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TravTravel Slam – Reisen gut erzählen!
TravTravel Slam – Reisen gut erzählen!

Travel Slam – Reisen gut erzählen!

Erstaunlich eigentlich, dass es das im Zeitalter von DSDS etc. noch nicht gab: Drei Leute erzählen um die Wette von einer Reise und das Publikum entscheidet, wer’s am besten gemacht hat. Travel Slam heißt diese Erfindung und jeder kann mitmachen…
Inhalt
Volles Haus beim 3. Travel Slam in der Stadtbibliothek Köln
Volles Haus beim 3. Travel Slam in der Stadtbibliothek Köln

Ausverkauft! Erst das dritte Mal Travel Slam und der Saal ist proppenvoll. Zusätzliche Stuhlreihen quetschen sich zwischen Betonpfeiler. Wo irgend Platz ist und der Blick bis zur Leinwand reicht, sitzen Besucher. Meistens junge. Sie wollen Geschichten hören. Reisegeschichten. Und die bekommen sie auch.

Wart ihr schon mal auf einem professionellen Reisevortrag? Mit Soundtrack, Überblendtechnik und allen Finessen der Diashowkunst? Abgedunkelter Saal, atemberaubende Bilder, die Stimme des Fotoautors aus dem Dunkel, raunende Stille, sakrale Andacht? So viel Perfektion macht uns immer ein bisschen misstrauisch. Was wird uns da suggeriert? Sind die Bilder echt, stimmt die Geschichte? Oder geht es nur um Effekte?

Improvisiert und familiär

Travel Slam ist komplett anders! Nicht mal das Licht wird ausgemacht, gegen die Neonröhren haben es die Bilder schwer. Nach dem ersten Diavortrag fragt jemand aus dem Publikum: Können wir die Lichter nicht mal ausmachen? Der Moderator ist verblüfft. „Mir wurde immer gesagt, das geht nicht“, wendet er sich an den Hausmeister ganz hinten im Saal. „Doch, klar geht das“, antwortet der und schaltet die Lichter aus. So einfach ist das.

Das wirkt ein bisschen unbeholfen, improvisiert – und gerade deshalb ausgesprochen sympathisch! Und erst die Vorträge selbst! Niemand legt hier Wert auf Perfektion. Der erste der drei Wettbewerber sagt zwischendurch sogar mal, er sei kein guter Fotograf. Und das stimmt auch, aber es macht nichts. Überhaupt nichts!

Authentisch heißt das Modewort dafür, und wenn ihr mal authentische Diavorträge über Reisen sehen und hören wollt, geht zum Travel Slam in die Stadtbibliothek Köln. Schon der Ort trägt zur familiären Atmosphäre bei: drumherum Fenster vom Boden bis zur Decke, das heißt, jeder kann von draußen reingucken. Mitgucken. Stört das jemanden? Nö.

In 15 Minuten um die Welt

Die Idee des Travel Slam ist eigentlich ganz einfach: Drei bis fünf Reisende stellen sich vorne auf die Bühne und haben jeweils 15 Minuten Zeit, um ihre Reise möglichst spannend, lustig, mitreißend, jedenfalls überzeugend zu präsentieren. Anschließend kürt das Publikum per Handzeichen den Gewinner. Der bekommt als Siegpreis das „goldene Reisezepter“ – praktischerweise eine Energiesparlampe für Garten oder Campingplatz – und darf das Publikum noch einmal für weitere fünf Minuten unterhalten. Das war’s auch schon.

Travel Slam – Reisen gut erzählen!
Travel Slam: Die Kandidaten Karsten Deicke, Martina Hänsel und Tanja Ney mit Moderator Alexander Königsmann

Trotzdem haben wir uns kein bisschen gelangweilt. Obwohl für uns gleich feststand: So wie der erste Travel Slammer – Karsten, Mittvierziger – gereist ist, würden wir das nie machen. Er präsentiert eine Weltreise: 365 Tage durch Neuseeland, Australien, Südamerika, Kanada und die USA.

Später kommt aus dem Publikum die Frage: Warum nicht Asien? Warum nicht Afrika? Was ist das denn für eine Weltreise? Die Antwort: Karsten und seine Partnerin fanden nichts an Asien und Afrika, also haben sie es gar nicht erst eingeplant. Und in Südamerika hat er sich überhaupt nicht wohlgefühlt, speziell Argentinien fand er richtig doof. Liegt’s daran, dass er kein Spanisch spricht, wie er unverblümt zugibt? Das kann man gut finden oder nicht, zu ihm passt es. Er mag es eher mainstreamig und hat damit am Ende sogar gewonnen. Das ist so beim Travel Slam. Und es ist okay so.

Bangladesch oder Island – beides sympathisch exotisch

Ganz und gar nicht mainstreamig war das Reiseziel von Martina, der zweiten im Bunde. Sie versucht, dem Publikum Bangladesch schmackhaft zu machen – und das gelingt ihr erstaunlich gut! Sie erzählt von einem Buch in ihrer Kindheit, in dem von Chittagong die Rede war und das sie nie vergessen konnte, also ist sie eines Tages hingefahren. Freimütig berichtet sie, dass sie als Touristen eine ziemliche Attraktion waren und immerzu angegafft wurden. Entsprechend sehen die Fotos aus – überall staunende Gesichter. Aber ihre Begeisterung ist echt, ihre Art zu erzählen abwechslungsreich und das Abstimmungsergebnis am Ende denkbar knapp.

Travel Slam – Reisen gut erzählen!
Travel Slam: Auf nach Chittagong – Urlaub im garantiert touristenfreien Bangladesch

Auch Tanja hätte diesen Travel Slam gewinnen können, meine Favoritin. Sie hatte sich mit ihrer Freundin bei Lonely Planet für einen vierwöchigen Freiwilligeneinsatz auf einer Polarfuchs-Station in Island beworben. Schon Island selbst liegt ja ein bisschen abseits, aber der Standort der Station toppt alles, was einem so zum Ende der Welt einfällt.

Wie sie die Wortkargheit der Isländer am Beispiel eines Taxifahrers beschreibt, ist umwerfend. Wunderbar auch ihre Erlebnisse auf dem Campingplatz, der ihnen als Wohnort diente. Alle drei Tage mussten sie das Zelt umstellen, „damit sich das Gras erholen kann“. Und manchmal passierte es, dass sie morgens aufwachten und direkt vor ihrer Nase stand – ein Klapp-Caravan! „Man kann ja zu jeder Tages- und Nachtzeit anreisen“, erzählt Tanja, „weil es nie dunkel wird“. Und das tun die Isländer offenbar. Außerdem lieben sie Klapp-Caravans. Und kaum haben sie den aufgeklappt, ziehen sie Schnüre um das zugehörige Grundstück, „so dass wir gar nicht mehr wussten, wie wir zur Toilette kommen sollten“.

Travel Slam – Reisen gut erzählen!
Travel Slam: Nach Island ans Ende der Welt

Travel Slam mit Ukulele

Das alles untermalt mit echter Begeisterung und Bildern ohne professionellen Anspruch. Denn keiner der drei Wettbewerber hat diese Reise gemacht, um sie später als Diavortrag – ob beim Travel Slam oder sonstwo – zu verwerten, sondern aus purer Lust. Das ist sofort zu spüren.

Frank Lustig hatte wohl im Gefühl, dass das klappen könnte. Er hat den Travel Slam erfunden. Damit lockt er jede Menge Besucher in die Stadtbibliothek, die sonst nie hierher kommen würden. Eine gute Werbung also, auch dank Moderator Alexander Königsmann. Der nimmt sich auch schon mal selbst auf die Schippe und hält sich ansonsten wohltuend im Hintergrund.

Carsten gibt zum Schluss noch seine Ukulele-Künste zum Besten. Spätestens da fühlen wir uns en famille. Wer will, kann danach noch bei einem Bierchen quatschen. Alles in allem ein angenehm unspektakulärer und wunderbar unterhaltsamer Abend. Der nächste Travel Slam kommt bestimmt – auch für uns!

Travel Slam – Reisen gut erzählen!
Travel Slam: der Gewinner mit Ukulele

Hier gibt’s noch mehr Travel Slam:

Infos

„Travel Slam – In einer guten Stunde um die Welt“ ist eine Idee von Frank Lustig für die Stadtbibliothek Köln und findet bislang auch nur dort statt. Wer seine Reisen anhand von Bildern gut erzählen kann, kann sich bewerben – egal, ob er in der Antarktis war oder im Nachbardorf. Durch den Abend führt der Schauspieler und TV-Moderator Alexander Königsmann.

Infos zum Travel Slam findest Du auf der Website: www.travelslam.de