Modena: Aceto Balsamico, Ferrari & Pavarotti
Bei Modena denke ich natürlich sofort an die feinen italienische Küche mit Aceto Balsamico di Modena, wer tut das nicht? Ich denke aber auch an Ferrari und Maserati und ein bisschen vielleicht auch an Luciano Pavarotti. Aber ganz ehrlich mit Tenören habe ich es nicht so, auch wenn sie so geölt schnurren können wie Luciano. Ich stehe mehr auf Bariton. Wie auch immer, ich stelle mir vor, Modena muss eine unglaublich tüchtige und geschäftige Stadt sein und überall summen vor Betriebsamkeit. Ist aber nicht so. Als im am späten Vormittag vom Bahnhof Richtung Altstadt schlendere, ist Modena einfach nur erschreckend menschenleer.
Niemand auf den Straßen, niemand auf der großen Piazza vor dem Palazzo Ducale, es bellt kein Hund und auch kein Vogel pfeift. Gibt ja auch fast keine Bäume in der Innenstadt. Komische Stadt denke ich und dann rieselt es mir wie Schuppen aus dem Haar, in Modena sind die Menschen einfach alle arbeiten gegangen, ins Büro oder in die Fabrik, in die Schule oder ins Badezimmer, putzen. Deswegen herrscht in Modenas Altstadt am Vormittag ganz einfach eine bienenemsige Stille.
Caffé, Champagner & Kaviar
Aber dann entdecke ich doch einen Ort städtischen Lebens. Die Caffetteria Giusti. Dort haben sich vor glitzernden Champagner Flöten und einem kleinen gläsernen Kühlschrank, prall gefüllt mit herrlichstem Kaviar, schon Modenas Bohemians und Genießer zum petit dejeuner versammelt.
So etwas habe ich in meinen langen Jahren in Italien auch noch nicht gesehen: Eine Caffé Bar mit Kaviarkühlschrank. Also nippe ich nachdenklich an meinem würzigen Espresso und schaue staunend in den dunklen und gediegenen Gastraum. Eigentlich ganz normale Menschen um mich rum.
Christophoro hatte mich gestern schon gebrieft, Modena das ist eine bourgeoise, wohlhabende, nein sogar super reiche Stadt. Tatsächlich habe ich unzählige gehobene PKWs süddeutscher Produktion auf den engen Straßen gesehen, aber die Caffetteria Giusti und der angeschlossene Delikatessenladen, in dem die Würste so ausgestellt werden, als handele es sich um die Diamanten der König von Saba, haben dann doch einen besonderen, einen irgendwie erheiterten Eindruck hinterlassen.
Um es gleich vorwegzunehmen auf dem Marktplatz hinter der Piazza Grande, dem Hauptplatz Modenas, habe ich eine weitere Champagnerie entdeckt. Und auch in der wohlig duftenden Markthalle werden die Köstlichkeiten der Emilia Romagna: Artischocken, Wurzelgemüse und nackte Hähnchen so perfekt und makellos präsentiert, als hätten Stylisten und Setdesigner an diese appetitliche Pracht erst die Hand und dann das Poliertuch angelegt.
Tigelle di Modena – eine ungewöhnliche Karriere
Christophoro hat mir empfohlen unbedingt Tigelle, so pfannkuchendünne Weißmehlbrötchen, eine echte Spezialität aus Modena, zu probieren. Früher waren Tigelle mal das nährstoffarme Essen für die armen Leute. Heute aber werden die Tigelle mit Trüffelpaste und aromatisierter Mortadella zu verführerischen Leckerbissen augepimpt und – ganz genau – wie die Juwelen der Königin von Saba feilgeboten. Ich esse warme Tigelle super authentisch mit Pesto Modenese.
Dieser Modena Doppel-Whopper entpuppt sich allerdings als ein sehr besonders Vergnügen, denn der warme fette Speck fließt erst aus dem dünnen Brötchen und dann in meinen Bart. Bis ich den waschen kann, rieche ich jetzt erstmal nach Schweineschmalz. Trotz dieses Malheurchen bleibt mein Urteilsvermögen ungetrübt. Modena das ist eine Genießerstadt!
Natürlich bin ich nicht als Foody nach Modena gekommen, der romanische Dom hat mich hierher gezogen. Benannt ist er nach Geminianus, dem 2. Bischof Modenas, der im 4. Jahrhundert über 50 Jahre lang amtierte. Erstaunlich ausdauernd. Im 10. Jahrhundert entstehen Legenden, dass der Heilige, sich ostgotischen Horden entgegengeworfen habe. Diese Märchen haben ihn so berühmt gemacht, dass sogar der kleine Ort San Gimignano in der Toskana nach diesem Heiligen benannt ist. Schon gemerkt? Über San Geminianus und besonders seinen Dom lässt sich richtig viel erzählen, deswegen gibt es zur Kathedrale von Modena eine eigene Geschichte. Hier geht es weiter mit der Familie Este.
Die Este in Modena
In Modena residierten viele Jahrhunderte die Este Herzöge und haben der Stadt den Stempel einer fürstlichen Residenz aufgedrückt. Davon, dass Modena eine römische Gründung ist, sieht man hingegen wenig und das obwohl die alte Römerstraße Via Emilia, die ja immerhin der gesamten Region ihren Namen Emilia Romagna gegeben hat, mitten durch das Stadtzentrum verläuft.
Die Este Herzöge haben zum Beispiel den monströse Palazzo Ducale bauen lassen. So ein überdimensionierter Kasten, einer der größten Paläste in Italien, lässt sich nicht besuchen, denn hier ist die Militärakademie des italienischen Heeres untergebracht. Also draußen bleiben und die etwas langweilige Fassade betrachten. Die Hofhaltung der Herzöge in diesem riesigen Palast muss so kostspielig gewesen sein, dass sie irgendwann anfingen, die Ausstattung zu verkaufen und damit eine über Generationen gewachsene Kunstsammlung Stück für Stück aufzulösen.
Ein Großkunde der Este war August der Starke, der prächtige Gemälde aus Modena nach Dresden bringen ließ. Das, was von der Sammlung übrig blieb, lässt sich in der Galleria Estensi bewundern. Das ist gar nicht so wenig, aber naja das Schönste ist halt weg.
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Die Galleria Estensi
Die Paradestücke sind wahrscheinlich ein fantastisches Marmorporträt des Herzogs Francesco aus der Hand Gian Lorenzo Berninis und sein gemaltes Porträt von Velasquez. Beide sind in Rom entstanden. Bernini entwirft das Bild eines abgehobenen etwas schnöseligen Hofmanns mit viel Pomade und kostbarer Spitze. Oberflächlicher Glanz. Velasquez dagegen reduziert das Bild aufs Wesentliche, er lässt alles Überflüssige weg und konzentriert sich aufs Gesicht. Francescos Augen schauen so aufmerksam und prüfend aus dem Bild, seine Lippen sind so kritisch geschürzt, dass ich seine Anwesenheit und selbstverständliche Autorität zu spüren meine. So großartig Bernini ist, gegen Velasquez Darstellung von absoluter Macht wirkt er echt old school.
Die Este haben schon früh angefangen, antike Münzen zu sammeln. Sie haben Münzen und Medaillen sogar als Mittel der Selbstdarstellung neu erfunden. War ja auch praktisch. Im Gegensatz zu einem Gemälde, das sich nur mühsam reproduzieren und transportieren ließ, konnten Medaillen durch Nachguss einfach vervielfältigt und bequem in der Hosentasche mitgenommen werden. Also wird die berühmte erste Medaille des Künstlers Pisanello mit dem Porträt Leonello D‘ Estes ziemlich prominent gezeigt.
Etwas weiter ist ein prächtiges Schränkchen ausgestellt mit unzähligen Türen und winzigen Schüben, in denen ein Teil der Münzsammlung der Este aufbewahrt wurde, da muss Suchen richtig Spaß gemacht haben, kein Vergleich zu den öden Plastikhüllen moderner Münzalben. Überhaupt ist es außerordentlich interessant, dass im Este Museum neben Malerei wertvolles Kunsthandwerk ausgestellt ist. Aufwändige gearbeitete Sättel, Musikinstrumente, Kristallflaschen oder Suppentassen aus kostbarem Glas vermitteln ein Bild des prächtigen Fürstenhofs der Este Familie.
Italienische Meister und Maler in Modena
Außerdem gibt es in der Gallerie Estensi unglaublich viel italienische Malerei, besonders natürlich aus der Emilia Romagna. Ich bewundere eine Mutter Maria mit Kind von Correggio, sanfte Linien, sanfte Farben. Ganz schön.
Dosso Dossi hat sich vom berühmten Rafael inspirieren lassen. Er schwelgt in verführerischen Rottönen und malt eine zauberhafte Mutter Maria mit dem Erzengel Michael, dessen schillerndes Flügelpaar Zeugnis davon ablegt, wie die Entdeckung Amerikas und seiner exotischen Natur, die Menschen des beginnenden 16. Jahrhunderts verwundert und begeistert hat. Natürlich ist auch der venezianische Schnellmaler Tintoretto vertreten, mit einem fantastischem Neptun, dem er einen glühenden rosa Hintern verpasst.
Guido Reni gibt mir den Rest
Vor der monumentalen Kreuzigung des Schlafzimmermalers Guido Reni halte ich staunend an. Das Kreuz nimmt die gesamte Bildhöhe und auch die Breite ein, daran hängt ein ziemlich knackiger junger Mann, der seine großen Augen zwar Richtung Himmel dreht, dem die Qualen des Martyriums aber nicht anzusehen sind. Hinterfangen wird das Kreuz von einem grauen Himmel in den berüchtigten 50 shades of grey.
Warum wirkt dieses Bild so sonderbar? Ich schaue mich in dem Museums-Saal um und sofort ist eine Antwort da. Alle Bilder um mich herum wimmeln vor Farben und Figuren nur die Kreuzigung nicht. Guido Reni hat die Kreuzigung einfach leer geräumt und Farben und Figuren eliminiert. So fokussiert sich der Blick auf den Christus Leib, der schon vom Körperlichen erlöst zu sein scheint, und auf dieses merkwürdig graue Licht, das aus dem Himmel niederfällt. Mit diesem Paukenschlag geht mein Besuch in Modena zu Ende.
Noch schnell ein spätes Mittagessen und zwar im Ristorante Enoteca Ristretto im Vicolo Camillo Coccapani 5. Da gibt es für kleines Geld einen ordentlichen Mittagstisch, Champagner ist nicht drin, aber ein kühler Weißwein. Dann ab die Post, das Schweinefett muss aus dem Bart, Bernini Pomade muss wieder rein.