die sich unermüdlich dafür einsetzen, dass sie wieder hinaus finden, aufs offene Meer. Zum Beispiel bei Whale Rescue.

Neuseeländische Geschichte kann man in dem kleinen Museum Russell erleben. Das kleine Städtchen im viktorianischen Stil war nach der Unterzeichnung des Vertrags von Waitangi ganz kurz erste Hauptstadt Neuseelands.

Titelfoto des Beitrags: (c) Tanja Winkler