Geht Fairbnb?
Ich gestehe: Wir haben Airbnb-Wohnungen gebucht. Und es war cool. Geld gespart haben wir auch. Aber jetzt gehen wir wieder ins Hotel oder behelfen uns sonst irgendwie, individuelle Unterkünfte hin oder her. Warum? Airbnb ist nicht mehr cool. Städtereisen sind in Verruf gekommen, der Tourist wird zum Feindbild, der Reisemarkt kämpft mit Imageproblemen. Kann ein Projekt wie Fairbnb das wieder geradebiegen?
Leicht ist die Aufgabe nicht. Wir merken es auch selbst im Zentrum von Köln, wo wir wohnen, gerade um Weihnachten herum. Überall sind Touristen, und manche von denen können sehr rücksichtslos sein. Aber auch, wenn sie ganz normal daherkommen, ist ihre schiere Masse ein Problem. Sie parken die Gehwege zu, verstopfen die Fußgängerzonen und belegen die Plätze in den Lieblingsrestaurants und -kneipen.
Airbnb: Am Anfang war die Luftmatratze
Auf unseren Städtereisen wollen wir nicht so sein. Abgesehen davon: Je mehr Airbnb den Reisemarkt beherrscht, desto schwieriger wird es, unter den vielen kommerziellen Anbietern noch wirklich individuelle Unterkünfte zu finden. Dabei – das sagen auch die Gründer von Fairbnb – fing alles so vielversprechend an.
2007 starteten Brian Chesky and Joe Gebbia „AirBed & Breakfast“ mit drei Luftmatratzen auf dem Fußboden ihres WG-Wohnzimmers. Ein Jahr später wurde daraus erst Airbedandbreakfast.com und kurz darauf Airbnb.com. 2011 expandierte das Unternehmen nach Übersee und gründete in Hamburg seine erste internationale Niederlassung.
Das Konzept war revolutionär und verdammt gut: Lass den üblichen Reisemarkt mit seinen unpersönlichen Zimmern links liegen und buche für deine Städtereisen lieber individuelle Unterkünfte in Privatwohnungen. Da zahlst du weniger Geld, bekommst on top Insider-Tipps und findest im Idealfall in jeder neuen Stadt neue Freunde. Die Idee, Couchsurfing als kommerzielles und einfach zu bedienendes Online-Konzept anzubieten, machte Airbnb schnell massentauglich. Genau das ruft nun, zehn Jahre später, den Konkurrenten Fairbnb auf den Plan.
Fairbnb will die Städtereisen retten
Fairbnb will weder global sein noch ein profitables Start-up. Das Geschäftsmodell ist die Kooperative, in der jeder Mitglied werden kann: Gastgeber, Gäste, lokale Geschäftsleute, Nachbarn. Mit den lokalen Behörden will Fairbnb jeweils Bedingungen aushandeln, die private Vermietungen nachhaltiger machen und dadurch Städtereisen wieder aufwerten.
Ein erklärtes Ziel von Fairbnb ist beispielsweise, dass Privatwohnungen maximal 60 Tage im Jahr vermietet werden dürfen. Airbnb-Anbieter, die „individuelle Unterkünfte“ ausschließlich für die Kurzzeitvermietung an Touristen erwerben und dadurch den städtischen Wohnungsmarkt ruinieren, sollen auf dem Reisemarkt keine Chance mehr haben. Außerdem soll die Hälfte der Vermietungsprovision den betreffenden Städten zugutekommen. Und: Die Bewohner sollen selbst entscheiden können, in welche Projekte diese Gelder fließen. So jedenfalls steht es im Fairbnb-Manifest.
Reisemarkt regulieren, individuelle Unterkünfte erhalten
Alles, was Fairbnb propagiert, ist eine Reaktion auf Fehlentwicklungen beim Vorbild Airbnb. Schon die fast identische Namensgebung zeigt: Es geht nicht darum, den Monopolisten zu verteufeln, sondern die Missbildungen zu beseitigen und die Geschäftsidee auf nachhaltige Füße zu stellen. Homesharing ist nun mal in der Welt und hat ja auch jede Menge Vorteile, also muss es einen Weg geben, den Reisemarkt sozialverträglicher zu gestalten. Durchaus möglich, dass sich Brian Chesky and Joe Gebbia noch gründlich ärgern werden, dass die Fairbnb-Initiative nicht von ihnen selbst ausging.
So überraschend ist das andererseits nicht, weil der Fairbnb-Ansatz – Vorrang für lokale Interessen – dem globalen Anspruch von Airbnb widerspricht. Dessen Investoren erwarten exponentielles Wachstum, doch der Zwang zur Gewinnmaximierung zerstört zugleich die Geschäftsgrundlage: Städtereisen stehen in der Kritik, weil Vermieter zu verdeckten Unternehmern werden und scheinbar individuelle Unterkünfte zur Massenware degenerieren.
Die betroffenen Städte reagieren mit Verordnungen und gehen gerichtlich gegen Airbnb vor, wenn sie der Meinung sind, dass die Plattfom nicht genug gegen illegale Vermietungen unternimmt. Erst vor drei Wochen hat München per Gerichtsbeschluss erwirkt, dass Airbnb die Daten von Eigentümern offenlegen muss, die ihre Wohnungen auf der Plattform mehr als acht Wochen im Jahr vermieten. Nach Münchner Recht begehen sie damit eine Ordnungswidrigkeit. Auch andernorts halten städtische Behörden Airbnb auf Trab – und geben damit dem lokalen Fokus von Fairbnb Auftrieb.
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Ist Fairbnb eine ernstzunehmende Alternative?
Das Manifest von Fairbnb klingt toll: finanzielle Transparenz, Förderung von Stadtteilprojekten, demokratische Entscheidungsprozesse, vielfache Beteiligungsmöglichkeiten – wenn sich das alles so umsetzen ließe, wäre das ein Riesenfortschritt. Aber es bleibt kompliziert.
Weil das so ist, beschränkt sich Fairbnb zunächst auf Amsterdam, Barcelona, Venedig und Bologna. Die ersten drei gelten als vom Tourismus besonders bedrohte Biotope. Jahrelang haben sie von Airbnb profitiert und scheitern nun am eigenen Erfolg, weil die Lebenshaltungskosten in die Höhe schießen und zu viele private Ferienwohnungen die eigenen Bewohner vertreiben. Die Erkenntnis, dass Städtereisen ein trojanisches Pferd sein könnten, macht Airbnb zu einem willkommenen Sündenbock. Doch auch wenn die Online-Wohnungsbörse zur Gentrifizierung und kulturellen Verödung ganzer Stadtviertel beiträgt, sind die Ursachen in der Regel komplexer und die jeweiligen Stadtverwaltungen oft Teil des Problems. Umso mehr könnte Fairbnb den Städten helfen, den völlig aus dem Ruder gelaufenen Reisemarkt gemeinschaftlich zu reorganisieren – allerdings nur, wenn die Stadtväter Kontrolle abgeben und mehr Bürgerbeteiligung zulassen.
Denn was da unter der Überschrift Fairbnb entstehen soll, gleicht eher einer Bewegung als einer herkömmlichen Genossenschaft. Die wichtigste Währung heißt Engagement, und das dauerhaft am Leben zu erhalten, zu kanalisieren und produktiv zu gestalten, ist eine Herkulesaufgabe. Andererseits ist nachhaltiger Tourismus ohne den persönlichen Einsatz vieler nicht zu haben, und Fairbnb bietet dafür einen möglichen Rahmen. Ob der sich als tragfähig erweist, wird sich zeigen. Vor allem muss Fairbnb den Beweis antreten, dass es – anders als der große Konkurrent – illegale Vermietungen wirklich verhindern kann. Und es muss Fairness mit konkurrenzfähigen Mietpreisen verbinden und obendrein noch dafür sorgen, dass sich das Genossenschaftsmodell nicht in lokalen Diskussionen verzettelt.
Ich bin jedenfalls gespannt: Der Newsletter ist abonniert, und Amsterdam ist nah genug, um die neue Plattform bald zu testen – sozusagen als guter Vorsatz für das kommende Jahr. Je mehr mitmachen, desto besser.
Mehr Infos zu Fairbnb gibt es auf der Website der Plattform.