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Das MONA in Hobart. Kunst-Spielplatz am Ende der Welt

Das MONA in Hobart müsst ihr euch angucken, wenn ihr in Tasmanien seid, haben sie gesagt. Besucht das Museum un-be-dingt, haben sie gesagt. Egal, was für ein Wetter euch dort erwartet, haben sie gesagt. Geht hin. Haben wir gemacht. Wie es war und was es dort zu sehen gibt? Das erfahrt ihr hier.
Inhalt

Das Mona in Hobart – Ein subversives Disneyland für die Künste

Der Besuch von Museen ist nicht für jeden Reisenden eine Selbstverständlichkeit. Höchstens als Schlechte-Wetter-Option. Was auch völlig okay ist. Die Welt ist ja groß und bunt für neugierige Reisende – gerade am Ende der Welt, wo es doch genug Exotisches zu entdecken gibt. Besonders in Tasmanien und seiner Hauptstadt. Und ich sage das nicht nur, weil der Lonely Planet Hobart bereits ein Jahr nach der Museumseröffnung des MONA unter die 10 heißesten Städte weltweit gelistet hat.

‘I want MONA to be a deliverer of the alternate idea.’ David Walsh, Gründer des Museum of Old and New Art (MONA) in Hobart, Tasmanien.

Das MONA in Hobart wird auch den letzten Museums-Muffel überzeugen. Mal laut, mal leise, obscur, erhellend, interaktiv, ist es alles außer konventionell. Ein subversives Disneyland für Erwachsene, nennt der Schöpfer selbst es. Spielplatz sage ich, denn ich bin kein Fan vom Disneyland. Aber ein Fan guter Kunst bin ich, das werden LeserInnen meiner Blog-Beiträge wissen. Dass ich mich im MONA in eine staunende Fünfjährige verwandelt habe, die sich völlig frei und einträchtigst Hand in Hand mit der ausgebildeten Kunsthistorikerin in mir bewegen konnte, verdanke ich sicher der Visionsstärke von David Walsh und den Architekten seines Kunsttempels.

Dass das MONA so einen Sog auf seine Besucher ausübt, liegt auch an der aufregenden Architektur.

Wer und was steckt hinter dem MONA?

Es ist die perfekte Legende. Verknappt erzählt geht sie so. Ein schüchterner Typ, der nirgends richtig reinpasst, ein Nerd und Studienabbrecher, wird Online-Poker-Mulitmillionär, sammelt Kunst und eröffnet sein eigenes Museum. Mathemaik und Informatik hat er studiert, und um Online-Poker-Systeme zu knacken oder ein eigenes erfolgreiches System aufzubauen, musste zumindest der Mann, dem wir diesen Riesen-Spielplatz verdanken, nicht einmal bis zu einem Abschluss zu Ende studieren.

Walsh, der direkt ums Eck des heutigen MONA in einem katholischen Elternhaus aufgewachsen ist, saugt die Welt um sich fast manisch auf. Er sei, heißt es, von Charles Darwin besessen. Liebt und inhaliert Bücher, denkt in großen Zusammenhängen, spielt, lebt und macht – sogar seinen eigenen Wein. Vor einigen Jahren hat der Gründer von Australiens größtem privaten Museum selbst ein Buch geschrieben. Es heißt A Bone of Fact und ist – da ich mich vor Ort nicht entschließen konnte, es käuflich zu erwerben, mich nun aber die Faszination über diese Persönlichkeit noch nicht loslässt – nun auf dem langen Postweg zu mir unterwegs.

Auf dem Weg vom Parkplatz zum Museum wundern wir uns noch über die Weinberge. Später begreifen wir, wir alles zusammenhängt. Unter dem Namen „Moorilla“ wird der Wein hier produziert und kann auch hier auf dem Gelände verkostet werden.

Walshs Umgangston ist herrlich salopp und hochgradig unterhaltsam und er hat einen schrägen Humor. Wer es aushalten kann, seinen messerscharf mäandernden Gedankenströmen zu folgen, wird viel Inspiration daraus ziehen. Auf dem Audioguide des MONA gibt es eine Rubrik namens „Gonzo“. Sie enthält ausschließlich seinen persönlichen Audiokommentar und ist allerbestes Storytelling.

Hier plaudert Walsh über seine Vorliebe für den jeweiligen Künstler, eine bestimmte Werkgruppe oder ein Werk und wirklich alles, was ihm dazu durch den Kopf geht. In Lichtgeschwindigkeit geht es quer durchs Repertoire der großen Fragen – von Schiffsmast zu Schweinemast, von Kuchenbacken zu Arschbacken. Müsst ihr reinhören, wenn ihr da seid!

Es beginnt spielerisch. Ist das schon der Eingangsbereich oder vielleicht doch ein Minigolf-Platz? Im lässigen Gehen um harte Ecken denken. Willkommen in der Welt des MONA in Hobart, Tasmanien.

Hochkultur sexy und casual

Auch wenn ich persönlich sonst in den allermeisten Fällen ohne Audioguide durch Kunst-Ausstellungen gehe, im MONA habe ich es wirklich sehr genossen und empfehle es jedem Besucher. Die Werke der Sammlung sind, auch das ein schöner Kunstgriff, nicht beschriftet. Ausnahmslos. Keine Label, die die eigene Aufmerksamkeit in der Annäherung an ein Werk ablenkt. Erfrischend!

Was für Kunst sammelt nun ein Mensch, der so tickt wie David Walsh? Ich habe bei meinem Besuch im MONA in Hobart aufregende und provozierende, dekorative und mutige, konzeptlastige und zwischen Metaebenen oszillierende Kunst gefunden. Die Rückerinnerung weckt dieselbe Euphorie in mir wie der Besuch selbst. Weil dieser Ort alle Sinne anspricht, sinnliche und intellektuelle. Weil sich dieses Haus, seine Dramaturgie und die Art, wie Kunst hier präsentiert ist, auf vielen Ebenen lesen lässt. Und nachwirkt.

We are cultural beasts. But we are flesh and blood, too. (D.W.)

Über diese Arbeit hier etwas zu verraten wäre spoilern pur…

Die Anreise mit dem Boot vom Derwent River aus, auch die Auffahrt zum Parkplatz suggeriert Großes. Je mehr man sich näher, umso unscheinbar scheint das Gebäude an sich. Es ist in die Felsen der Bucht in Berridale gehauen. Im Inneren öffnet sich ein Gebäude, in dem sich die Kunst nicht aufdrängt. Im Gegenteil. Selbst nachdem ich mich die Wendeltreppe hinunter begeben habe (eine Anspielung aufs Guggenheim), sehe ich im schummrigen Licht als erstes – eine Bar. Ist das jetzt ein Statement, ist das Kunst, oder kann ich das links liegen lassen? As you like, you lazy f***er, würde mir der Inhaber vielleicht sardonisch grinsend ins Ohr flüstern.

Ich könnte mir gleich morgens um 10h an der ersten Bar eine Bloody Mary mixen lassen. Kein Witz. Die Bar ist in vielen australischen Museen, die ich besucht habe, so auch hier, fester Bestandteil des gehobenen Kunst-Genusses. Ich könnte ohne Audio-Guide durchs Haus flanieren. Ganz wabernder Genuss sein. Einfach wirken lassen. In dem Tunnelsystem des unterirdischen Kaninchenbaus dominieren Sichtbeton und Naturstein. Und aufregende Lichtführung. Wenn Batman hier vorbeiführe, im Duett mit James Bond, mich würd’s nicht wundern.

Kunst und Leben wird eins. Im neu gebauten Museumstrakt „Pharos“ nimmt James Turrells Arbeit Unseen Seen einem fast den Atem – und lässt trotzdem genügend Raum für fantastische Tapas und einen weiten Blick auf den Derwent River.
Hier bin ich während meines Besuchs im MONA in Hobart total aus der Zeit gefallen. Mein Dank geht an Randy Polumbo, so heißt der Schöpfer der Arbeit Grotto, der in New York City und in der kalifornischen Wüste, in Joshua Tree lebt.

Ich könnte statt Cocktailglas den Audioguide leersaugen und mir ernsthaft was mitnehmen über künstlerische Positionen. Einen neuen, australischen Blick und andere Perspektiven auf europäische und US-amerikanische Künster gewinnen. Und auf Kunst, die ich so (inszeniert) in Europa nicht zu sehen bekomme. Der österreichische Gegenwartskünstler Erwin Wurm zum Beispiel ist hier mit seiner Materialskulptur Fat Car vertreten. Einer der international bekanntesten deutschen Maler und Bildhauer, Anselm Kiefer besetzt einen eigenen Raum im MONA. Ihnen beiden steht die südliche Hemisphäre gut. Auch für James Turrells Lichtinstallationen ist dieses Haus natürlich ein Fest.

Anselm Kiefer begegnet man auch am anderen Ende der Welt. Seine monumentalen Arbeiten leben vom Erleben der geschundenen, organisch anmutenden Oberflächen und der geistigen Auseinandersetzung mit Werden und Vergehen – und ewiger Weiterentwicklung.

Eine echte Entdeckung für mich sind die Arbeiten des Belgiers Wim Devoye. Seine Arbeiten reichen von hochästhetischer, schlauer Religionskritik: Chapel bis zu einer wissenschaftlich aufgeladenen Abrechnung mit dem oft selbstaufblasbaren, für Außenstehende oft schwer nachvollziehbaren Kunstbetrieb und seinen Protagonisten: Cloaca Professional. Die Vorrichtung simuliert einen menschlichen Verdauungstrakt, wird zweimal täglich gefüttert und scheißt jeden Tag um 2pm.

Wim Delvoye: Chapel. MONA, Hobart, Tasmanien. Das Geheimnis lüftet sich aus der Nähe.

Das lebende Tattoo Tim sitzt jeden Tag von 10-4:30pm. Richtig gehört. Live und in Farbe. Ein lebendiges Exponat. Ich bin immer noch erstaunt, wie verstört ich darauf reagiert habe. Auf dem Weg zur Chapel sehe ich Tim mit der Aufsicht hinter einer Feuertür stehen und eine rauchen. Auch ein Kunstwerk braucht mal Pause.

Noch bis zum 2. April 2018 ist das weltweit erste Wandermuseum, das Museum of Everything zu Gast im MONA. Das in London initiierte Projekt zeigt Art brut und andere Außenseiterkunst von erstaunlicher Qualität und Vielfalt. Überbordend und diskursiv, immer auch ein wenig manisch und zwanghaft anmutend. Fast überflüssig zu erwähnen, wie harmonisch es sich in David Walsh’s Kunst-Spielplatz integriert.

Als nächsten Zuwachs zur MONA-Erlebnisfamilie plant Walsh wohl ein Hotel und ein Casino. What else – auch der visionärste Entrepreneur kommt bisweilen zurück zu den Wurzeln seines Erfolges.

Mehr informative Reiseberichte:

Service | So kommst du zum MONA in Hobart

Das MONA ist Mittwochs bis Montags geöffnet. Fun fact: für Tasmanier unter 18 Jahren ist der Eintritt frei. Für alle anderen kostet der Spaß 25-28 Dollar, je nach Jahreszeit und Ausstellungen. Die aktuellen Öffnugszeiten von Museum, Shop, Restaurants und Café variieren, auch nach Jahreszeit. Vor eruem Besuch am besten nochmal die Website checken.

Stilecht anreisen tut ihr mit der dem in schwarz/weiß/grauen Tarnfarben gestalteten Katamaran MR-I Fast Ferry, über den Derwent River. Das ganze geht auch im „posh pit“, mit Schnittchen, Häppchen und Drinks. Abfahrt vom Brooke Street Pier, die Fahrt dauert 25 Minuten. Mit dem Mietwagen bis Berriedale – das Mueum ist ausgeschildert. Kostenfreie Parkplätze gibt’s en masse auf dem Gelände, inmitten von Weinbergen, durch die lustige Hühner laufen.

Wie du dir eine richtig tolle Woche in Tasmanien machen kannst, mit Nationalparks entdecken und wandern, erfährst und in meinem Beitrag über eine einwöchige Rundreise durch Tasmanien.