Die Amalfitana und die Amalfiküste – Wunder in Italien
„Das Gestade von Reggio bis Gaeta gilt für die schönste Gegend Italiens; dort zieht sich nahe bei Salerno, ein das Meer überragendes Uferland hin, von den Einheimischen die Küste von Amalfi genannt, voll kleiner Städte, Gärten und Springbrunnen … “.
So begeistert sich der Dichter Giovanni Boccaccio für die Amalfiküste im Süden Italiens. 550 Jahre später hat sich zwischen den “Gestaden von Reggio bis Gaeta“ und ganz besonders in Kampanien das ein oder andere geändert. Uneingeschränkt zustimmen kann ich Boccaccio deswegen nicht. Die Gegend rund um den Vesuv zum Beispiel gehört heute zu den am dichtesten bewohnten in Europa. Hier leben auf engstem Raum mehr Menschen als in Finnland. Genau, da bleibt die Schönheit schon mal auf der Strecke. Auch der Container Hafen von Salerno mit seinem Gewirr aus grauen Hochstraßen gewinnt keine Schönheitskonkurrenz.
Amalfitana die schönste Küstenstraße der Welt
Und die Küste von Amalfi? Ein Wunder! Die ist so schön, wie eh und je! Voll kleiner Städte, Gärten, Springbrunnen … und einer kurvenreichen Straße: der Strada Statale 163 besser bekannt als Amalfitana. Boccaccio kannte diese bemerkenswerte Küstenstraße noch nicht. Er musste noch mit dem Bötchen Richtung Amalfi und Ravello schippern.
Erst im 19. Jahrhunderts wird die Strada Statale 163 als spektakuläre Achterbahn Stück für Stück aus dem Berg gesprengt. Die super schmale amalfitansiche Küstenstraße krallt sich an die steilen, weißen Felsen der Monte Latari. Das sind die Milchberg der paradiesischen Halbinsel von Sorrent.
Die Bauarbeiten für die Küstenstraße an der Amalfiküste begannen zwar schon 1832 und waren 1850 nach nur 18 Jahren schon abgeschlossen. Aber noch bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts war die Strada Statale 163 nicht mehr als ein schmaler Pfad. Der legendäre Italienreisende Eckart Peterich beschreibt die Amalfitana als einen spektakulären Wanderweg, auf welchem er eher Eselkarren als Autos begegnete. Erst mit dem Aufblühen des Tourimus begann sich die Amalfitana zu der Straße zu entwickeln, die heute unsere Fantasie beflügelt.
Das letzte Abenteuer Europas: Mit dem Auto auf der Strada Statale 163
Heute schraubt sich die Amalfitana 40 Kilometer in abenteuerlichsten Kehren und Wenden durch Schluchten und über Fjorde zwischen blauem Himmel und einem unverschämt noch blaueren Meer. Eine überwältigende Herausforderung an Fahrkünste und an die Sinne. Für die einen ist die Amalfitana die schönste Küstenstraße Italiens oder gar der Welt. Für die anderen ist die Fahrt entlang der Amalfiküste das letzte Abenteuer Europas. Beides stimmt.
Wahnwitzige Kurven so eng wie Nadelöhre präsentieren bestürzend schöne Ausblicke auf das Thyrrhenische Meer, verträumte Küstenstädtchen und die üppige Natur des Südens. Zwei kleine Augen reichen gar nicht aus, dieses große Wunder mit der Seele ein zu atmen. Die Unesco hat die Costiera Amalfitana zum Weltkulturerbe erklärt. Absolut richtige Entscheidung! Denn hier leben Landschaft und Mensch in einer gleichberechtigten Symbiose zusammen, die Anmut, Schönheit, Heiterkeit erblühen lässt. Von welcher anderen Küste als der Amalfiküste lässt sich das schon schreiben, ohne Rot zu werden?
Unterwegs auf der Amalfitana – Von Positano bis nach Vietri sul Mare
Die Strada Statale 163 beginnt in Meta, einem Ortsteil von Sorrent, und endet erst in Salerno. Aber die klassische Amalfitana das sind nur die extrem kurvigen 37,5 Kilometer entlang des Golfs von Salerno zwischen bezaubernden Küstenorten mit reizenden Namen Positano und Vietri sul Mare. Die Mitte der Costiera Amalfitana markiert die legendäre Seerepublik Amalfi. Von deren verflossenem Ruhm prächtige Kirchen und Köster künden. Kriege ich nicht in den Kopf, dass dieses heute winzige Piratennest Amalfi mal das Zentrum des Welthandels im Mittelmeer gewesen sein soll. Mindesten so bedeutend wie Venedig. Krass!
Bis zum Bau der Küstenstraße waren diese Orte mit den reizenden Namen nur über das Meer zu erreichen. Jahrhunderte lang muss das Leben einsam und abgeschieden gewesen sein. Vielleicht hat sich deswegen hier eine besondere, heitere Lebensart konserviert. Schönheit aber kennt bekanntlich keine Grenzen! Darum wird heute die gesamte Strada Statale 163 entlang der Südflanke der Monte Latari Amalfitana genannt.
Schon in Sant´Agata sui Due Golfi einige Kilometer vor Positano geht es los mit der unverschämten Pracht des Südens. Im Rücken liegt der Golf von Neapel. Vor dem Bauch verwandeln sich die Monte Latari zur fantastischen Costiera Amalfitana und stürzen zum Golf von Salerno hinab. Felskaskaden voller üppiger Ölhaine, stacheliger Argaven, buschiger Wolfsmilch und samtigen Ziströschen. In der Ferne auf dem glitzernden Meer schwimmen im wattigen Dunst die Galli Insel.
Die Küste der Sirenen
Hier also beginnt die gefährliche Küste der verführerischen Sirenen. Diese mythischen Mischwesen aus Vogel und Frau hausten in längst vergangenen Zeiten auf den 3 kleinen Galli Inselchen. Mit ihren betörend schönen Stimmen lockten sie griechische Seefahrer in die schreckliche Untiefen vor der Amalfiküste; hinab ins feuchte Grab. Bis der listenreiche Odysseus die bedrohlichen Sirenen überrumpelte und in den Selbstmord trieb.
Verführung und Gefahr verschwimmen noch heute auf der Amalfitana zu dieser eigenartig stereotypen, nervösen Melange des Südens. Gefahrenquelle ist immer noch der Verkehr. Verführerisch sind die raffinierten Kurven. Sie verleiten Autofahrer zu beweisen, wie gut sie das Lenkrad unter Kontrolle haben. Butterweich in die scharfe Kurve gelegt und dann knallhart auf dem nächsten Fahrzeug gelandet. Das sind die Sirenen-Geschichten, die die Costiera Amalfitana heute schreibt.
Deswegen ist die Strada Statale 163 nicht nur eine der spektakulärsten Küstenstraße. Sie ist wahrscheinlich auch eine der am besten regulierten Straßen in Italien. Denn schlimme Unfälle soll es im Paradies an der Amalfiküste nicht geben! Darum heben Polizisten und zivile Helfer in leuchtenden gelben Westen warnend die Hände, winken Fahrzeuge durch, brüllen ins Walky-Talky und managen so den Lindwurm Verkehr. Manchmal springt sogar ein Busfahrer aus seinem Bus, um einem paralysierten Autofahrer wild gestikulierend auf die Sprünge zu helfen. „Guck doch genau hin, da sind noch zwei Millimeter, die du zu Seite rücken kannst, dann passe ich mit eingeklappten Außenspiegel an dir vorbei!“
Amalfitana, die Straße wo die Zitronen blühen
Tatsächlich verengt sich die Amalfitana an manchen Stellen so sehr, dass zwei Autos kaum nebeneinander passen. Für ungeübte Fahrer purer Stress. Auch die Chauffeure der Reisebusse sind gefordert. Gerade bei weither angereisten Tagesausflüglern, die in Neapel oder Sorrent übernachten, ist die Fahrt im Reisebus entlang der Costiera unglaublich beliebt. An manchen Tagen stehen die Reisebusse regelrecht im Stau. Macht aber nichts, denn dann lässt sich die tolle Aussicht im Stillstand wenigstens ohne Kurverei genießen.
Beliebtes Fotomotiv an der Amalfiküste sind die kindskopfgroßen Zitronen. So was gibt es doch gar nicht, staune ich. Gibt es aber doch, kein fauler Trick, diese Zitrusfrüchte lassen sich sogar anfassen. Sie heißen Cedri, ZItronatszitronen. Raffinierte Geschäftemacher haben die grotesken Mega-Zitronen auf den Ladeflächen ihrer kleinen Transporter geschmackvoll arrangiert und am Straßenrand abgestellt. Sie fungieren als Lockangebot, das die Reisenden magisch in Richtung Verkaufsstand zieht.
Kaum hat sich ein Nordeuropäer über die Riesenfrüchte gebeugt, springt ein altes Mütterchen herbei. Stimmlich ist sie eine moderne Interpretation der Sirenen. Sie preist eine Gewürzmischung aus Kräutern, Knoblauch und Chilli und ruft: „Spaghetti alla Puttanesca“. Nudeln alla Nuttensoße. Sie hebt die Finger ihrer knöchrigen Hand, weist auf getrocknete Peperoni-Schoten und feixt aus zahnlosem Mund: „Viagra naturale! Cosi si fa l’amore!“ Gefahr und Verführung. An der Amalfitana kommt das fast immer im Doppelpack.
Unterwegs im Paradies
Ich finde die Amalfiküste einfach nur fantastisch. Ich kann mich für die Costiera Amalfitana richtig in Rage begeistern. Mich beeindrucken das azurblaue Meer, die bizarren Felsformationen, die wildwuchernde Natur. Manche Felsen haben sogar poetische Namen: Garibaldi, Madonnina, Liebende. Ist das toll?
Besonders fasziniert mich, wie die Menschen sich diese Küstenlandschaft zu eigen gemacht haben. In Jahrhunderten voller Kleinstarbeit haben sie den unwirtlichen, steilen Felsen, die freiwillig keinen Raum zum Siedeln oder Häuslebauen bieten, dieses üppige Paradies auf Erden abgerungen. Weißgekalkte, kubische Häuschen schmusen sich zu den kleinen Städten Positano und Praiano aneinander. Kuppeln und Gewölbe verzaubern diese schlichte Architektur in einen Traum vom fernen Orient. Inselstil! Terrassenfelder, Wein, Oliven, Zitronen klettern die steilen Hänge der Monte Latari bis in die Wolken empor. Städte oder Städtchen gehen mit der Landschaft tatsächlich eine einzigartig enge Bindung ein.
Reste alter Herrlichkeit und neue Blüte an der Amalfiküste
Das alles ist das Erbe einer bäuerlichen, ärmlichen Welt. Sie entstand nachdem die glorreiche Zeit der Seerepublik Amalfi schon lange Vergangenheit war. Verstreut blitzt diese geheimnisvolle Geschichte in den Städtchen Amalfi und besonders in Ravello auf. In räudigen spitzen Bögen und funkelnden Mosaiken, inspiriert vom Luxusdesign des arabischen Morgenlandes. Die versprengten Fragmente der lang entschwundenen Blütezeit der Städte an der Amalfiküste regen Ferdinand Gregorovius, in seinem wunderbaren Buch Wanderjahre in Italien zu folgenden Betrachtungen an:
“Wie nun alle jene Landschaften Neaples heruntergekommen sind, lehren solche Überreste alter Herrlichkeit in den verarmten Städten. Zweimal blühten jene von der Natur überschwenglich gesegneten Küsten: im griechischen Altertum, wovon das nahe Paestum das redende Zeugnis gibt, und im republikanischen Mittelalter, als Neapel, Gaeta, Amalfi und Sorrent mit ihren Flotten die Meere bedeckten.“
Ferdinand Gregorovius; Wanderjahre in Italien
Tempi passati. Im Zeitalter des Massentourismus erblüht die von der Natur überschwänglich gesegnete Amalfitana ein drittes Mal. Die Barbesitzer, Andenkenverkäufer, Bootsvermieter, Hoteliers, Eisverkäufer und Parkplatzwächter reiben sich bestimmt jeden Abend ungläubig die Augen, was die Demokratisierung des Reisens so alles in ihre Geldbörse spült. Dazu später mehr, wenn ich über das Piratennest Amalfi schreibe.
Interessante Facts zur Strada Statale 163 Amalfitana in Italien
- Der offizielle Name der Amalfitana ist in Italien Strada Statale 163
- Die Straße beginnt in Meta bei Sorrent und endet in Salerno
- Die Superstrada 163 ist ca. 50 Kilometer lang
- Die klassische Route Amalfitana beginnt aber erst in Positano und endet schon in Vietri sul Mare. Dieses Teilstück ist knapp 37,5 Kilometer lang
- Mit den Bauarbeiten der Küstenstraße wurde im Jahr 1832 begonnen.
- Die Amalfitana ist durch Fahrverbote reguliert: Wohnmobile und Wohnwagengespanne dürfen von 06:30 – 24:00 nicht auf der SS 163 fahren. Busse müssen kürzer als 10,36 Meter sein und dürfen von 07:30 – 24:00 nur von Positano Richtung Vietri Sul Mare fahren.
- Von der Amalfitana führt die SS 366 nach Agerola und die SS 373 bis Ravello
- Seit 1997 ist die Amalfiküste Teil des UNESCO Welterbes
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