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So traurig, dass es schon fast wieder schön ist. Ein geflügelter Pinguin.

Das Schweigen der Pinguine von Ruakaka

Auf Reisen erleben wir Neues und Aufregendes, finden Entspannung oder Inspiration, genießen Tapetenwechsel und andere Einflüsse. Doch manchmal begegnen uns auch Rätsel, die wir nicht lösen können, und die uns nachhaltig beschäftigen. Diese Geschichte ist ein morbides Mitbringsel aus Neuseeland.
Inhalt

(Please scroll down for english version)

Sommer in Neuseeland

Es ist Dezember. Sommer auf der Südhalbkugel. Das Abenteuer Neuseeland ist noch jung, als ich bei Ruakaka, an der Bream Bay, auf die Blauen Pinguine (auf Maori: Korora) treffe. Man hatte mich vorbereitet, ich hatte mich vorbereitet. Ich würde fantastisches Wildlife sehen, Wale und Delfine, seltene Vögel und anderes Getier. Ich freute mich darauf an den Küsten herumlungern, mir bei Ebbe Muscheln von freigelegten Steinen sammeln, um sie frisch zuzubereiten, und dieses besondere Land ganz langsam zu entdecken. Das Paradies wäre ein Scheiss dagegen, da war ich mir ganz sicher.

Ausgehend von Auckland fuhr ich nordwärts, über Landstraße, immer grob Richtung Northland und Cape Reinga und orientierte mich schon bald Richtung Küste, um in der Bream Bay am Strand zu campieren. Welch Überraschung, als bereits der allererste Spaziergang bei Ruakaka zu einem morbiden Ereignis wurde. Denn dieses Paradies hielt an jenem Abend für mich keine fliegenden gebratenen Hähnchen bereit, sondern so viele verendete Pinguine, wie ich sie vorher und auch danach nirgends mehr gesehen habe.

Alle 10 Schritte begegneten mir die kleinen blauen Kerle, bäuchlings gestrandet, auf den Rücken gedreht, einige schienen sich an Seetang oder anderes Strandgut zu schmiegen. Eine traurige Perlenkette aus morbider Schönheit und beginnender Verwesung. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass hier irgendwas nicht stimmte? Alleine Reisen macht besonders wach und durchlässig. Mich zumindest. Wie durch ein Vergrößerungsglas  springen einen fremde Eindrücke an, Bilder im RAW-Format brennen sich auf Netzhaut und ins Hirn.

Die blauen Pinguine

An jenem Nachmittag wehre ich mich und knipse zurück. Dass sich zu den blauen Pinguinen noch andere Fische, Quallen und  sogar ein gestrandeter Wal finden, meiner laienhaften Annahme nach ein Brydewal, empfinde ich fast wieder als trotzigen Versuch der Natur, in der sichtbaren Verwundbarkeit so etwas wie Harmonie und Balance herzustellen. Lange starre ich an diesem Abend aufs Wasser. In der Nacht hält mein Unterbewusstes mich mit wirren Träumen am Strand fest. Der Alptraum ist nicht originell, aber nachhaltig. Immerhin wird der Zustand des Meeres immer wieder als Wünschelrute oder Gradmesser für den Gesamtzustand des Planten bezeichnet.

Am nächsten Morgen verlasse ich diesen gruseligen Strand und fahre weiter gen Norden. In Russell stelle ich den Wagen am Straßenrand ab und mache mich auf zum örtlichen Department of Conservation (DOC). Ich will wissen, was mit den Pinguinen passiert ist, warum an diesem Strand so viele tote liegen, ob die jemand einsammeln kommt und worauf eine solch auffällige Häufung angespülter Kadaver schließen lässt. Die Mitarbeiter sind sehr freundlich, doch eine befriedigende Antwort auf meine Fragen erhalte ich nicht. „42“* ist es auch nicht.

Extreme Wetter

So etwas käme leider in den Sommermonaten immer mal wieder vor, heißt es lapidar. Eine Theorie, die für mich Nicht-Meeresbiologen relativ plausibel klingt ist: Extreme Wetterwechsel würden zu einer zeitweiligen Nährstoffarmut in bestimmten Wasserschichten führen. Die Pinguine, die normalerweise zwischen Mai und Juni an Land kommen um ihre Nester zu bauen, finden nichts mehr zu fressen und schaffen es, bereits völlig entkräftet, nicht, sich an Land in Sicherheit zu bringen. Als Todesursache stünden dann neben verhungern auch noch ertrinken zur Auswahl. Harte Zeiten für so süße Kerlchen, deren Bestände zu Nestbauzeiten noch von natürlichen Feinden wie Wild(Katzen), Frettchen und Wieseln dezimiert werden.
Korora X – Farewell & Moe Mai.**

*42 = Spoiler-Alarm, diese Zahl spielt in Douglas Adams Kultbuch „Per Anhalter durch die Galaxis“ eine zentrale Rolle bei der Suche nach DER Antwort auf alle Fragen nach dem Sinn des Lebens, der Menschheit und dem Rest.
** Moe Mai – Maori für „Rest in Peace“.

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The Dead Blue Penguins of Ruakaka – Korora X

The story I am about to tell here has to do with my adventure of travelling through New Zealand with a campervan. And a morbid and rather unexpected encounter. I had only started. After arriving in Auckland and preparing everything for the 14-week-journey up to Cape Reinga and all the way south to Steward Island – and back, I wanted to head northwards. The first stop was chosen rather randomly, I just didn’t feel comfortable driving in the dark at that early stage of driving on the left side of the road.

I was looking forward to seeing beautiful, extraordinary endemic wildlife, birds, and whales, and dolphins, and the lot. Collecting green lipped mussels at low tide and preparing them instantly, right by the beach. To cut it short, I thought I had entered flawless paradise, but little did I know.

I found a place for the night near Ruakaka and made camp. A nice evening walk was next on the agenda. I had merely started walking as I stumbled over the first dead blue penguin. The little guy can’t have been lying there for long, still bright and shiny was his plumage. I stopped and took the time to take a close look at every detail. How morbid and how beautiful. But why was he stranded here? What might have happened to him?

The little one was not alone that night. Every ten steps or so, I kept stumbling upon another one. It must have been up to three dozen or so that particular night. Travelling by oneself sharpens the senses. And can make one feel quite vulnerable and permeable at times. All the dead birds started to freak me out. So I took there picture. Adding a lot of jellyfish and some whale blubber to the calculation.

It is often said that the sea is like a witching stick when it comes to measuring the health state of planet earth as a whole… So what does this tell us? After a short and rough night I kept heading north. In Russell I went to the local DOC (Department of Conservation). They were really friendly but couldn’t really provide me with the one and only answer to stop my worry. They said there could have been a temporary nutrient removal due to extreme weather changes, but they weren’t sure at that point. And yes, the would send someone to collect the little corpses.
Korora X – Farewell & Moe Mai.

The events mentioned in this story took place in december 2010.