Die Gärten von Furnas auf São Miguel
Andere Städte haben Museen mit kostbaren Kunstsammlungen. Furnas auf São Miguel ist zwar keine richtige Stadt – und wenn, dann höchstens eine klitzekleine –, aber auch dort gibt es eine Art Museum, nur hat das Hecken statt Wänden und steht voller Pflanzen. Vielleicht ist es auch eher ein Theater, denn manchmal wirkt es so, als seien Bäume, Blumen, Beete und Teiche in Szene gesetzt wie auf einer Bühne. Das „Stück“, das dort geboten wird, ist farbenfroh „besetzt“, und das mitten im Winter.
Natürlich wussten wir ungefähr, was uns erwartet: eine grüne Insel im Atlantik. Aber so grün? So triefend vor Fruchtbarkeit? So ein Garten Eden? Fehlt nur noch, dass uns die reifen Früchte in den Mund wachsen, aber dafür müssen wir dann doch auf den Markt, immerhin ist Januar!
Kleines Wetter-Einmaleins für die Azoren
Beim Anflug türmen sich dichte Wolken über São Miguel, aber die Küste liegt schon wieder in der Sonne. So ist das auf den Azoren. Es gibt dort zwei Sorten Regen: kurz und heftig oder nieselsanft. Überall, wo das Meer in der Nähe ist, bauscht der Wind in kürzester Zeit schwarze Regenwände auf, schüttelt sie, bis sie leer sind, fegt sie fort und überlässt der Sonne das Feld. Dann tropfen und dampfen Wälder und Weiden, was das Zeug hält. Im Landesinneren mit seinen vulkanischen Talkesseln – Furnas gehört dazu – hat der Wind keine Chance. Die Wolken lassen sich nieder und bleiben einfach liegen, bleigrau und schwer.
Wir haben beides erlebt, in Furnas verlässt uns anfangs fast der Mut. Wir kommen am Nachmittag an: Regen. Wir beziehen unsere Wohnung: alles feucht und klamm. Wir stehen am nächsten Morgen auf: immer noch Regen. Aber gegen Mittag reißt die Wolkendecke doch noch auf – Glück gehabt!
Und was ist mit dem Azorenhoch? Beschränkt sich auf den Azoren nicht nur auf eitel Sonnenschein. Im Winter regnet‘s ein bisschen mehr, im Sommer ein bisschen weniger – so ein Garten Eden will schließlich regelmäßig gegossen sein, auch wenn in der Bibel davon nichts steht.
Für die ganzjährig gemäßigten Temperaturen sorgt der Atlantik. Als wir die Insel am 25. Januar erstmals betreten, herrschen angenehme 16 Grad – nach dem Frostwetter in Deutschland ein ziemlicher Sprung. Nachts wird es nicht kälter als 10 Grad, im Sommer steigt das Quecksilber auf höchstens 26 Grad. Für die Nackedeis Adam und Eva wäre das immer noch ein bisschen frisch, aber auf den streng katholischen Azoren wären sie mit dem Outfit ohnehin so etwas wie der zweite Sündenfall.
Perfekt inszenierte Natur
Das ozeanisch-subtropische Klima erzeugt eine spektakuläre Natur, die in dem ausgedehnten Stadtpark von Furnas ihren perfektesten Auftritt hat. Wir besuchen das Gelände an einem bedeckten Tag mit hoher Regenprognose und sind trotzdem restlos begeistert von diesem geordneten Stück Garten Eden.
In Deutschland wäre Furnas mit seiner Lage und den heißen Quellen ein mondäner Kurort. Hier gibt es offiziell gar keinen Kurbetrieb, das große Thermalbecken steht jedermann offen. Zwar liegt nur einen Steinwurf entfernt ein ziemlich hässliches Hotel, dessen Gäste an den grauen Bademänteln zu erkennen sind, in denen sie am Bassin auflaufen, aber das war es auch schon. Ansonsten ist Furnas eine verschlafene Provinzstadt: aufgeräumt zwar, aber keineswegs makellos und schon gar nicht extravagant. Nur ein paar heruntergekommene Villen erinnern daran, dass hier einmal viel Geld verdient wurde.
Ganz anders das Bild im Stadtpark. Der Garten Eden, durch den wir hier spazieren, ist ganz und gar durchkomponiert. Allein die Inszenierung des Wassers ist sehenswert. Baumhohe Farne spiegeln sich in anmutig geschwungenen Kanälen, künstliche Grotten zeigen ihr muschelverzierten Fassaden, ein „naturbelassener Bach“ fließt akkurat durch einen Wiesengrund.
Dazu kommen expressionistisch hingetupfte Blüten, die sich nicht – wie oft in den botanischen Gärten bei uns – auf abgezirkelte Beete beschränken, sondern mit Vorliebe ganze Büsche überziehen oder im scheinbaren Wildwuchs eines Palmenwaldes nisten. Die Hortensien, die auf der Insel wuchern wie Unkraut, blühen zwar gerade nicht, aber dafür kommen die Kamelien ganz groß raus.
Im Bromeliengarten sind die Blüten sparsamer, dafür umso effektvoller verteilt, trotz der diffusen Beleuchtung unter regenschweren Wolken. Das Wetter hat den Vorteil, dass wir anderen Besuchern in dem weitläufigen Parkgelände nur sporadisch begegnen. Manchmal kommen wir uns vor, als seien wir allein in dieser erstaunlichen Pflanzenwelt, doch dann stoßen wir unvermutet auf üppig überwucherte Flamingos und andere stumme Waldtiere, oder es öffnet sich vor uns der Blick auf die Hauptkirche des Ortes, Nossa Senhora da Alegria.
Der Garten Eden reicht bis in die Hauptstadt
Ponta Delgada, Hauptstadt der Azoren und Zentrum von São Miguel, besitzt gleich mehrere hochkarätige Parkanlagen. Die sind vielleicht nicht ganz so groß wie ihr Pendant in Furnas, haben aber einen ebenso weltläufigen, über Jahrhunderte angesammelten Pflanzenbestand. Darunter sind gezähmte Urwaldriesen wie der neuseeländische Pohutukawa, aber auch kleine Kostbarkeiten in Gewächshäusern des ausgehenden 19. Jahrhunderts.
Der entscheidende Unterschied zu Furnas ist der Atlantik, der immer wieder durch die Zweige blickt. Auffällig ist auch, dass die Gärten intensiv genutzt werden. Im Jardim Anónio Borges, der direkt an eine große Schule grenzt, sehen wir Lehrer, die ihren Biounterricht in den Park verlegt haben, und Schüler, die ihre Pausen auf den Parkbänken verbringen.
Was wir noch nicht wissen: Die Parks sind nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was draußen in der „Wildnis“ auf uns wartet. Darum geht es in der nächsten Geschichte: Es tropft und dampft im Paradies
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Service Azoren Inseln
Die Ilhas dos Açores (Habichtsinseln) bestehen aus neun Inseln und sind eine autonome Region Portugals. Gesprochen wird Portugiesisch, Englisch hilft nur in der Hauptstadt Ponta Delgada (Insel São Miguel) und an touristisch entwickelten Orten wie Angra do Heroísmo (Insel Terceira) weiter. Die Azoren ziehen vor allem Wanderer und Naturliebhaber an, auch der Tauchtourismus und die Thermalquellen spielen eine wachsende Rolle.
Direktflüge von deutschen Flughäfen bieten Air Berlin und die azorianische Fluggesellschaft SATA Internacional. SATA und TAP Portugal verbinden auch die einzelnen Inseln miteinander. Wer mehr Zeit mitbringt und Seereisen mag, kann auch mit Atlânticoline von einer Insel zur anderen fahren. Umfangreiche Informationen erhalten Besucher auf der offiziellen Tourismusseite visitazores.com.